Mom hat den Strand geliebt. Im Sommer haben wir hier viel Zeit verbracht. Das wird auch der Grund sein, warum es mein Lieblingsort zum Laufen ist. Warum es mich hierherzieht, wann immer ich mich traurig fühle. Dieser Ort erinnert mich an sie, hier fühle ich mich ihr näher.
»Einen Penny für deine Gedanken, meine Schöne«, sagt eine tiefe Stimme.
Angesichts des Geräusches sich nähernder Schritte öffne ich ruckartig die Augen. Ich setze mich auf und ziehe die Brauen zusammen, als ich Jackson Lauder auf mich zujoggen sehe. Er trägt kein Shirt, sondern nur schwarze Lauf-Shorts, die sich an seine definierten Hüften schmiegen. Seine harten Muskeln bewegen sich beim Rennen unter der Haut.
»Du siehst aus, als würden die Sorgen der Welt auf deinen Schultern lasten«, stellt er fest und lässt sich neben mir ins Gras fallen.
»Ich habe gerade an meine Mom gedacht«, gebe ich ehrlich zu.
Er sieht mich prüfend an. Wonach er in meinen Augen sucht, weiß ich nicht genau. »Es tut mir leid.«
Er weiß es. Natürlich. Hunt hat offenbar mehr getan, als nur ein wenig Grundlagenforschung zu betreiben.
»Sie ist vor langer Zeit gestorben.« Ich zucke mit den Schultern, als wäre es inzwischen leichter, damit zu leben. Es stimmt. Es wird mit der Zeit leichter, aber ich habe nie aufgehört, sie zu vermissen. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an sie denke. An dem ich mich nicht frage, wie unser Leben aussehen würde, wäre sie noch immer hier, und ob sie es geschafft hätte, mit uns zu fliehen.
Aber zu träumen ist destruktiv.
»Keine Zeit der Welt kann den Schmerz jemals komplett betäuben«, sagt Jackson leise.
Er hat recht. Ich sehe ihn an und versuche dabei nicht seinen Wahnsinnskörper anzuglotzen oder dem Reiz seiner funkelnden blauen Augen zu erliegen. »Wen hast du verloren?«
Ein Muskel an seinem Kiefer zuckt. »Meine Schwester. Sie wurde vor vier Jahren ermordet.«
Das haben wir ebenfalls gemeinsam. »Das ist schrecklich. Es tut mir leid.«
Er holt ein Feuerzeug und eine selbstgedrehte Zigarette aus seiner Hosentasche und zündet sie sich an. Dann nimmt er einen tiefen Zug, ehe er sie mir anbietet. Nachdem ich seine Vorliebe für Joints verzeichnet habe, gehe ich davon aus, dass es sich hier ebenfalls um einen handelt. Ich habe noch nie einen Joint geraucht oder andere Drogen genommen. Das ist nicht erlaubt. Die Mitglieder der Elite sind meine ständigen Schatten auf jeder Party, um sicherzustellen, dass ich nicht in Versuchung gerate.
Aber jetzt ist keiner hier.
Oscar wartet im Auto, und selbst wenn er hier wäre, würde er mich nicht aufhalten. Ich denke nicht groß nach, nehme Jackson den Joint ab, und ignoriere das Prickeln, das meinen Arm hinaufschießt, als sich unsere Finger berühren. Ich inhaliere tief, und Rauch erfüllt meine Lunge, ehe ich loskeuche und huste, bis mir die Tränen in die Augen steigen.
Jackson schmunzelt und nimmt mir den Joint wieder ab. »Natürlich ist es dein erstes Mal.« Er nimmt einen tiefen Zug, ehe er ihn mir erneut reicht. »In einem goldenen Käfig zu leben, muss langweilig sein.«
Ich ziehe noch einmal und muss wieder prusten, dieses Mal jedoch nicht so heftig wie beim ersten Mal. »Du hast ja keine Ahnung«, murmle ich und gebe ihm das Ding zurück. Dann löse ich mein Haargummi und fahre mit der Hand durch meine Haare.
Mir ist bewusst, dass es nicht klug ist, mich einem der neuen Jungs zu öffnen, aber nach dem Vorfall heute fühle ich mich rebellisch. Trents Dad hat mir gesagt, ich solle mich von den Jungs fernhalten, und das hier ist mein Weg, seiner Anweisung zu folgen.
Jackson bedenkt mich mit einem seltsamen Blick, sagt aber nichts. In angenehmem Schweigen lassen wir den Joint zwischen uns hin und her wandern. Es dauert nicht lang, bis sich ein angenehmer, diffuser Nebel über meine Gedanken legt, meine Sinne dämpft und meine Glieder lockert. Ich lasse mich erneut rücklings auf den Boden sinken, ehe ich meine Arme und Beine wie ein Seestern hin- und herflattern lasse und dabei vor mich hinkichere.
