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Im Jahr 2010 hatte Dieter Engels als Präsident des Bundesrechnungshofes im Vorwort der Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes[1] ein sehr besorgtes Fazit zur Wirtschafts- und Finanzkrise – zutreffender war wohl zunächst eher der Begriff Bankenkrise – gezogen.[2] Diese Krise habe tiefe Spuren in den öffentlichen Haushalten hinterlassen. Der Bund habe sich von dem Weg der Haushaltskonsolidierung entfernt, um mit „milliardenschweren Programmen“ dem „Konjunktureinbruch entgegenzuwirken“. In der Folge habe sich die Finanzlage des Bundes deutlich verschlechtert. Dem werde nun zwar durch verfassungsrechtliche Schuldenregeln entgegengewirkt, dieser Kurs auf einen soliden Staatshaushalt müsse jedoch durch „wirtschaftliches und zielgerichtetes Verwaltungshandeln“ unterstützt werden. Das bedeutet insbesondere, dass der Staat versuchen muss, unnötige Ausgaben zu vermeiden, zu denen auch unrechtmäßige Auszahlungen wie Subventionen gehören. Diese Pflicht besteht fort, auch wenn der Bund in den letzten Jahren einen Weg in Richtung Haushaltskonsolidierung eingeschlagen haben mag, denn auch der schuldenfreie Staat hat unnötige Ausgaben zu unterlassen. Hinzu kommt, dass die Verschuldung in den Ländern und vor allem vielen Kommunen nach wie vor hoch ist und zum Teil weiter steigt.
Anmerkungen
Abrufbar unter www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/bemerkungen-jahresberichte/jahresberichte/2010/vorwort (Stand 14.8.2018).
Vgl. nur Nahari S. 17.
1. Kapitel Einleitung: Vom Nutzen einer einheitlichen Darstellung des „Fiskalstrafrechts“ › A. Der Ruf nach mehr Fiskalstrafrecht
A. Der Ruf nach mehr Fiskalstrafrecht
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Parallel zu diesen Forderungen nach Sparmaßnahmen ist der Ruf nach „mehr Strafrecht“ zum Schutz der öffentlichen Haushalte, nach mehr Fiskalstrafrecht, laut geworden. So hat der Bund der Steuerzahler im Mai 2013 eine Broschüre mit dem Titel Verschwendung von Steuergeldern bestrafen herausgegeben, der ein Gutachten von Schünemann aus dem Jahr 2011[1] zugrunde liegt. Hier wurde ein neuer § 349 StGB vorgeschlagen, der die „Haushaltsuntreue“ in einer eigenständigen Strafvorschrift mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht und dabei auf ein tatbestandliches Schadenserfordernis verzichtet. Ob staatliches Sparen die richtige Maßnahme in Zeiten stagnierender wirtschaftlicher Entwicklung ist, muss an dieser Stelle unbeantwortet bleiben. Die Vermeidung unsinniger oder gar rechtswidriger Ausgaben ist jedoch fraglos eine grundlegende Verpflichtung eines Rechtsstaates in jeder Haushaltslage. Solche fehlgeleiteten Ausgaben stören die Belastungsgleichheit und damit den Rechtsfrieden. Nicht nur die Sicherung der finanziellen Basis und damit der Lebensgrundlage eines modernen demokratischen Staates erfordert die Bekämpfung von Angriffen auf die öffentlichen Haushalte, sondern letztlich gebieten dies auch die Grundrechte und andere Verfassungsprinzipien. Ein Rechtsstaat darf von seinen Bürgern nur die Zahlung von Steuern und Abgaben verlangen, wenn dieses vermeintliche Opfer allen Bürgern und juristischen Personen im Sinne des Gleichheitssatzes mit Blick auf ihre Leistungsfähigkeit gleichmäßig abverlangt wird; ansonsten wird die Steuer zum Sonderopfer, dessen Legitimation mit Blick auf Art. 3 GG schwer fällt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts[2] gilt dieses Gebot der Belastungsgleichheit nicht nur für die Steuergesetzgebung und Steuerfestsetzung, sondern auch für die Steuererhebung einschließlich des Vollzugs. Damit ist die strafrechtliche Sanktionierung von Steuerhinterziehungen und anderen Angriffen auf die öffentlichen Haushalte sowie Missbräuchen von Haushaltsmitteln durch die materielle Gerechtigkeit geboten.
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Natürlich besteht kein Anspruch auf Gleichheit im Unrecht, so dass niemand sich darauf berufen kann, ein anderer leiste auch keine Abgaben. Dennoch schwächt mangelnder strafrechtlicher Schutz von Erklärungspflichten und Täuschungsverboten im Interesse der öffentlichen Haushalte die Normakzeptanz (für das Steuerrecht insbesondere die Steuermoral[3]) und Legitimationsbasis der staatlichen Finanzierung.[4] Belastungsungleichheit führt zwangsläufig zur Überlastung einzelner und gibt dem Argument, nicht leistungspflichtig zu sein, wenn andere sich ihrer Pflicht entziehen, subjektive Kraft. Mangelnde Sanktion führt nach gesicherten kriminologischen Erkenntnissen zur Neutralisierung von Gebotsnormen.[5] Ein Staat, der seine steuerehrlichen Bürger nicht vor Benachteiligung durch Steuerhinterzieher schützt, schädigt sich am Ende selbst. Er verführt die bisher Steuerehrlichen nämlich dazu, früher oder später ebenfalls Steuern zu hinterziehen. Er fördert auch die Steuer- und Staatsverdrossenheit.[6]
4
Dannecker betont – unter Rekurs auf Schünemann[7] – neben der Steuermoral komme auch der Besteuerungsmoral eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Normakzeptanz zu: Zur Besteuerungsmoral gehört auch die sparsame und wirtschaftliche Verwendung der Steuermittel. […] Der Gesetzgeber, der die Steuermittelverschwendung durch Politiker und Beamte nicht als strafwürdig, nicht einmal als ordnungswidrig ansieht, bestimmte Arten von Steuerhinterziehung aber zum Verbrechen erklärt, darf nicht mit Akzeptanz rechnen.[8] Damit wird offenbar, wie eng der Schutz der Steuereinnahmen und die Verhinderung von ungerechtfertigten Ausgaben aus öffentlichen Haushalten soziologisch und (kriminal-)politisch zusammenhängen; sie sind letztlich nicht sinnvoll voneinander zu trennen.
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Für das vorliegende Handbuch soll nicht die politische Frage, sondern die Frage nach der strafrechtlichen Umsetzung der zum Gesetz gewordenen politischen Vorgaben in den Blick genommen werden. Die Haushaltskonsolidierung steht auf zwei Säulen: Der Staat muss neben dem Sparen darauf bedacht sein, Angriffe auf seine Haushalte zu unterbinden. Denn es steht außer Zweifel, dass die Bekämpfung der Steuerhinterziehung […] angesichts der leeren Kassen der öffentlichen Hand hohe politische Priorität erlangt hat, denn der staatliche Finanzbedarf kann im Wesentlichen nur durch Steuern gedeckt werden.[9] Jede Verlagerung von Steuern zu Gebühren führt weg von dem in Art. 20 Abs. 1 GG statuierten Sozialstaat. Die Steuermittel müssen „zusammengehalten“ und gegen unberechtigt ausbleibende Zuflüsse ebenso effektiv geschützt werden wie gegen rechtswidrige Abflüsse.
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Daher