Der Feind in meiner Ehe. Wally Gruber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wally Gruber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991078210
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Ich liebe es, mich in dem Orchesterklang zu baden und mit meinen Musikerkollegen*innen klassische Musik aktiv erleben zu dürfen. Es ist ein Geschenk.

      Sozialisiert wurde ich in Kinderjahren von meinen Nachbarjungs. Alle zwei bis drei Jahre älter als ich. Jeden Tag gab es andere Mutproben zu bestehen, bei denen ich nicht selten die Erste war, die sie durchführte, nur um meinen Jungs zu beweisen, dass ich eben nicht „die Kleine“ war. Die ganzen Sommerferien durch gab es Völkerball auf der Straße, einer Sackgasse mit sehr wenig Verkehr.

      Die Erziehung durch meine Eltern war streng. Sie waren 19 und 21 Jahre jung, als ich zur Welt kam. Meine Mutter, sehr dominant, mein Vater gutmütig mit einem gesunden Humor. Aber auch er war streng. Über all die Jahre habe ich mich mit meinem Vater immer besser verstanden als mit meiner Mutter. Sie ist eine eifersüchtige, neidische Frau – beides Charakterzüge, die mir selbst absolut fremd sind. Die motorische Begabung habe ich von meinem Vater vererbt bekommen. Er ist sehr sportlich und kommt in vielen Sportarten gut zurecht, ohne einen Trainer konsultiert zu haben. Mein Vater hat eine gutes Bewegungsgefühl.

      Ausgestattet mit diesen Anlagen hatte ich ab meinem zweiten Lebensjahr mit dem Skifahren angefangen. Mit acht Jahren kam das Gerätturnen hinzu, das mir mit den Jahren zahlreiche gewonnene Wettkämpfe bescherte. Später trainierte ich auch Judo und Volleyball. Mein Wochenprogramm war gut gefüllt. Samstags besuchte ich ein Pferd in unserer Nähe, da ich ja so wahnsinnig gern reiten gelernt hätte. Aber dafür reichten die finanziellen Mittel meiner Eltern nicht. Um das Pferd durfte ich mich kümmern und auch schließlich ins Gelände reiten. Ich war glücklich. Viele Jahre hielt diese Verbindung. Im Gymnasium lief es ordentlich, ich konnte mich im Mittelfeld halten. Schulisch musste ich mich immer vorbereiten, mir ist der Stoff leider nie „zugeflogen“. Fleiß hieß die Devise. Meine Eltern konnten mich kaum unterstützen. Hauptsächlich wurden die Vokabeln in Englisch und Latein von meiner Mutter abgefragt.

      Durch die stete musikalische und sportliche Ausbildung in Kindheit und Jugend war es für mich kein Problem, nach dem Abitur die beiden Aufnahmeprüfungen für das Musik- und Sportstudium zu bestehen. Ich war in meinem Abschlussjahrgang die Einzige in Bayern mit dieser Fächerkombination. Das Studium hatte mir großen Spaß gemacht. Ich hatte meine Hobbys studiert und durfte sie nun unterrichten. Genauso, wie ich meine Fächer liebe, erfüllt mich auch die Arbeit mit meinen Schülern*innen.

      Mein Umgang mit den jungen Menschen ist von Respekt geprägt. Ich möchte keinen Tag meines Lehrerdaseins missen. Bestätigt wurde mir meine pädagogische Arbeit durch zahlreiche positive Beurteilungen durch die Schulleiter der verschiedenen Schulen, in denen ich tätig war.

      Schon zu Beginn des Studiums arbeitete ich bei einem erfolgreichen Sporttheater-Projekt mit, das mich auf viele Bühnen Deutschlands führte und bei dem ich insgesamt 23 Jahre aktiv bleiben sollte. Requisiten einladen, Anfahrt, Aufbau, Beleuchtungsproben, Vorprogramm, Bühnenshow, Abbau, Einladen und Heimfahrt waren viele hundert Mal notwendig. Teamarbeit obligatorisch. Diese Truppe war fast wie eine zweite Familie geworden nach so vielen Jahren. Das Team, allesamt Individualisten, einfach großartig in der Zusammenarbeit. 1986 hatten wir in einem Theaterzelt in München mehr als fünfzig Vorstellungen in acht Wochen gespielt. Alle ausverkauft. Ich erzähle mein früheres Leben nicht, um besonderen Eindruck zu hinterlassen. Überhaupt nicht. Ich erzähle es, damit ich – ganz einfach – mein Leben vor der Ehe in Auszügen beschreiben kann. Es war der Ist-Zustand.

      Und nun sollte ich also mein erstes Kind bekommen. Mein Leben änderte sich gewaltig.

      Nach der Hochzeit verbrachten wir drei Wochen auf Kuba – unsere Flitterwochen.

      Ein traumhafter Urlaub mit vielen interessanten Begegnungen. Aber hier fand ein Ereignis statt, das mich sehr irritierte: Mein mir frisch angetrauter Ehemann hatte am Strand eine junge Frau bespuckt! Was war passiert?

