Miles war rot geworden. »Äh...«, hatte er mit vollem Mund begonnen und war noch mehr errötet. Als er jedoch aufgeblickt hatte, hatte er Karl grinsen gesehen und die Hitze in seinen Wangen hatte nachgelassen.
»Willst du immer noch nach Spokane gehen? Hast du diese Schule aus einem anderen Grund als der Lage gewählt?«
Miles hatte die Stirn gerunzelt, dann den Kopf geschüttelt. »Nein, nicht wirklich. Sie liegt näher an zu Hause, am Rudel. Ich könnte bei Vollmond immer noch hierherkommen.«
Karl hatte genickt und in seinen Burger gebissen. Für ein paar Minuten hatten sie schweigend gegessen, bevor Karl sich zurückgelehnt hatte. »Ich könnte Martin für sein Verhalten dir gegenüber aus dem Rudel werfen.«
Mit geweiteten Augen hatte Miles seinen Alpha angestarrt. »Aber –«
Karl hatte die Hand gehoben. »Ich könnte. Aber ich glaube nicht, dass es für dich oder das Rudel das Beste wäre. Stattdessen habe ich eine andere Idee.«
Miles hatte nicht geantwortet, sondern ihn einfach nur blinzelnd angestarrt und gewartet.
»Hast du was dagegen, etwas früher nach Seattle zu gehen?«
Miles hatte darüber nachgedacht, doch er hatte seine Familie schon mehr oder weniger verloren gehabt. Er wäre niemals in der Lage gewesen, sie glücklich zu machen, es sei denn, er wäre bereit gewesen, einen Teil von sich zu ignorieren. Und ehrlich gesagt, wäre er so niemals glücklich geworden.
»Nein, habe ich nicht.«
Karl hatte genickt. »Alles klar. Einer vom Rainier-Rudel sitzt in der Zulassungsstelle der UW. Ich werde Alpha Scott morgen anrufen und sehen, was ich tun kann. Ich denke, du wärst mit einem Neuanfang sehr viel glücklicher.«
Miles hatte dem Knoten in seinem Hals entgegengeschluckt und versucht, sich daran zu erinnern, wie man atmete. Er hatte nicht verlassen wollen, was er kannte. Er war im Colville-Rudel glücklich gewesen. Aber Karl hatte recht gehabt und Miles wäre es dort nicht länger gewesen.
»Danke, Alpha. Es tut –«
»Wage es nicht, dich zu entschuldigen, Junge.« Karl hatte ein finsteres Gesicht gemacht. »Dein Vater ist derjenige, der sich entschuldigen muss. Ich kann ihn jedoch nicht dazu zwingen, dich zu akzeptieren.« Er hatte den Kopf geschüttelt. »Ich kann dir helfen, einen guten Start zu bekommen. Colville wird dich in Seattle unterbringen und für dein College bezahlen, zumindest bis du den Abschluss hast. Für alles, was dann kommt, musst du selbst sorgen.«
»Danke schön. Das ist... mehr, als ich erwarten kann.«
Wieder hatte Karl den Kopf geschüttelt, das Thema jedoch ruhen gelassen und stattdessen gesagt: »Iss. Jeannie zieht uns das Fell ab, wenn wir unser Abendessen nicht aufessen.«
Miles hatte gelacht.
Er war nach Seattle gegangen und hatte sich voll und ganz auf sein Studium konzentriert, das er mit Auszeichnung abgeschlossen hatte. Er war ein offizielles Mitglied des Rainier-Rudels geworden, das sehr viel toleranter war als sein Vater. Tatsächlich war Seattle generell dem Thema LGBT gegenüber aufgeschlossener. Miles hatte sich die folgenden acht Jahre in sein Studium gekniet. Hin und wieder war er zusammen mit dem Rainier-Rudel gelaufen, doch auch wenn sie ihn alle sehr freundlich aufgenommen hatten, hatte er sich nicht zu Hause gefühlt.
Als Miles seinen Doktor in Medizin bekommen hatte – zu Miles' Schock hatte das Rainier-Rudel die Kosten für seine Promotion übernommen –, hatte Alpha Scott ihn nach Denver zur nationalen Wolfszentrale geschickt, wo er die Physiologie der Gestaltwandler studieren konnte. So hatte er zwei Jahre damit verbracht, alles über die Unterschiede zwischen Menschen und Gestaltwandlern zu lernen. Erst als er diesen Teil seines Studiums abgeschlossen hatte, war ihm klar geworden, dass er nicht wusste, was er anschließend machen sollte. Er war so konzentriert darauf gewesen, zu lernen und ein Doktor zu werden, dass er nicht darüber nachgedacht hatte, was danach kommen würde.
So sehr Miles den pazifischen Nordwesten auch geliebt hatte, hatte er dort weggemusst, um einen echten Neuanfang zu starten. Alpha Scott hatte sich wieder um ihn gekümmert und vorgeschlagen, mit Alpha Noah vom Forbes-Rudel im Südwesten Pennsylvanias zu sprechen.
