1. Hintergrund
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Der Begriff der „Bilanzmanipulation“ dient i.d.R. als übergeordneter Begriff für Unregelmäßigkeiten in der Rechnungslegung, d.h. insbesondere in Jahres- und Konzernabschlüssen. Dabei ist nicht unbedingt nur das reine Zahlenwerk (insbesondere Bilanz oder Gewinn-und Verlustrechnung, deren Basis die Buchführung darstellt) betroffen. Vielmehr können auch verbale Erläuterungen im Anhang und im Lagebericht ein falsches Bild über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermitteln und hierdurch eine Bilanzmanipulation darstellen oder im Zahlenwerk vorhandene Bilanzmanipulationen verschleiern. Hierzu können insbesondere gehören:
– | unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft in der Eröffnungsbilanz, im Jahresabschluss, im Lagebericht oder im Zwischenabschluss, |
– | unrichtige Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse des Konzerns im Konzernabschluss, im Konzernlagebericht oder im Konzernzwischenabschluss, |
– | die Offenlegung eines befreienden Konzernabschlusses bzw. Konzernlageberichtes nach §§ 291, 292 HGB, in dem die Verhältnisse des Konzerns unrichtig, wiedergegeben oder verschleiert worden sind, |
– | Abgabe einer unrichtigen Versicherung (Bilanzeid) nach § 264 Abs. 2 S. 3, § 289 Abs. 1 S. 5, § 297 Abs. 2 S. 4 oder § 315 Abs. 1 S. 6, |
– | Erteilung unrichtiger Angaben oder Verschleierung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft in Aufklärungen oder Nachweisen an einen Abschlussprüfer der Kapitalgesellschaft, den Abschlussprüfer eines verbundenen Unternehmens oder den Konzernabschlussprüfer nach § 320 HGB. |
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Falsche Angaben in der Rechnungslegung können auf unbeabsichtigten Unrichtigkeiten oder beabsichtigten Verstößen beruhen. Eine Manipulation setzt das Wollen der Unregelmäßigkeit in der Rechnungslegung voraus, womit es sich nach Ausführungen des IDW bei einer Bilanzmanipulation um eine „Täuschung“ und somit um einen Verstoß bzw. einen Fraud-Fall handelt. Bei „Täuschungen“ handelt es sich in diesem Zusammenhang um „(…) bewusst falsche Angaben im Abschluss und ggf. Lagebericht sowie (um) Fälschungen in der Buchführung oder deren Grundlagen, Manipulationen (Buchungen ohne tatsächliches Vorliegen von Geschäftsvorfällen, Unterdrückung von Buchungsbelegen, unterlassene Buchungen u.Ä.), unerlaubte Änderungen der Buchführung und deren Grundlagen sowie die bewusst falsche Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen. Täuschungen können durch die gesetzlichen Vertreter, Aufsichtsorgane oder Mitarbeiter ggf. unter Mitwirkung von Dritten begangen werden. Täuschungen sind häufig Folge davon, dass das Management, d.h. die gesetzlichen Vertreter und andere Führungskräfte, Kontrollmaßnahmen außer Kraft setzt, die ansonsten als wirksam angesehen werden können (Management Override).“[58]
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Abb. 8:
„Einteilung der Unregelmäßigkeiten“[59]
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Die Motivation für eine Bilanzmanipulation kann vielfältiger Natur sein und hängt wesentlich von der Gesellschaftsstruktur,[60] dem (rechtlichen) Umfeld, der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und der handelnden Organe und Mitarbeiter sowie deren Integrität ab. In den meisten Fällen wird eine Bilanzmanipulation nicht die Steuerverkürzung zur Intention haben. Vielmehr dienen Bilanzmanipulationen häufig dazu, die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage positiver darzustellen, als es die tatsächlichen Verhältnisse erfordern würden. Dies kann bspw. durch die Überbewertung der Aktiva, Berücksichtigung fiktiver oder nicht realisierter Umsätze oder der unzureichenden Berücksichtigung von Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erfolgen. Mit einer Bilanzmanipulation kann das Ziel verfolgt werden, die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage positiver darzustellen, als sie tatsächlich ist. Die Motivation für eine zu positive Darstellung ist häufig darin begründet, dass die wirtschaftlichen Ziele nicht erfüllt werden und das Management, insbesondere aber auch der Vertrieb, ihre variable Vergütung nicht erreichen würden. Es ist auch möglich, dass die Nichterreichung der wirtschaftlichen Ziele dazu führt, dass das Management oder die Mitarbeiter die nächste Karrierestufe nicht erreichen oder deren Verbleib im Unternehmen in Frage gestellt wird. Durch den Ausweis eines zu positiven Ergebnisses werden i.d.R. keine Steuern verkürzt. Jedoch wird in diesen Fällen regelmäßig zu viel Umsatzsteuer abgeführt und die Kunden lassen sich ggf. zu Unrecht zu viel Vorsteuer erstatten. Die zu viel abgeführte Umsatzsteuer kann dann nicht wieder erlangt werden. Aus ertragssteuerlicher Sicht kritischer ist hingegen ein bewusst zu niedrigerer Ergebnisausweis, z.B. um Reserven für die Zukunft aufzubauen oder um den Status der Gemeinnützigkeit nicht zu verlieren.
2. Bedeutung der internen Sachverhaltsaufklärung steuerlicher Auswirkungen von Bilanzmanipulation
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Zwar haben Bilanzmanipulationen oftmals auch steuerliche Auswirkungen, die in Hinblick auf mögliche Steuerstrafverfahren für die Organe erhebliche persönliche Risiken in sich bergen können, jedoch sind die steuerlichen Auswirkungen i.d.R. nicht die Hauptmotive für die Durchführung von Bilanzmanipulationen. Vielmehr rücken bei Bilanzmanipulationen regelmäßig andere Interessen in den Vordergrund. Dabei muss die Motivation zur Bilanzmanipulation nicht zwingend von dem Willen geleitet sein, dem betroffenen Unternehmen einen Schaden zuzufügen. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen können Bilanzmanipulationen mit der Motivation erfolgen, das Unternehmen vor einer Insolvenz zu bewahren oder diese zumindest heraus zu zögern um Zeit für eine Lösung der wirtschaftlichen Probleme zu „erkaufen“. Dies kann die