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Aufgrund der schwierigen Lage entschließt sich das Management von A und B zur Zusammenarbeit. Hierzu wird die Abwicklung der Stahllieferungen über ein zwischengeschaltetes Land der ehemaligen UDSSR (C) fingiert. Dieses Land verfügt über eigene Stahlwerke und hat mit der EU eine Präferenzregelung in Form einer Ursprungspräferenz getroffen. Entsprechend dieser Präferenzregelung unterliegt Stahl, der vollständig in diesem Land erzeugt wurde, bei der Einfuhr in die EU keinem Zoll. Dies ist durch einen entsprechenden Präferenznachweis zu belegen. Im Rahmen einer fingierten Logistikkette wird der von A produzierte Stahl (Ware) in einem Mittelmeerhafen (D), der üblicherweise durch das Land C für den Export genutzt wird, umgeladen und mit gefälschten Frachtpapieren, Nachweisen sowie erkauften Präferenznachweisen in die EU importiert und in Deutschland in den freien Verkehr überführt. Die Lieferung aus dem Land C wird dabei über eine Scheinfirma in C fingiert. Diese besorgt die notwendigen Papiere sowie Präferenznachweise, nimmt die Bezahlung der Ware von B entgegen und leitet diese nach Abzug einer Kommission an A weiter. Bei A wird die Scheinfirma als Abnehmer, bei B als Lieferant der Ware geführt. In Konsequenz werden letztendlich keinerlei Zölle erhoben. Da die Ware zollfrei importiert werden kann, verpflichtet sich B zur Abführung eines Teils des so erzeugten zusätzlichen Gewinnes. Hierzu wird ein Service Level Agreement (SLA) zwischen A und B geschlossen. Gegenstand des SLA ist die Geschäftsbesorgung inkl. Übernahme der administrativen Aufgaben (Buchführung etc.) eines Tochterunternehmens der B im Heimatland der A. Obwohl das Tochterunternehmen über entsprechende eigene Strukturen zur Geschäftsbesorgung und Administration verfügt, erhält die A für ihre „Leistungen“ eine Vergütung, die ca. 20 % der in Deutschland ersparten Zölle aufweist. Hierüber wird eine umfangreiche Verrechnungspreisdokumentation angefertigt. Die Konzernzentrale der Konzernmutter in London, UK ist über die Aktivitäten ihrer Tochtergesellschaften A und B nicht informiert.
Mögliches Vorgehen im Rahmen einer Investigation
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Aufgrund eines bestehenden Verdachts, der an die Geschäftsleitung des Mischkonzerns M herangetragen wurde, werden zunächst Gespräche mit ausgewählten Mitarbeitern der Firmen A und B geführt. Gegenstand der Interviews ist vor allem die Frage, wie konkret die Importe des Stahls nach Deutschland erfolgten und ob die Konstruktion über das Land C zu importieren bekannt ist. Es sollten so viele Gespräche geführt werden, bis auch herausgefunden werden konnte, welche Mitarbeiter beteiligt waren bzw. Kenntnisse bzgl. der Sachverhalte hatten. Sollten sich Verdachtsmomente erhärten, ist, sofern datenschutzrechtlich zulässig, eine computerforensische Untersuchung mit risikoorientierten Schlagworten sinnvoll. Vermutlich wird sich die computerforensische Untersuchung auf ausgewählte Mitarbeiter der A und B beziehen, die sich mutmaßlich über die Konstruktion der Einbindung von C abgestimmt haben. Als Schlagworte für die risikoorientierte Auswahl von z.B. Laptops, Desktops, Serverdaten und Mobiltelefonen kommen beispielsweise die zollrelevanten Begriffe, der Name des betroffenen Nachfolgestaates der UDSSR, Stahl, etc. und Kombinationen aus diesen in Betracht. Auch in diesem Fall sind die sachverhaltsrelevanten Sprachen zu beachten.
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Im Rahmen einer Hintergrundrecherche sind insbesondere Informationen zu der mutmaßlichen Scheinfirma C relevant, so z.B. Gründungsdatum, Zweck der geschäftlichen Tätigkeit, Gesellschafter und Gesellschafterwechsel, Vermögen-, Finanz- und Ertragslage und Auskünfte über kriminelle Aktivitäten der Vergangenheit bzw. die Integrität.
