Aber meine Anmerkung verirret ſich zu weit davon ab: daß die Grammatik und das Vernuͤnfteln uͤber die Sprache, den Reichthum geſchwaͤchet hat. Der haushalteriſche Philoſoph fragte: warum ſind ſo viel unnuͤtze Knechte? ſie ſtehen ſich im Wege! und er hat ſie abgeſchaft; den uͤbrigen aber ihr genaues Geſchaͤfte angewieſen, um nicht muͤßig zu ſeyn. Jch will ohne Bilder reden! Da man die Begriffe mehr unter einander ordnen lernte: ſo druckte man das mit einer Beſtimmung (adiectiuum, participium, aduerbium) aus, wozu man erſt ein neues Wort ſezzte. — Noch blieben aber Synonymen! Aber der Philoſoph ſuchte ſeine Unterſchiede in ſie zu legen, und ſie alſo als neue, guͤltige Woͤrter zu gebrauchen. Zum Beweiſe fuͤhre ich im Deutſchen Wolf und Baumgarten an. Durch die Deutſchen Schriften des erſten ſind die Woͤrter, die unter dem Gebiet der Philoſophie ſtehen, ſehr an Synonymen vermindert, da er ſie genau zu beſtimmen geſucht. Und noch mehr Baumgarten: geht ſeine Metaphyſik durch, und bemerkt, die unten angezogne Deutſche Woͤrter: die Philoſophie gibt den meiſten muͤßigen Synonymen Arbeit und beſtimmte Poſten. Das iſt nun aber die Sprache der Philoſophie: laſſet Sulzern, der noch lebende Baumgarten, die Woͤrter: angenehm, ſchoͤn, lieblich, reizend, gefaͤllig, in ſeiner Aeſthetik beſtimmen; die Welt wird ihm vielen Dank wiſſen: laſſet andere auf der Bahn des Baumgartens fortgehen, und einen Kant in ſeinen Beobachtungen uͤber das Schoͤne und Erhabene, ſeine Unterſchiede zwiſchen beinahegleichen Woͤrtern bemerken: ſie arbeiten fuͤr die Deutſche Philoſophie und Philoſophiſche Sprache; aber nicht fuͤr die Sprachkunſt, uͤberhaupt. Alle kannſt du nicht beſtimmen, Philologiſcher Weltweiſe! Die wirſt du vermuthlich auswerfen wollen? Aber wirft ſie auch die Sprache des Umganges aus? Nein! ſo weit reicht noch nicht dein Gebiet, und noch minder ins Land der Dichter — Der Dichter muß raſend werden, wenn du ihm die Synonyme raubſt; er lebt vom Ueberfluß. — Und wenn du ſie beſtimmeſt? Geſezt, aber du kannſt es nicht: ſo faͤllt ſchoͤne Proſe und ſchoͤne Poeſie ganz weg; alles wird ein Roſenkranz abgezaͤhlter Kunſtwoͤrter. Jmmer ein Gluͤck fuͤr den Dichter, und ein Ungluͤck fuͤr den Weltweiſen, daß die erſten Erfinder der Sprache nicht Philoſophen und die erſten Ausbilder meiſtens Dichter geweſen ſind.
Unſere Sprache hat alſo die Synonyme eingeſchraͤnkt und bemuͤhet ſich ſtatt Knechte, Gold und Muͤnzen zu ſammlen. Man erlaube mir die Woͤrter abſtrakter Jdeen damit zu vergleichen. Beide werden willkuͤhrlich gepraͤgt, und durch einen willkuͤhrlich feſtgeſezzten Werth gaͤng und gaͤbe; die ſolideſten unter beiden werden als Schaͤzze aufbewahrt; das kleinere wird Scheidemuͤnze. Auch auf dieſer Seite verliert unſre Poeſie, in der der eingebildete Werth ſchwindet, und blos der natuͤrliche gilt; wo die abſtrakten Woͤrter alſo blos gelten, nach dem Maas man ſie ſinnlich darſtellen kann. — Durch unſre Philoſophen kann die Dichtkunſt alſo nichts gewinnen, und hat nichts gewonnen; ſo wenig als die Alten unſre Buͤcher-und Cathederſprache in allen ihren Nuancen uͤberſezzen koͤnnten: ſo wenig koͤnnen wir den Alten nachſprechen.
Und was folgt nun aus allem dieſem? Vielleicht viel — aber hier mag eins genug ſeyn! — Es iſt immer ein Girard im Deutſchen zu wuͤnſchen; recht ſehr zu wuͤnſchen — aber ein Geſezgeber muß er nicht durchaus werden. Jn einer nicht JdealPhiloſophiſchen Sprache alle Synonymen abſchaffen zu wollen, gebuͤhret einem zweiten Claudius und Chilperich, die neue Buchſtaben einfuͤhren wollten, und Grammatiker zu A B C Maͤrtirern machten.
