Der Feind in meiner Ehe. Wally Gruber. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wally Gruber
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991078210
Скачать книгу
Runde gern allen Freunden und Bekannten wissen ließ, lautete: „Lieber einen Freund verlieren, als auf eine Pointe verzichten.“ Das klang spontan sehr lustig, aber es bewahrheitete sich über die Jahre. Richtige Freunde hat Matthias bis heute nicht.

      Ende des Jahres 1993 fing die Zeit des Mutterschutzes an. Da unsere junge Familie zusammen sein sollte, zog ich in die Stadt, in der die Werbeagentur beheimatet war, 200 Kilometer entfernt von meiner Heimat. Für mich war es nie ein Problem, andere Menschen kennenzulernen und schon bald traf ich mich mit anderen werdenden jungen Müttern zur Geburtsvorbereitung. Mitte Januar 1994 kam unsere Tochter Rebekka zur Welt. Es war eine unkomplizierte Spontangeburt. Für das erste Kind dauerte die schmerzhafte Prozedur auch nicht ungewöhnlich lang. Als wir nach der Versorgung gemeinsam in unserem Bett zur Station geschoben wurden, war ich der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt. Diesen heftigen Geburtsschmerz hatte ich nicht erwartet. Nun war aber alles gut, das Mädchen hatte perfekte Apgar-Werte und nun konnten wir uns beide im Krankenhaus erholen. Wie aufregend so eine Geburt ist! Unglaublich!

      Schon am nächsten Tag schleppte ich mich zur Rückbildungsgymnastik im Krankenhaus. Nur nicht nachlässig werden! Obwohl mein Gewicht kurz vor der Geburt nur etwa 10 kg über dem Normalgewicht lag, wollte ich so schnell wie möglich wieder fit sein. Außerdem hatte ich mich schon zusammen mit dem Zwerg zum Babyschwimmkurs angemeldet. Eine sehr schöne Sache, die wir beide wenige Wochen später sehr genossen.

      Meine Tätigkeit als Lehrerin an der Schule war vorerst auf Eis gelegt, da ich mich um Rebekka kümmern wollte, bis sie das Kindergartenalter erreicht hatte. Danach könnte man ja weiterplanen. Außerdem war ich verbeamtet und eine Stelle an einer Realschule in Bayern war mir sicher. Also wurde ich Vollzeitmutter und genoss diese Berufung sehr.

      Als Rebekka ein paar Wochen alt war, ging ich mit ihr zum Babyschwimmen. Was für ein Spaß für Mutter und Kind! Das machten wir nun jede Woche über einige Jahre.

      Matthias war mittlerweile sogar an den Wochenenden in der Agentur, da sehr viele Aufträge reinkamen und die Erfolgsrichtung steil nach oben zeigte. Jeden Tag war ich mit dem Kinderwagen am Fluss unterwegs. Jeden Tag alleine. Auch samstags und sonntags. An den Wochenenden waren die anderen Familien immer komplett, ich war immer alleine mit dem Kind. Ich fühlte mich von meinem Mann alleine gelassen. Ich war einsam. Aber dieses Gefühl schluckte ich die meiste Zeit tapfer hinunter.

      Wir sprachen darüber, dass die Lage für mich sehr unbefriedigend sei und ich auch gern meinen Mann an meiner Seite hätte. Aber es war nichts zu machen. Es wurde nicht nur an den Wochenenden gearbeitet, sondern auch nachts. War Matthias zu Hause, war er der liebste Papa der Welt. Eigentlich kam er nur zum gemeinsamen Abendessen nach Hause, kümmerte sich um Rebekka, um dann später wieder in die Agentur zu verschwinden. In den nächtlichen Stillpausen rief ich ihn oft an, um zu fragen, wann er nach Hause käme. Zwischen drei und vier Uhr morgens war für gewöhnlich die Antwort. Das war leider keine Ausnahme, das war die Regel.

      Als Rebekka sechs Monate alt war, waren wir unterwegs in die Toskana, um zwei Wochen Urlaub zu machen. Diese Fahrt nutzte ich und hatte einen Sturm entfacht. Auf gar keinen Fall ginge das so weiter, dass ich sieben Tage die Woche flussauf- und -abwärts alleine den Kinderwagen schieben würde. Am Wochenende seien alle Familien komplett, nur ich würde immer alleine sein. Dafür wäre ich nicht in seine Stadt gezogen! Wenigstens einen einzigen Tag in der Woche solle er für die Familie da sein, entweder Samstag oder Sonntag. Ansonsten sei ich nicht bereit, ein zweites Kind zu bekommen. Ich hatte ihm das Messer auf die Brust gesetzt. Die einzige Wahl, die ich hatte.

      In den nächsten Monaten wurde es besser, aber nicht gut. Er nahm sich entweder samstags oder sonntags Zeit für die Familie. Niemals beide Tage. Und dann auch nur tagsüber. Abends waren meine kleine Tochter und ich wieder alleine.

      Sein berühmter Satz war stets: „Ich mache das doch alles für die Familie!“ Heute weiß ich: Er machte das alles in erster Linie für sich. Seine Agentur, seine Karriere, sein Verdienst.

      Wir haben nicht schlecht gelebt. Eine kleine Wohnung hat uns genügt. Ansprüche hatte ich nicht viel.

