3. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates
93
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Tat- und Verdachtskündigung auch für die Betriebsratsanhörung. Jede ohne vorherige Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam. Sehr wahrscheinlich wird der Arbeitgeber die Ermittlungsergebnisse der internen Ermittler, zumindest in Teilen, für die Betriebsratsanhörung verwenden. Ist die Kündigung nur als Verdachtskündigung wirksam, muss der Betriebsrat dazu auch explizit angehört werden. Erfolgt die Anhörung nur zu einer Tatkündigung, ist die Verdachtskündigung unwirksam. Wurde der Betriebsrat umgekehrt nur zu einer Verdachtskündigung angehört, schließt dies die spätere Wirksamkeit der Kündigung als Tatkündigung nicht aus, wenn dem Betriebsrat alle Tatsachen mitgeteilt wurden und die Tat nach Auffassung des Gerichts erwiesen ist.[32] Es empfiehlt sich daher selbst bei einer aus Sicht des Arbeitgebers nachgewiesenen Tat immer, dem Betriebsrat den Sachverhalt – einschließlich etwaiger entlastender Umstände – zu schildern und den Betriebsrat im Abschlusssatz der Anhörung zur Tat- und hilfsweisen Verdachtskündigung anzuhören.[33] Die (angeblich) unzureichende Betriebsratsanhörung wird in den arbeitsgerichtlichen Instanzen gern als häufige Fehlerquelle genutzt. Selbst bei sich aufdrängendem Tatverdacht werden Zweifel an der Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung angeführt, um den Arbeitgeber zu einem Vergleichsabschluss zu motivieren. Es empfiehlt sich daher immer, die Betriebsratsanhörung von einem mit der Sache bislang nicht befassten Arbeitsrechtler gegenlesen zu lassen. Für die Wirksamkeit einer Betriebsratsanhörung kann es entscheidend sein, dass sie aus sich heraus verständlich ist. Das gelingt dem Ermittler oder einem früh eingebundenen Personalleiter häufig nicht, da diesen Personen zu viele Sachverhaltsdetails so geläufig sind, dass sie in der Anhörung nicht mehr die notwendige Erwähnung finden.
94
Für den Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob und wieweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei internen Ermittlungen besteht. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist mit dem Betriebsrat eine Einigung zu erzielen in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Davon zu unterscheiden ist das mitbestimmungsfreie bloße Arbeitsverhalten. Mitbestimmungsfrei sind daher bloße Arbeitsanweisungen, die lediglich die Arbeitspflicht konkretisieren. Das BAG hat ein Mitbestimmungsrecht einer Personalvertretung zum insoweit gleichlautenden § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG bejaht.[34] Die Personalvertretung hatte ihre Mitbestimmung bei Weisungen der Dienststelle gegenüber zivilen deutschen Arbeitnehmern verlangt. Die Arbeitnehmer waren angewiesen worden, gegenüber dem Ermittler einer amerikanischen Antidiskriminierungskommission auszusagen. Kein Mitbestimmungsrecht besteht in diesen Fällen, ob die Mitarbeiter überhaupt aussagen müssen. Ebenso wenig hat der Betriebsrat über den Inhalt und die Art der Befragungen mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht besteht aber hinsichtlich allgemeiner Verfahrensregelungen, etwa einer Ankündigungsfrist gegenüber den Mitarbeitern.[35] Dem Arbeitgeber ist daher anzuraten, sich mit dem Betriebsrat frühzeitig auf allgemeine Verfahrensfragen zu einigen. Generell dürfte sich eine frühzeitige und eingehende Einbindung der Mitarbeitervertretung in die geplanten Ermittlungen empfehlen, um die Akzeptanz der Ermittlungen in der Belegschaft zu erhöhen. Verhindern kann der Betriebsrat die Ermittlungen nicht. Scheitert die Einigung, entscheiden die Einigungsstelle und danach ggf. die Arbeitsgerichte (§ 87 Abs. 2 BetrVG).