8.
Von der andern Seite hat man, um unſre Sprache auszubilden, ſo ſehr die Ueberſezzungen angerathen, daß ich hieruͤber eine merkwuͤrdige Stelle der Litteraturbriefe anfuͤhre: 18
„Der wahre Ueberſezzer hat eine hoͤhere „Abſicht, als den Leſern fremde Buͤcher ver„ſtaͤndlich zu machen; eine Abſicht, die ihn zum „Range eines Autors erhebt, und den kleinen „Kraͤmer zum Kaufmann umſchnizzt, der „wirklich den Staat bereichert.
„Dieſe Abſicht iſt nun keine andere, als „ſeiner Mutterſprache vortrefliche Gedanken „nach Muſter einer vollkommenern Sprache an„zupaſſen. So machte Apoll, daß Achilles „Ruͤſtung Hektorn ſo gerecht war, als ob ſie „auf ſeinen Leib verfertiget worden. Ohne „Verſuche, die mit dieſer Abſicht verknuͤpft „ſind, kann keine rohe Sprache vollkommen, „kann kein Proſaiſte in derſelben vollkommen werden.
„Zu eignen Verſuchen uͤber die Bildung „der Sprache haben nur die oͤffentlichen Red„ner Anmunterung genug, und die groͤſte Zahl „dieſer Verſuche iſt vergeblich; aber man „thue es durch Verſuche nach einer beſſern „Sprache. Dieſe ſtellt uns ſchon viele Be„griffe deutlich dar, dazu wir Worte ſuchen „muͤſſen, und ſtellt dieſe Begriffe ſo ne„ben einander vor, daß uns neue Verbindungen noͤthig werden. Von dem Wohlklange jetzt nicht zu reden, der beſſer gemeſſen „werden kann, wenn immer das Ohr unmittelbar vorher von einem Perioden ſehr richtig angefuͤllet geweſen.
„Was fuͤr anſehnliche Vortheile muͤßten „nicht unſrer Sprache zuwachſen, wenn ſie „ſich an die Griechiſche und Lateiniſche Sprache, ſo viel als moͤglich, anſchmiegen lernte, „und ihre Geſchmeidigkeit den Augen des „Publikum zeigte! Dieſe Ueberſezzungen koͤnnten unſre Claßiſche Schriftſteller werden. „An den Gedanken waͤre nichts auszuſezzen, „weil auf dieſe laͤngſt das Siegel der Vortreflichkeit gedruckt worden: und die Sorgfalt in Erhaltung der Harmonie ihres Ausdrucks, wuͤrde auch ſo viel Wohlklang in „unſre Sprache uͤbertragen, als ihr Genie „erlaubte. Geſellen ſie zu dieſen Alten noch einige neuere Auslaͤnder; deren Genie bewaͤhrt, „und deren Sprache mit der unſrigen verwandt „iſt: was wuͤrden wir nicht unſern Ueberſezzern zu verdanken haben? und ſie wuͤrden auch mit unſrer Dankbarkeit zufrieden „ſeyn, woruͤber Ebert ihnen die Gewaͤhr leiſten kann, den wir als einen vortreflichen „Ueberſezzer mit Recht unter unſre beſten „Schriftſteller rechnen. Fehlt es uns denn „an der Tugend, quae ſerit arbores, vt alteri ſeculo proſint!„
Der wahre Ueberſezzer ſoll alſo Woͤrter, Redarten und Verbindungen ſeiner Mutterſprache aus einer ausgebildetern anpaſſen: aus der Griechiſchen und Lateiniſchen vorzuͤglich, und denn auch aus neuern Sprachen. Nun wollen wir hieruͤber nach unſern vorausgeſezten Pramiſſen ſchwazzen:
Alle alte Sprachen haben, ſo wie die alten Nationen, und ihre Werke uͤberhaupt, mehr karakteriſtiſches, als das, was neuer iſt. Von ihnen muß alſo unſre Sprache mehr lernen koͤnnen, als von denen, mit welchen ſie mehr verwandt iſt; oder der Unterſchied zwiſchen beiden liefert wenigſtens den Sprachphiloſophen eine Menge Stoff zu Betrachtungen. Wir wollen vom leztern etwas verſuchen.
So wie uns unſre beſten Heldenthaten, die wir als Juͤnglinge thaten, aus dem Gedaͤchtniß verſchwinden: ſo entgehen uns aus dem Juͤnglingsalter der Sprache jedesmal die beſten Dichter, weil ſie vor der Schriftſtellerei vorausgehen.