Der Feind in meiner Ehe. Wally Gruber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wally Gruber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991078210
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das jahrelange Reittraining verbesserte sich ihr Gleichgewicht immens und sie konnte nun viel schneller und sicherer laufen. Motorisch ist Rebekka wirklich gut in Schuss, was dem Umstand geschuldet ist, dass ich nie aufgegeben habe, sie zu fördern und zu fordern.

      Auch die musikalische Förderung hatte ich übernommen. Nachdem Julian und Rebekka einen Kurs der musikalischen Frühförderung besucht hatten, fing ich mit den beiden mit Blockflötenunterricht an. Auch hier benötigte Rebekka mehr Zeit, um Notenschrift und Griffe zu lernen. Aber es war kein Problem. Sie lernte langsam, aber stetig.

      Als Julian sechs Jahre alt war, begann ich mit seinem Klavierunterricht. Er war sehr schnell und es dauerte nicht lange, da brauchte er eine „richtige“ Klavierlehrerin.

      Rebekka wollte nun auch Klavier lernen. Also machte ich mit ihr die ersten Schritte an diesem Instrument. Bis heute sitzen wir zusammen am Klavier, probieren und üben neue Stücke und es ist erstaunlich, wie gut sie sich die Musik merken kann. Wenn möglich, spielt sie die Stücke auswendig. Auch hier braucht sie recht lange, bis die kleinen Stücke sitzen, aber wenn sie sie im Gedächtnis verankert hat, kann sie sie immer wieder abrufen. Auch das ist bewundernswert mit ihrem Handicap.

      Heute lebt Rebekka in einer anthroposophisch geprägten Dorfgemeinschaft und ist sehr glücklich. Sie liebt das Leben auf dem Land und die Menschen dort und ist sehr gut aufgehoben. Rebekka arbeitet als Haushaltshilfe in einer der Wohngruppen. Einmal im Monat kommt sie über das Wochenende zu uns, freut sich auf unser Pferd und reitet mit ihm Dressur und ins Gelände. Sogar leichtes Springtraining steht ab und zu auf dem Programm. Auch den Winter- und den Sommerurlaub verbringt sie bei uns zu Hause. Beim Skiurlaub ist sie jedes Jahr dabei. Sie fährt alle Pisten ohne Angst im Carvingschwung hinunter und hat sehr viel Spaß dabei.

      Sie hat sich prächtig entwickelt und ist eine glückliche junge Frau.

      3

      Ein Sohn

      Als unsere Tochter etwa eineinhalb Jahre alt war, wurde ich zum zweiten Mal schwanger. Einige Wochen nach der ersten Geburt hatte ich wieder angefangen, im Tanzstudio zu trainieren – ein leidenschaftliches Hobby seit meiner frühen Jugend. Stepptanz und Jazzdance standen jede Woche auf dem Trainingsplan. Sogar während der zweiten Schwangerschaft konnte ich bis kurz vor der Geburt tanzen. Völlig ohne Probleme. Wir zogen in eine größere Wohnung, da unsere alte für zwei Kinder zu klein sein würde. Hochschwanger packte ich alle Kartons und Kisten für den Umzug, den wir privat organisiert hatten.

      Als Rebekka zwei Jahre und drei Monate war, kam unser Sohn Julian zur Welt. Eine komplikationslose Geburt. Julian entwickelte sich sehr gut und ganz normal. Nun wusste ich also, dass Rebekka kein normales Kind war. Ein Baby und ein Kleinkind, das sich zu langsam entwickelte – ich hatte alle Hände voll zu tun. Die neue Wohnung musste fertig eingerichtet werden. Matthias war wie immer in seinem Betrieb. Ich war beschäftigt.

      Ein Problem kam verstärkend hinzu:

      Ein großer Kunde der Agentur, für den diese für die Platzierung von Zeitungsbeilagen finanziell in Vorleistung gegangen war, meldete Konkurs an. Aus der Konkursmasse war für eine Werbeagentur kein Geld vorgesehen und so ließ der Kunde unseren Betrieb mit 1.000.000 DM im Regen stehen. Das war ein Schlag für die beiden Geschäftsführer! Sie übernahmen die volle Verantwortung und wickelten die Schulden über private Bankkredite ab. Jeder von beiden war nun für die Rückzahlung von 500.000 DM verantwortlich. Für einen jungen Betrieb eine Mammutaufgabe! Die Agentur lief jedoch gut und es wurden in den letzten beiden Jahren mehrere Mitarbeiter eingestellt, verantwortlich für den Verkauf und die kreativen Bereiche. Doch nun arbeiteten beide Geschäftsführer noch mehr als zuvor. Matthias war kaum mehr zu Hause. Morgens gegen 08:30 Uhr verließ er unsere gemeinsame Wohnung, kehrte gegen 18 oder 19 Uhr zum Abendessen zurück. Nachdem die Kinder ins Bett gebracht wurden, verließ er um 21 Uhr wieder das Haus, um gegen drei oder vier Uhr morgens heimzukommen. In den Stillpausen konnte ich ihn jede Nacht telefonisch erreichen. Das war nicht die Ausnahme, das war die Regel! Mehr als vier Stunden Schlaf hatte mein Mann über viele Jahre lang nicht nötig. Oder: Mehr gönnte er sich nicht. Sogar sein geliebtes abendliches Schwimmen – Ausgleich und sportliche Betätigung zugleich – fand keinen Platz mehr im Alltag. Alles wurde dem Betrieb untergeordnet. Auch die Kinder, auch ich.