      Nun kam aber dazu, dass sich unsere süße kleine Tochter, die sehr pflegeleicht war, motorisch nicht gut entwickelte. Bis zum Alter von sechs Monaten war unser Kinderarzt, der die obligatorischen Untersuchungen durchführte, noch nicht beunruhigt. Aber als das Baby sich mit sieben Monaten immer noch nicht von der Bauch- auf die Rückenlage, oder umgekehrt, drehen wollte, mussten wir handeln. Rebekka musste zweimal in der Woche zu einer Physiotherapeutin, die sich auf Babys spezialisiert hatte, zur Vojta-Gymnastik. Das Kind wird in eine Art „Schwitzkasten“ genommen, dabei werden verschiedene Reflexpunkte mit den Fingern gedrückt, sodass das Kind zum Reflexumdrehen kommt. Die ganze Prozedur dauert ca. 20–25 Minuten, in denen das Baby aus vollem Hals schreit und sich gegen die unangenehme Position wehrt. Ich musste diese Behandlung von der Physiotherapeutin erlernen und mit Rebekka zweimal pro Tag arbeiten. Konsequent jeden Tag! Für eine Mutter gibt es wirklich schönere Aufgaben. Jeden Tag waren wir beide nassgeschwitzt. Aber was sein musste, musste sein. Es half dem Kind bei seiner Entwicklung. Und schließlich wollten wir ja nichts versäumen!

      Eines Abends kam Matthias von der Arbeit nach Hause, während wir wieder mal mitten in der an den Nerven zehrenden Behandlung waren. Er sah die schreiende Tochter, samt der schwitzenden Frau, nahm das Kind auf den Arm mit den Worten: „Ach, du arme Rebekka. Quält dich deine Mutter wieder mal so schrecklich?“ Um ein Haar hätte ich geheult. Es war nur meiner eisernen Selbstdisziplin geschuldet, dass es nicht dazu kam. Die Tränen hinunter schluckend dachte ich nur: ICH mache hier diesen Scheißjob, nicht DU!!! Du bist ja fein raus. Ich bin diejenige, die sich zweimal am Tag bei ihrem Kind unbeliebt machen muss, nur um diese in ihrer Entwicklung nach vorne zu bringen. Ich war wütend und frustriert zugleich. Aber ich wollte die Stimmung nicht zerstören und habe nichts gesagt. Ein Fehler, wie ich jetzt weiß. Wir hatten ein gemeinsames Abendessen und dann ging Matthias wieder zurück in den Betrieb. Wie jeden Abend. Es gab kein gemeinsames Familienleben. Er meinte nur, er könne ja momentan nichts für das Baby tun, da ich es stillte, und er hätte ja so wahnsinnig viel Arbeit. Ich glaubte, ihm den Rücken stärken zu können, damit er zusammen mit seinem Geschäftspartner die Werbeagentur erfolgreich führen würde. Und: Ich war ja eine selbstständige und gut organisierte, junge Frau. In seinen Augen konnte ich sehr gut mit mir selbst und dem Baby zurechtkommen.

      Natürlich konnte ich das. Sehr gut sogar. Ich spulte mein Pflichtprogramm ab: Babyschwimmen, Krabbelgruppe, zweimal in der Woche Vojta-Gymnastik mit der Physiotherapeutin, lange Spaziergänge an der frischen Luft mit dem Kinderwagen. Vollzeitmutter, jeden Tag 24 Stunden. Die ganze Woche.

      Sexuell war nicht mehr viel von meinem Mann zu erwarten. Er richtete es sich so ein, dass es so etwa alle zwei Wochen zum Sex kam. Manchmal waren es sogar nur alle vier Wochen. Ich hatte mich darauf eingestellt und klagte nicht.

      Da ich immer noch im Sinfonieorchester Geige spielte und außerdem mit einem erfolgreichen Sporttheater des Öfteren auf allen möglichen Bühnen stand, organisierte ich diese Wochenenden mit Baby und Babysitter. Dafür war es notwendig, Rebekka und alles Gepäck ins Auto zu laden und freitags 200 Kilometer zu meinen Eltern zu fahren. Sowohl meine Mutter als auch meine Schwägerin waren oft als Babysitter bei meinen Aktivitäten dabei. Diese wollte ich auf keinen Fall aufgeben, da ich ja schon meinen Beruf als Lehrerin wegen der Familie auf Eis gelegt hatte. Die aktiven Wochenenden, angefüllt mit Orchesterproben oder Auftritten mit dem Sporttheater ließen sich recht gut organisieren, inklusive der Stillpausen für Rebekka. Meine Familie hatte mich dabei tatkräftig unterstützt. Sonntagabends saß ich wieder im Auto und wir beide fuhren zurück in unser Alltagsleben.

      Manchmal ging ich in die Agentur, nur um meinen Mann zu besuchen. Rebekka hatte ich natürlich dabei und alle waren sehr nett zu ihr. Sie war ein Sonnenschein! Eines Tages setzte ich mich in den Aufnahmeraum des Tonstudios, in dem für gewöhnlich die Takes für die Rundfunkspots aufgenommen wurden. In diesem Raum stand ein Klavier. Ich hatte zwar Musik studiert, aber mein Können am Klavier hielt sich in Grenzen. Darum nutzte ich kurz dieses Instrument im Aufnahmeraum, um in Zeitlupe „Alla Turca“ von Mozart zu üben. Als Geigerin hatte ich schon immer Schwierigkeiten, die beiden Notensysteme für rechte und linke Hand gleichzeitig zu lesen. Dafür braucht es wirklich Übung. Mit dem Klavierspielen hatte ich sehr spät angefangen