»Ich glaube, da ist jemand stoned«, neckt mich Jackson und beugt sich mit einem Lächeln über mich.
»Ich fühle mich toll!« Ich bewege weiter meine Beine, wie früher als Kind, als Drew und ich stundenlang so im Sand spielten. Zufrieden seufze ich auf. »Ich sollte öfters Gras rauchen.«
Jackson schnaubt und nimmt einen weiteren Zug. Dabei sieht er mich die ganze Zeit unverwandt an.
»Wer macht so was überhaupt?«, frage ich. »Laufen gehen und dann einen Joint rauchen?« Ich springe auf, bewege meinen Körper zu einem imaginären Beat und summe kaum hörbar, während ich ein paar meiner Ballettschritte übe.
»Ich tue, was immer nötig ist, um die Realität zu betäuben«, erklärt er. »Laufen, rauchen, ficken, Rennen fahren.« Er schmunzelt, als ich im Sand das Gleichgewicht verliere und stolpere.
Ich streiche mir mein zerzaustes Haar aus dem Gesicht, kichere, während ich mich im Sand räkele und mich frage, warum Marihuana in diesem Staat für unter Einundzwanzigjährige noch immer als illegale Substanz gilt. Alles, wodurch man sich so gut fühlt, sollte frei erhältlich sein.
»Du solltest mehr lachen«, sagt Jackson, der sich gefährlich nah über mir aufgebaut hat und mein zerzaustes Haar hinter mein Ohr schiebt. »Du siehst noch hübscher aus, wenn du lächelst.« Er fährt mit dem Daumen über meine Unterlippe, und mir stockt der Atem. Mein Kichern verebbt, stattdessen übermannt mich eine viel intensivere Emotion. Während wir uns anstarren, scheint sich die Luft zwischen uns aufzuladen. Meine Brust hebt und senkt sich heftig, und ein Schwarm Schmetterlinge macht sich in meinem Bauch breit. Sein Blick senkt sich auf meinen Mund und er schiebt seinen Daumen zwischen meine Lippen.
Ich gebe dem Marihuana die Schuld für das, was ich als Nächstes tue. Ich lasse meine Zunge hervorschnellen, koste seinen Daumen und stupse mit zarten Zungenschlägen dagegen. Jackson stöhnt, tief aus seiner Kehle heraus, ehe er seine Lippen auf meine presst – und dann küssen wir uns, als hätten wir noch nie zuvor jemand anderen geküsst.
Seine Lippen sind herausfordernd, verlangend und hungrig, während er sich über meinen Mund hermacht und ich es ihm mit gleicher Münze heimzahle. Er zieht mich an seinen heißen Körper, packt meinen Hintern und drückt mein Becken gegen seines. Das Gefühl seines harten Schwanzes lässt mich aufstöhnen. Meine Hände entwickeln ein Eigenleben, erkunden die definierten Züge seiner nackten Brust und seines Rückens, während wir uns leidenschaftlich küssen. Sterne explodieren hinter meinen geschlossenen Lidern. Er plündert meinen Mund, leckt und saugt an mir, während er sein Becken auf eine Art und Weise gegen meines reibt, dass sich meine Mitte vor Verlangen zusammenzieht.
»Ms Abigail.« Oscars harsche Stimme befördert mich mit einem heftigen Knall zurück auf den Boden der Tatsachen.
Ich schreie auf und lasse von Jackson ab. Während ich von ihm wegkrieche, sieht er mich mit einem frechen, wissenden Ausdruck an. Seine Lippen sind geschwollen und halten mir die Realität dessen vor Augen, was ich gerade getan habe. »Scheiße.« Ich rapple mich auf, während Oscar meinen Rucksack und mein weggeworfenes Lauf-Top aufsammelt, und sehe Jackson mit kaum verhohlener Abscheu an.
»Bis Montag in der Schule, Schönheit«, sagt er und zwinkert mir zu, als er ebenfalls aufsteht. »Ich freue mich darauf.«
6. KAPITEL
»Okay, was macht dich so verrückt?«, fragt Jane, als ich am nächsten Tag ihr Zimmer betrete.
Am Telefon habe ich nicht viel gesagt, da mit Sicherheit mein Handy verwanzt ist, aber meine beste Freundin kann meine Stimmungslagen auch so wunderbar entziffern, von daher ist ihr bereits klar, dass etwas los ist. »Ich habe etwas extrem Dummes getan.« Ich laufe in ihrem Zimmer auf und ab, und hinterlasse dabei