Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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und ihres Staats wegen, die Bildung der Schönheit mehr Eindrücke haben können, und mehr Eindrücke habe annehmen müssen. Ein wichtiges Problem,8 zu dessen Auflösung mehr, als einige Kenntniß der Griechen von der Oberfläche her gehöret. Unsern gewöhnlichen Graeculis also, die jetzt nach dem Modegeschmacke von nichts so gern, als von Kunst, von Schönheit der Griechen sprechen, ist ein Gedanke hieran so wenig eingefallen, daß sie alles glauben erklärt zu haben, wenn sie von nichts, als einer gewissen seinen schönen Empfindung der Griechen für die Kunst, und für die Schönheit, schwatzen; von einer Empfindung, die sie gehabt, die Römer nicht gehabt, und die jetzt in unsern Deutschen Neugriechen wieder auflebe. Alle Klotzische Schriften sind von diesem süßen Geschwätze voll:9 denn freilich aus einer gewissen unnennbaren Empfindung, aus einem sechsten Sinne für die Schönheit, kann man alles, was man will, ohne Kopfbrechen ausfinden. – Ein Philosophischer Kopf, wie Leßing, konnte mit solcher qualitas occulta nicht zufrieden seyn: und welcher halbphilosophische Kopf wird sich denn damit lächelnd begnügen können?

      Zuerst also: der Mythische Cirkel der alten Griechen war ohne Wiederspruch der Schönheit gebildet: ihre Götter und Göttinnen waren nicht, wie die Aegyptischen, Allegorische Ungeheuer: noch, wie die Persischen und Indischen, beinahe ohne Bild: noch, wie die Hetrurischen, traurige und unanständige Figuren; sondern an Bildung reizend dem Auge. In der ganzen Natur der Dinge fanden die Griechen keine bessere Vorstellung der Göttlichen Natur, wie eines Inbegrifs der Vollkommenheiten, als die Menschliche Gestalt; und wiederum, welches zu beweisen wäre, keine der Gottheiten war so charakterisirt, daß sie immer häßlich hätte gebildet werden müssen, um das zu seyn, was sie seyn sollte. Die Götterbegriffe der Griechen waren von Dichtern bestimmet, und diese Dichter waren Dichter der Schönheit.

      Die Griechen hatten z.E. einen Jupiter, der freilich nicht immer μειλιχιος, der auch oft der Zornige, der Grimmige war: und der Dichter konnte ihn seinem Zwecke gemäß schildern. Wie aber der Künstler? Wer will denn immer gern einen zornigen Jupiter sehen, da sein Zorn doch mit dem Ungewitter übergeht? Was also natürlicher, als daß er zu dem ewigen Anblicke seines Kunststückes den Anblick einer schönen Größe lieber wählte, und ihm nur hohen Ernst in sein Gesicht schuf? – Nun kann es freilich, und insonderheit in der ältern Zeit der Religion, auch Abbildungen des Zorns gegeben haben: allein, was thut dieß? der Hauptbegriff bei Jupiter, selbst wenn er den Donner wirft, bleibt doch – hoher Ernst, schöne Größe; dieß ist seine bleibende Gestalt, jene geht vorüber.

      Venus, wenn sie um den Adonis trauret, raset bei Moschus fürchterlich: auch Juno kann königlich zanken, und Apollo tapfer zürnen – allein ist diese Raserei, dieß zänkische Gesicht, dieser Zorn im Antlitze denn wohl ihre beständige Mine, ihr nothwendiger Charakterzug? Nicht! er ist übergehend, er ist eine vorbeiziehende Wolke: nun soll der Künstler Venus, Apollo, Juno bilden; – will er nicht Unsinn, oder Eigensinn beweisen, so wird er die Mine nehmen, die Venus, Apollo, Juno eigen ist: in der sie sich zeigen würden, wenn sie ihm zur Bildung erschienen, und dieß ist – eine Gestalt der Schönheit.

      Zweitens: doch aber gab es ja so häufige Vorstellungsarten, Situationen, und Geschichte ihrer Religion, die immer auch für den Künstler widerliche Gestalten liefern mußten, wenn nicht als Haupt- so als Nebenideen: wie nun? Als Nebenideen freilich, und eine Mythologie, die nichts als Gestalten in seliger Ruhe lieferte, wäre für den Dichter gewiß eine todte, einförmige Mythologie gewesen, und hätte keine Griechen an Poesie hervorbringen können. Gnug aber, daß dieß Nebenideen, untergeordnete Begriffe, wandelbare Vorstellungen waren; bei solchen befand sich der Dichter recht wohl und der Künstler auch noch so unbequem nicht.

      Ein Jupiter z.E. der die Giganten unter seinem Wagen hat, kann und soll auf sie, als auf Ungeheuer, als auf widrige Gestalten seinen Blitz schleudern; aber diese Gestalten sind ja nicht der Hauptanblick: sie sind mit ihrem Gräßlichen dem Jupiter untergeordnet, und also da, das Majestätische in ihm zu vermehren; nicht also wider das Hauptgesetz der Kunst. Ein schöner