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Im Rahmen einer detaillierten Beleguntersuchung sollten vor allem Rechnungen, Zahlungen und Liefernachweise untersucht werden, die die Transaktionen zwischen A, B und C betreffen.
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Im Rahmen der Interviews könnte auch das SLA zwischen A und B in den Fokus geraten. Hier dürfte sich die Frage stellen, aus welchem wirtschaftlichen Grund B Leistungen für die Tochtergesellschaft bei A einkauft, obwohl diese über ausreichende eigene Kapazitäten verfügt und nicht auf Leistungen der A angewiesen ist. Die Untersuchung dieser ungewöhnlichen vertraglichen Vereinbarung könnte weitere wichtige Hinweise zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen.
1. Hintergrund
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Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 StGB ist darauf ausgerichtet den Wettbewerb auf unrechtmäßige Art und Weise zu verzerren. Dies geschieht z.B. indem Mitarbeiter von Kunde, die Entscheidungen zugunsten des Lieferanten beeinflussen können, Geschenke oder Einladungen erhalten. Es besteht in diesen Fällen die Erwartungshaltung des Lieferanten, die Entscheidungen des Kunden rechtswidrig zu beeinflussen, indem z.B. der Kunde Waren oder Dienstleistungen bei dem Lieferanten bestellt, obwohl er unter normalen Umständen einen Wettbewerber bevorzugt hätte. Nachdem am 15.10.2015 vom Bundestag beschlossenen Gesetz zur Bekämpfung der Korruption gilt in Zukunft als Verschärfung das sog. Geschäftsherrenmodell. Über den Wettbewerb hinausgehend ist dann vorgesehen, dass durch den Empfang von Zuwendungen die Pflichterfüllung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitsgeber beeinflusst wird; damit wird der Schutzzweck des § 299 StGB erweitert. Das Gesetz von 2015 sieht außerdem eine Erweiterung der Amtsträgerkorruption nach § 331 ff. StGB vor, d.h. bzgl. der Straftatbestände sollen europäische Amtsträger so behandelt werden wie deutsche Amtsträger. Diese Ausweitung auf europäische Amtsträger gilt bereits für die Tatbestände der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) und Vorteilsgewährung (§ 333 StGB). Da Bestechungen und Vorteilsgewährungen rechtswidrige Handlungen sind, handelt es sich um nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gem. § 4 (5) Nr. 10 EStG. Daher stellen korruptive Zahlungen auch immer steuerliche Verstöße dar.
2. Bedeutung der internen Sachverhaltsaufklärung
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Es kann für das steuerpflichtige Unternehmen eine Option darstellen, im Rahmen einer steuerlichen Nacherklärung die korruptiven Ausgaben aus der Ergebnisrechnung zu eliminieren, um das Risiko einer Steuerstraftat deutlich zu reduzieren. Dies setzt aber voraus, dass sämtliche korruptive Ausgaben erkannt und zuzüglich eines Sicherheitspuffers herausgerechnet werden. Aus diesem Grunde ist eine Investigation mit der Zielsetzung durchzuführen, im relevanten Zeitraum sämtliche korruptive Ausgaben zu identifizieren.
3. Beispiel
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Der Automobilzulieferer A stellt Produkte her, die an namhafte Automobilhersteller geliefert werden. Da der Wettbewerb sehr hoch ist und die Automobilhersteller ihrerseits sehr auf die Preise achten müssen, lädt der Vertriebsleiter des A fünf Einkäufer des Automobilherstellers H zu einer Städtereise nach New York ein. Bezahlt werden ein Business-Class Flug, drei Übernachtungen in einem 5 Sterne-Hotel in Manhattan, sämtliche Mahlzeiten und Tickets für eine Broadway Show. Da sich die Mitarbeiter des H in der Schuld des A fühlen, beschließen sie gemeinschaftlich, die Angebote des A jeweils so zu bewerten, dass diese knapp vor dem besten Anbieter liegen. Im Einzelfall akzeptieren die Einkäufer des H auch ein zweites Angebot des A mit besseren Preisen. Sie geben ihm dann einen entsprechenden Hinweis vorab.
Mögliches