204
In der Konsequenz wird das Ergebnis des Jahresabschlusses 2016 der A um insgesamt 700 000 EUR zu niedrig ausgewiesen, indem zum einen Aufwendungen erfasst wurden, die einer anderen Periode zuzurechnen sind (IT-Datenmigration) oder gar nicht existieren (Beratungsleistungen) und zum anderen Ergebnisse in Höhe von 500 000 EUR aus dem Verkauf der Maschinen nicht realisiert wurden. Umgekehrt wird das Ergebnis für 2017 um 600 000 EUR zu hoch ausgewiesen.
205
Die Konsequenzen für die A AG können erheblich sein. Zunächst wird hier auf die Konsequenzen des § 256 AktG verwiesen. § 256 AktG regelt Fälle, in denen ein festgestellter Jahresabschluss nichtig ist. Würde ein Aktionär Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Abschlusses nach § 249 AktG erheben, wäre zu prüfen, ob ein Nichtigkeitsgrund vorliegt. Nach § 256 Abs. 5 AktG wäre zu prüfen, ob z.B. eine Unterbewertung der Aktiva vorliegt, weil Forderungen LuL nicht eingebucht wurden und hierdurch die Forderungen aus LuL zu niedrig ausgewiesen werden. Gleichzeitig könnte eine Überbewertung der Aktiva bezogen auf das Vorratsvermögen vorliegen, da das dort ausgewiesene Vorratsvermögen gar nicht mehr existiert. Des Weiteren könnte eine Überbewertung der Passiva vorliegen, da Umsatzsteuerverbindlichkeiten (Umsatzsteuer aus der Lieferung der Maschinen, die nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a UStG eigentlich bereits in 2016 entstanden ist) nicht angesetzt wurden. Die Minderung der Umsatzsteuerverbindlichkeiten durch Vorsteuerbeträge, die gar nicht angesetzt werden dürfen, weil keine Leistungen erbracht wurden (Beraterverträge) oder deren Abzug nach § 15 Abs. 1 UStG noch nicht zulässig ist, da die Leistung noch nicht erbracht wurde und auch die Bezahlung noch nicht erfolgt ist (IT-Datenmigrationsaufwendungen), stellt faktisch eine weitere Überbewertung der Aktiva oder Passiva dar (je nachdem, ob sich aus der Umsatzsteuerzahllast für 2016 eine Forderung oder eine Verbindlichkeit gegen das Finanzamt ergibt). Da auch bei einer Überbewertung Wesentlichkeitsüberlegungen zugrunde zu legen sind, ist zudem zu beurteilen, ob tatsächlich ein Anwendungsbereich des § 256 Abs. 5 AktG vorliegt.[61] Bei einer Unterbewertung ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut, dass es zu einer Verschleierung oder unrichtigen Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der AG kommen muss.
206
Eine wesentliche Konsequenz der Nichtigkeit eines festgestellten Jahresabschlusses ist nach § 253 S. 1 AktG, dass der Beschluss über die Gewinnverwendung nichtig ist. Dies kann dazu führen, dass durch Aktionäre bereits bezogene Dividenden wieder zurückgezahlt werden müssen.[62]
207
Auf weitere straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen.
Mögliches Vorgehen im Rahmen einer Investigation
208
Der Aufsichtsrat, der von einem Buchhalter von den oben genannten Gerüchten Kenntnis erlangt hat, ist besorgt und veranlasst eine Investigation. Das Investigation-Team beschließt zunächst Interviews mit ausgewählten Mitarbeitern aus dem Rechnungswesen, dem Einkauf und dem Vertrieb zu führen, um sich von möglicherweise kritischen Bilanzierungspraktiken am Jahresende ein Bild zu verschaffen. Analytisch werden auf der Seite der Lieferungen und Leistungen anschließend die Zeitpunkte der Leistungserbringung, das Rechnungsdatum des Lieferanten, das Buchungsdatum und der Zeitpunkt der Zahlung ausgewertet. Bei kritischen Daten, aber auch darüber hinausgehend, werden Kreditorenrechnung samt Liefer- und Leistungsnachweis und Wareneingangsbestätigung bei stichtagsnahen Transaktionen systematisch auf sog. Cut-Off-Risiken ausgewertet. Außerdem werden für diese kritischen Transaktionen die Beschaffungsverträge durchgesehen, um den vereinbarten Liefer-/Leistungstermin zu identifizieren und zu prüfen, ob es Abweichungen zu den Terminen gem. Kreditorenrechnungen oder Liefernachweisen gibt. Auf der Seite der Verkaufsgeschäfte wird ebenfalls geprüft, ob es Inkonsistenzen zwischen Verträgen mit Kunden, Ausgangsrechnungen, Warenausgängen und Liefernachweisen gibt. Dabei werden Transaktionen geprüft, die zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres als Umsatz gebucht wurden.
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Außerdem erfolgt bei solchen Kreditoren, deren Stammdaten nicht konsistent sind (z.B. Name oder Adresse) Hintergrundrecherchen durchgeführt, um zu erkennen ob das Unternehmen tatsächlich existiert oder der Geschäftszweck des Unternehmens zum Liefer-/Leistungsgegenstand der Rechnung passte. Sollten kritische Kreditoren im Sinne einer möglichen Nicht-Existenz identifiziert werden, schaut sich das Investigations-Team dazu alle Geschäftsvorfälle im Detail auf Manipulationsspuren an. Sofern sich im Rahmen der Interviews herausgestellt hat, das der IT-Dienstleister eine nahestehende Person des Vorstandsvorsitzenden ist, empfiehlt es sich, eine Hintergrundrecherche zu dem IT-Dienstleister durchzuführen, um das Verhältnis zwischen diesem und dem Vorstandsvorsitzenden besser zu verstehen.
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Nachdem das Investigations-Team die im Sachverhalt dargestellten IT Kosten sowie die Umsatzerlöse als kritisch identifiziert hat, beschließt es nach datenschutzrechtlicher Prüfung eine genaue Auswertung des E-Mail-Verkehrs im Rahmen einer E-Discovery Untersuchung bei solchen Mitarbeitern durchzuführen, die im Verdacht stehen, solche Transaktionen veranlasst, genehmigt oder gebucht zu haben. Dabei werden insbesondere die Daten des Vorstandsvorsitzenden G im Fokus der Datenauswertung stehen. Stichworte können etwa der Name des IT-Dienstleisters, Namen der betroffenen Kunden und Maschinentypen oder Worte wie Umsatzverschiebung, vorgezogener Aufwand