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In dem obigen Beispiel dürfte das Hauptziel des Karussells der Betrug des B sein. Wenn das Karussell unauffälliger arbeiten möchte und hauptsächlich auf die Erzielung von Einnahmen aus der Verkürzung der Umsatzsteuer abgestellt ist, wird C auch die dritte Zahlung an A durchführen und der Kontakt danach „einschlafen“. In diesem Fall würde das Karussell ein Gesamtergebnis von 40 EUR erzielen, was sich aus der nachfolgenden tabellarischen Übersicht ergibt:
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Tab. 3: „Übersicht über die veränderten Zahlungsströme“
A | C | Erfolgskomponenten | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Zahlung von Umsatzsteuer | Zahlung an B Vorsteuer | Zahlungssaldo | Steuersaldo | Gesamtergebnis | |||
1. Lieferung | 1.190,00 € | – 190,00 € | – 1.249,50 € | 199,50 € | – 59,50 € | 9,50 € | – 50,00 € |
2. Lieferung | 1.190,00 € | – 190,00 € | – 1.249,50 € | 199,50 € | – 59,50 € | 9,50 € | – 50,00 € |
3. Lieferung | 1.190,00 € | 0,00 € | –1.249,50 € | 199,50 € | – 59,50 € | 199,50 € | 140,00 € |
Summe | 3.570,00 € | – 380,00 € | – 3.748,50 € | 598,50 € | – 178,50 € | 218,50 € | 40,00 € |
Mögliche steuerliche Konsequenzen für B
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Für B können sich – unabhängig vom möglichen Vermögensschaden, bei einer Nichtzahlung durch C bei der dritten Lieferung – erhebliche steuerliche Konsequenzen ergeben. Dem Sachverhalt liegt die Annahme zugrunde, dass die Ware nicht existiert. Eine nicht existente Ware kann natürlich nicht Gegenstand einer Lieferung i.S.d. Umsatzsteuergesetzes sein, so dass in keinem Fall ein umsatzsteuerbarer Umsatz vorliegen kann. Ohne steuerbaren Umsatz können sich aber weitere Konsequenzen, wie z.B. ein Vorsteuerabzug, zwangsläufig auch nicht ergeben. B hat in diesem Beispiel in keinem Fall einen Anspruch auf Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG. Zwar liegt mangels Existenz der Ware zwischen B und C ebenfalls keine Lieferung i.S.d. UStG vor, jedoch schuldet B die „unberechtigt“ ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 UStG, da er mangels Lieferung nicht zum Ausweis einer Umsatzsteuer berechtigt gewesen wäre. Eine Korrektur ist ihm aber nur dann möglich, wenn die „Gefährdung des Steueraufkommens“ beseitigt werden kann (§ 14c Abs. 2 S. 3 UStG). Da hier C aber die Vorsteuer abgezogen hat und jeder Kontakt abgebrochen ist, dürfte dies im Nachhinein nicht mehr möglich sein. Im schlimmsten Fall schuldet B somit die Umsatzsteuer von 199,50 EUR je Lieferung, darf die Vorsteuer von jeweils EUR 190,00 nicht geltend machen. Der Schaden von 598,50 EUR beträgt in diesem Fall ein Vielfaches der realisierten Marge von EUR 50/Lieferung.
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Ein weiteres Risiko könnte sich aus § 25d UStG ergeben. Im Falle der Kenntnis oder des Kennenmüssens besteht grundsätzlich eine Haftung gem. § 25d UStG für die Umsatzsteuer, die von A sowie weiteren Vorlieferanten des A nicht abgeführt wurde. Allerdings gilt dies nur, wenn tatsächlich eine Lieferung oder sonstige Leistung tatsächlich stattgefunden hat, was im vorliegenden Beispiel der Scheinlieferung nicht der Fall ist. Da keine Rechnung i.S.d. § 14 UStG hätte ausgestellt werden dürfen, liegt ein unberechtigter Steuerausweis nach § 14c UStG vor. Soweit ein unrichtiger oder unberechtigter Steuerausweis nach § 14c UStG vorliegt, scheidet eine Haftung nach § 25d UStG jedoch aus, da kein zum Vorsteuerabzug berechtigender Umsatz stattgefunden hat.[43]
Mögliches Vorgehen im Rahmen einer Investigation aus der Perspektive des B
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Im Rahmen einer Investigation würde zunächst geklärt werden, ob die bestehenden Hinweise dem tatsächlichen Sachverhalt entsprechen. Käme man zu dem Ergebnis, dass sich der Sachverhalt, wie in dem Beispiel dargestellt, ereignet hat, wären die relevanten Sachverhalte genau zu dokumentieren. In diesem Zusammenhang wäre zu untersuchen, ob weitere ähnlich gelagerte Fälle möglich wären.
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Um eine bestmögliche Verteidigungsstrategie entwerfen zu können, ist es darüber hinaus von großer Bedeutung zu wissen, ob Organe oder Mitarbeiter der B bewusst in das Umsatzsteuerkarussell eingebunden waren. Sofern davon auszugehen ist, dass eine Einbindung in das Umsatzsteuerkarussell unwissentlich durch B erfolgte, wird zu untersuchen sein, ob Mängel in den Prozessen bzw. die Nichtbeachtung von internen Vorgaben die Teilnahme am Umsatzsteuerkarussell ermöglicht oder zumindest erleichtert haben bzw. ob man die Teilnahme hätte erkennen können.
Maßnahmen zur Aufklärung
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Im Großhandel ist es üblich, bei neuen Kundenkontakten bestimmte Untersuchungen dahingehend durchzuführen ob man es mit einem voraussichtlich „liquiden“ und „soliden“ Kunden zu tun hat. Dies erfolgt zum einen vor dem Hintergrund notwendiger Bonitätsprüfungen, um Forderungsausfallrisiken zu vermeiden, zum anderen aber auch in Hinblick auf das Geldwäschegesetz, unter das Großhändler als Verpflichtete nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 GWG regelmäßig fallen werden. Da bei der Begründung einer auf eine gewisse Dauer ausgelegten Geschäftsbeziehung nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 GwG eine Identifizierung des Vertragspartners stattzufinden hat, werden Großhändler typischerweise standardisierte Prozessabläufe zur Identifizierung neuer Geschäftspartner implementieren, auf die im Rahmen der Investigation zurückgegriffen werden kann. Hierzu können verschiedene Prüfroutinen vorgesehen sein, die auch grundlegende Informationen wie Handelsregisterauszug, Gesellschafterlisten, öffentlich zugängliche Jahresabschlüsse umfassen können. So kann im Rahmen der Investigation geprüft werden, ob die im Rahmen der Prüfroutinen vorgesehenen Informationen über den Lieferanten A und den Kunden C eingeholt wurden und wenn ja, ob die Schlussfolgerungen hieraus nachvollziehbar sind. Das – nicht nachvollziehbare – Abweichen von diesen Prüfroutinen wie z.B. das Nichteinholen eines aktuellen Handelsregisterauszuges kann Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten geben. Dies gilt aber beispielsweise auch, wenn zwar ein aktueller Handelsregisterauszug eingeholt wurde, aber trotz möglicher Anhaltspunkte keine Risiken identifiziert und beurteilt wurden. Risiken, die im Rahmen einer Durchsicht eines aktuellen