95
Der interne Ermittler sollte sich zudem vor seinen Ermittlungen immer vergewissern, welche kollektivrechtlichen Vereinbarungen auf sein Ermittlerhandeln anwendbar sind. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen mitzubestimmen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Will der Ermittler bspw. eine heimliche Videoüberwachung vornehmen, ist dies mit dem Betriebsrat abzustimmen. In der Praxis existieren häufig Betriebsvereinbarungen, die beim Verdacht doloser Handlungen eine bestimmte Vorgehensweise vorschreiben, etwa die Einschaltung des Betriebsrates, der internen Revision und ggf. der Polizei. Zwar führt die Missachtung einer solchen Betriebsvereinbarung nicht zur Unwirksamkeit einer späteren Kündigung.[36] Der Ermittler kann dadurch aber ein (für den Arbeitgeber teures) Unterlassungsverfahren durch den Betriebsrat heraufbeschwören. Zuweilen werden Ermittlungserfolge dadurch vereitelt, dass vor dem Beginn der Überwachungsmaßnahme zu viele Stellen informiert werden müssen. Bewährt haben sich daher Betriebsvereinbarungen, die im Verdachtsfall dem Arbeitgeber einen bestimmten Maßnahmenkatalog erlauben, ohne dass vorher Betriebsrat und Datenschutzbeauftragter einbezogen werden. Deren Rechte können dadurch gewahrt werden, dass die eingeleiteten Maßnahmen dokumentiert und hinterher mit den entsprechenden Stellen erörtert werden müssen.
4. Haftungsrisiken
96
Der interne Ermittler sollte auch eigene Haftungsrisiken beachten. Bedient sich der Arbeitgeber bei seinen Ermittlungen externer Berater wie Rechtsanwälten, sind diese bereits durch ihre gesetzliche Schweigepflicht aus § 43a Abs. 2 BRAO gebunden. Anwälte können sich zudem ebenso wie Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer gem. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar machen, wenn sie ihnen anvertraute Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbaren. Auch der angestellte interne Ermittler, etwa der Revisor, ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aufgrund des arbeitsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes ist jeder Mitarbeiter verpflichtet, über Betriebsinterna Stillschweigen zu bewahren.[37] Ergänzt wird diese allgemeine Pflicht durch § 17 UWG, der die Geheimhaltung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen fordert. Dazu zählen nach h.M. alle Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, zudem nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt und nicht offenkundig sind und nach dem (ausdrücklichen oder vermuteten) Willen des Arbeitgebers auch geheim bleiben sollen.[38] Diese kumulativen Voraussetzungen treffen auf Ermittlungsergebnisse der internen Ermittler ohne weiteres zu. Der Ermittler sollte seine internen Erkenntnisse also weder gegenüber Familie oder Freunden noch gar gegenüber der Presse äußern, um sich nicht schadensersatzpflichtig zu machen.
97
Stellt sich der Verdacht nach den Ermittlungen als haltlos heraus, können sich daraus nur Schadensersatzpflichten ergeben, wenn der Ermittler schuldhaft Sorgfaltspflichten verletzt und dadurch einen Schaden verursacht hat. Während sich die Haftung eines externen Beraters allein nach zivilrechtlichen Grundsätzen bemisst, ist der angestellte Ermittler gegenüber seinem Arbeitgeber durch die Grundsätze der Haftungserleichterung bei betrieblich veranlasster Tätigkeit geschützt.[39]
98
Entschieden ist, dass der Arbeitgeber nicht für einen nach einer Kündigung erfolgten Selbstmord des Arbeitnehmers haftet.[40] Dies gilt selbst bei einer erkennbar unwirksamen Kündigung. Bei einer Selbsttötung handelt es sich nämlich um einen derart seltenen und damit unwahrscheinlichen Geschehensablauf, dass er regelmäßig nicht als adäquat kausal durch im Arbeitsleben immer wieder vorkommende schädigende Handlungen, z.B. den Ausspruch und die Rücknahme einer sozial ungerechtfertigten betriebsbedingten Kündigung, verursacht angesehen werden kann.[41] Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Suizidgefahr dem Arbeitgeber durch objektive Tatsachen bekannt sein musste. Diese Grundsätze lassen sich auf den internen Ermittler übertragen. Gleichwohl gibt es in der Praxis Revisoren, die bei schweren Verfehlungen die Ermittlungsgespräche mit Mitarbeitern aus Fürsorgegründen nur in Erdgeschossräumen durchführen und je nach Erregungszustand den Mitarbeiter bspw. anschließend von einem Taxi nach Hause bringen lassen.
Anmerkungen
BAG NZA 2009, 1136.