      Die Agentur wuchs sehr schnell und innerhalb weniger Jahre erreichte sie die Zahl von um die vierzig Beschäftigten. Es wurde eine neues, hochmodernes Gebäude mit Garten, Bachlauf und Teich gebaut, um Platz für alle Mitarbeiter zu schaffen. Erfolg war garantiert. Es ging steil bergauf.

      Ich, für meine Person, war beschäftigt mit beiden Kindern. Außer der täglichen Förderung, die ich Rebekka zukommen ließ, war ich wöchentlich mit den Kindern beim Babyschwimmen, in der Krabbelgruppe, beim Kinderturnen und nach wie vor mit meiner Tochter beim Reiten.

      Zeit und Muse für eine echte eheliche Beziehung hatte Matthias leider nicht. Ich hoffte inständig, dass es bald besser werden würde, wenn der Betrieb sich weiterhin so positiv entwickeln würde. Die spärliche Zeit, die wir miteinander verbringen durften, beschränkte sich auf wenige Theaterbesuche, einen Besuch der Rundfunkmesse in Köln bzw. des jährlich stattfindenden Radio Days in Nürnberg. Dort wurde mein Mann auch für seine erfolgreichen Rundfunkspots ausgezeichnet. Natürlich war ich stolz auf ihn und freute mich für ihn. Ansonsten fuhren wir mit den Kindern einmal im Jahr für zwei Wochen in Urlaub. Cluburlaub am Meer in der Toskana.

      Geistig war ich leider überhaupt nicht ausgelastet. Ich hatte zwar viel zu tun, aber die Arbeit war für einen geistig aktiven Menschen wie mich nicht zufriedenstellend. Als Julian zwei Jahre alt war, streckte ich meine Fühler Richtung der Erstellung einer Doktorarbeit aus. Wir hatten ja diverse Kontakte zu Musik produzierenden Menschen und vielen Radiosendern in Deutschland. Warum nicht untersuchen, wie ein Rundfunkspot musikalisch aufgebaut sein muss, um erfolgreich zu sein? Wie muss der Sendeplan aussehen, damit der Spot den Hörern im Gedächtnis bleibt? Diese und andere Fragen wollte ich erörtern. Dafür suchte ich nach einem Lehrstuhl für Musiksoziologie und wurde fündig in Wien bei Frau Professorin Hasenauer. Sie hat sich spontan für das Thema interessiert und mich zum Doktorandenseminar, das im nächsten Semester stattfinden sollte, eingeladen. Trotz zweier Kinder hatte ich nun die Gelegenheit, abends, wenn ich – wie immer – alleine war, die Zeit zu nutzen, um an meiner Doktorarbeit zu schreiben. Ein schöner, aufregender Gedanke. Leider kam es nicht dazu, denn Frau Prof. Hasenauer sollte nur ein paar Monate später einem Ruf nach Boulder, Colorado folgen. Sie nahm keine neuen Doktoranden mehr an. Sehr schade.

      Julian entwickelte sich prächtig und ohne Probleme. Er hatte Rebekka bald überholt, obwohl er gut zwei Jahre jünger war als sie. Kindergarten, Grundschule und Gymnasium meisterte er ohne großen Aufwand. Er machte uns viel Freude, obwohl er manchmal recht anstrengend sein konnte, vor allem in der Pubertät! Auch im Fußballverein war er jahrelang aktiv. Musikalisch sehr begabt, baute er sein Klavierspiel bis zum Ende der Gymnasiumzeit erfolgreich aus und begleitete oft seinen jüngeren Bruder, der mit ihm im Duett mit seiner Geige musizierte. Die beiden waren jedes Mal hinreißend, wenn sie zusammen musizierten. Ich war sehr stolz auf meine Jungs. Mittlerweile hat Julian sein Studium mit dem Bachelor abgeschlossen und lebt in Westdeutschland.

      4

      Ein zweiter Sohn

      Rebekka war dreieinhalb Jahre alt, als wir für sie einen Platz in einem Integrativen Kindergarten bekamen. Dort wuchsen nicht-behinderte und behinderte Kinder zusammen auf. Es gab zwei Gruppen und die Leiterin brannte für den Gedanken der Inklusion. Eine sehr schöne, wertschätzende Atmosphäre begleitete den Umgang der Kinder untereinander und den täglichen Tagesablauf. Die Wertschätzung aller Beteiligten untereinander war deutlich zu spüren und wurde genauso gelebt. Jeder durfte so sein, wie er war. Wir fühlten uns sehr wohl in diesem Kindergarten und als Julian drei Jahre alt war, besuchte auch er diese tolle Einrichtung. Die Kinder waren sehr gut aufgehoben und glücklich.

      An einem Elternabend wurde das Thema diskutiert, was wir uns in Zukunft für unsere Kinder wünschen würden. Ich kann mich sehr gut an meinen Wunsch für Rebekka erinnern. Ich hatte für sie den Wunsch, dass sie einmal den Führerschein schaffen sollte, um möglichst mobil zu sein. Dass dieser Wunsch