      Wir beobachteten ein Kleinkind, das einen kleinen Hundewelpen am kubanischen Strand immer wieder ins Meer geworfen hatte. Der Welpe paddelte um sein Leben zurück zum Strand, war am Ende seiner Kraft und hatte bereits viel Salzwasser geschluckt. Er tat uns sehr leid. Das Schauspiel ging eine ganze Zeit und der Welpe wurde zusehends schwächer und drohte zu ertrinken. Die Mutter des Kindes sah tatenlos zu und ließ ihren Sohn gewähren. Wir beobachteten den kleinen Jungen noch etwas, dann schritt mein Mann ein: Er machte die Mutter des Kleinkindes ausfindig, begann, sie auf Englisch zu beschimpfen. Er steigerte sich immer mehr hinein, aber die Frau sprach nur Spanisch, kein Englisch. Sie ließ ihn immer wieder wissen, dass sie ihn nicht verstehe. Das brachte Matthias so in Rage, dass er die Frau, die vor ihm auf ihrem Handtuch saß, anspuckte. Ich war wie versteinert und geschockt über seine Tat. Ich zog mich zurück auf meinen Liegeplatz und beobachtete das weitere Schauspiel. Jetzt war natürlich Feuer unterm Dach! Der halbe Strand war in Aufruhr. Ein Tourist, der eine Kubanerin bespuckt! Es wurde die Strandpolizei gerufen und der Polizist redete sehr lange auf meinen Mann ein. Viele Kubaner standen im unmittelbaren Umkreis und unterstützten ihn und die Frau.

      Zu allem Übel stellte sich dann noch heraus: Es war gar nicht die Mutter des Jungen! Es war eine völlig unbeteiligte junge Frau, die von einem deutschen Touristen am Strand bespuckt worden ist. Ich wollte im Erdboden versinken.

      Dass man einen anderen Menschen grundsätzlich nicht anspuckt, ist die eine Sache, aber wie muss es dieser Frau zumute gewesen sein, die mit dem ganzen Vorfall gar nichts zu tun hatte? Mir war das alles wahnsinnig peinlich. Diesen Mann hatte ich erst vor ein paar Tagen geheiratet! Das Ende vom Lied war, dass der Polizist von Matthias verlangt hatte, sich bei der Frau zu entschuldigen. Das tat er auch: Sehr theatralisch griff er mit beiden Händen ihre Hand, verneigte sich mehrmals tief vor ihr und wiederholte unzählige Male „I am sorry, I am so sorry, so sorry …“. Ein völliges Affentheater. Total unglaubwürdig. Keine ehrliche Reue. Für mich ein echter Schock! Ich hatte den ganzen Prozess beobachtet, ohne mich einzumischen, und war entsetzt über die Handlungen meines Mannes. Ich schämte mich so sehr und mir tat die Frau unendlich leid.

      Matthias aber fühlte sich gut und stark und hatte nicht den Anflug eines schlechten Gewissens. Ich konnte überhaupt nichts mehr sagen. Jede Diskussion mit ihm wäre zwecklos gewesen. Er war im Recht – aus seiner Sicht. Und er hatte sich ja entschuldigt – also war alles gut. Für ihn!

      Ich war schockiert! Kein Ausweg weit und breit!

      2

      Eine Tochter

      Nach den Flitterwochen fing also für mich wieder die Schule an. Ich hatte in der Schwangerschaft überhaupt keine Beschwerden. Den Sportunterricht richtete ich danach aus, dem werdenden Kind nicht zu schaden. Alles war in bester Ordnung. Noch immer besuchten mein Mann und ich uns abwechselnd am Wochenende in unseren Wohnorten. Ende der 20. Schwangerschaftswoche machten sich erste Kindsbewegungen bemerkbar. Wie wunderbar! Und beim ersten Kind besonders aufregend! Am Telefon erzählte ich gleich Matthias davon, dass ich das Kind spüren könne und er müsste, wenn er am Wochenende zu mir kommen würde, unbedingt die Hand auf den kleinen Bauch legen, um das Wunder zu erleben. Sehr kalt und emotionslos teilte er mir mit, dass er am Wochenende nicht kommen würde, da er noch ein Projekt abschließen müsse. Das fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht. Meine euphorische Stimmung fiel sofort auf den Nullpunkt.

      Mein erster Gedanke: O Gott, diesen Mann hatte ich vor ein paar Wochen geheiratet!

      Ich war sehr enttäuscht. Warum interessierte er sich nicht für meine Emotionen? Er hatte sein Nichtkommen nicht mal bedauert! Ich musste seine Botschaft einfach so hinnehmen. Konnte nichts dagegen tun. Zum zweiten Mal in unserer kurzen Ehe spürte ich Machtlosigkeit. Ich ging zur Selbstreflexion über. Hatte ich zu große Erwartungen an ihn? Hat er wirklich so viel Arbeit, dass er es nicht schafft, sich das Wochenende freizunehmen?

      Seit der Hochzeit blieben auch die wöchentlichen Blumensträuße aus. Nicht, dass ich sie erwartet hätte, aber mir ist dieser Umstand nur aufgefallen und das habe ich gespeichert.

      Ich hatte Matthias immer bewundert wegen seiner Schlagfertigkeit und seines rhetorischen Geschicks. Hier war er mir haushoch überlegen, was ich neidlos anerkannte. Körperlich eher zart und ohne große Muskelkräfte, hatte sich sein Mundwerk zu einer, wie er selbst behauptet, „Revolverfresse“ entwickelt. Auf sie war er sehr stolz! Mit