Miles war sich noch nicht sicher gewesen, ob er wirklich in einen gänzlich anderen Teil der Staaten ziehen sollte, doch Noah war mehr als froh darüber gewesen, einen Gestaltwandlerarzt in der Nähe seines Rudels zu haben, und als er Miles direkt gefragt hatte, ob er kommen würde, hatte Miles ihn nicht zurückweisen können.
Forbes, der Wald im Südwesten Pennsylvanias und die Stadt Pittsburgh waren seit Colville für ihn zu einem echten Zuhause geworden. Er hatte keinen Zweifel, dass Diana ihn hierhergeführt hatte. Dass er seinen Gefährten hier gefunden hatte, wenn er Quincys Weg andernfalls wahrscheinlich niemals gekreuzt hätte, räumte jeden noch so kleinen Zweifel darüber aus, ob er vielleicht am falschen Ort gelandet war. Hier war jetzt sein Zuhause.
Miles stand auf, schüttelte sich und gab dem Schmerz für einen kurzen Moment nach. Dann hob er den Kopf und heulte den Sternen seine Sorgen entgegen. Er hatte eigentlich gar keine Antwort erwartet, doch er bekam nicht nur eine, sondern zwei Rückmeldungen. Er legte den Kopf schief, während er versuchte herauszufinden, zu wem die Stimmen gehörten. Er heulte noch einmal und wieder antworteten sie. Da erkannte er sie: Jamie und Chad.
Mit voller Geschwindigkeit rannte er los, wich Bäumen und Felsen aus, folgte ihren Stimmen, als er wieder heulte, um sie zu finden. Nach kurzer Zeit brach er durch die Bäume und fand beide auf einer kleinen Lichtung. Jamie rannte auf ihn zu, warf sich ihm entgegen und fegte ihn von den Beinen. Er schnaubte und arbeitete sich unter seinem Freund hervor, nur um direkt wieder von Chad umgeworfen zu werden. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte er gelacht. Chad war noch wie ein Welpe, da er erst vor ein paar Monaten verwandelt worden war. Er rangelte spielerisch für eine Weile mit den beiden und ließ die Sorgen und Angst einen Moment lang in den Hintergrund treten.
Schließlich ließ er sich schwer atmend ins Gras fallen. Die anderen zwei kamen zu ihm und zu seiner Überraschung kuschelten sich die beiden von jeder Seite an ihn. Miles schloss die Augen und erlaubte sich, die Nähe zu genießen. Er hatte sein Rudel vermisst. Er musste öfter hier rauskommen, mit seiner eigenen Spezies zusammen sein. Er hoffte, dass ihnen in nicht allzu ferner Zukunft eine Katze Gesellschaft leisten würde.
Als er seine Augen wieder öffnete, kam ein großer Wolf, von dem er trotz seiner momentanen Schwarz-Weiß-Sicht wusste, dass er rotes Fell hatte, auf die Lichtung, während ihm sein schwarzhaariger Gefährte hinterher trottete. Miles konnte ein Wolfgrinsen nicht unterdrücken. Finley rannte auf ihn zu und leckte ihm ein paarmal über das Gesicht, bevor er sich neben ihm ins Gras fallen ließ. Tanner hingegen begrüßte ihn ein wenig würdevoller... und stupste seine Nase stattdessen mit der Pfote an.
Miles schnaufte. Das – seine Freunde – hatte er gebraucht. Doch er realisierte, dass sie mehr als das geworden waren. Sie waren eher seine Familie als Freunde. Sicher, er war Teil des Rudels, und im weitesten Sinne war das Rudel so etwas wie eine Familie. Doch Tanner, Finley, Jamie und Chad waren sehr viel mehr als Freunde oder das Rudel für ihn geworden.
Für eine Weile lagen sie ruhig beieinander. Dann sprang Finley auf und zupfte an seinem Ohr. Miles schüttelte ihn ab, stand jedoch auf und schubste ihn im Gegenzug um. Finley schnaubte und Tanner mischte mit, indem er an Finleys Nacken knabberte. Sie spielten eine Zeit lang, wobei Miles sich leichtherziger fühlte, als dies eine Weile lang der Fall gewesen war.
Schließlich verwandelte Finley sich, damit er sprechen konnte. »Wollen wir zu uns gehen? Einen Kaffee trinken und so?«
Tanner nickte und die anderen drei bellten zustimmend, daher verwandelte Finley sich zurück. Zu fünft rannten sie durch den Wald zurück, schreckten Hasen und Eichhörnchen auf und tobten durch den Bach hinter Tanners und Finleys Haus, bevor sie in den Hauswirtschaftsraum gingen. Finley reichte ihnen Handtücher, während Tanner eine Sweathose schnappte und sie Miles gab. Chad und Jamie gingen in das Zimmer, das sie derzeit nutzten, und Finley und