Rezeptive Fertigkeiten sind wie immer weiter gefasst als produktive. Ohne auf Details einzugehen, soll die Lehrkraft die Lerner darüber informieren, dass der Französischunterricht in Deutschland auf einer bestimmten Aussprachenorm beruht, dass sie im Land aber auch eine andere Aussprache hören können als die des français standard. Mit fortschreitendem Lernzuwachs sind die Lernenden dann mit entsprechenden Beispielen (z.B. zur phonetischen Realisierung der Nasale oder des r im Midi) zu konfrontieren (cf. Grundsatzbemerkung 7).
9: Methodische Vielfalt
Die Aussprache des Lehrers ist in der Regel primäres Modell und wird von den Schülern imitiert. Seine Aussprachekompetenz muss deshalb vorbildlich sein. Relikte von dialektalen Besonderheiten aus der Muttersprache, die ins Französische übertragen werden, sind sowohl in seiner eigenen Artikulation als auch bei den Schülern auszumerzen (z.B. der im fränkischen Sprachraum häufige Zusammenfall von [b] – [p], das gerollte r).
Da Imitation auch einer vorbildlichen Aussprache allein im Unterricht nicht ausreicht, sollte die Lehrkraft den Lernwillen der Schüler steigern und effektive Lernprozesse anstoßen, indem sie eine große Bandbreite von Übungen zum Einsatz bringt, deren Art vom Alter und Sprachniveau der Schüler abhängig gemacht werden muss. So ist das Chorsprechen in der Anfangsphase sicher ein probates Mittel, die Lernenden an die fremde Artikulationsbasis zu gewöhnen. Problematisch ist jedoch, dass Chorsprechen zwar Sprachhemmungen verringert, es aber auch zulässt, sich zu „verstecken“. Nicht möglich ist dies hingegen bei szenischen Spielen, die insbesondere der Anwendung von Ausspracheregeln in einem kommunikativen Zusammenhang zuträglich sind.
Kognitivierung wird durch andere methodische Mittel erreicht: Demonstration der Artikulation und ihre Beschreibung (z.B. anhand der Abbildung eines Kehlkopfes), Illustrationen (z.B. Intonationskurven) oder Einsatz von Ausspracheregeln und Lautschrift. Bewährt haben sich auf Phoneme oder Intonation ausgerichtete Hörverstehensübungen, z.B. das Ankreuzen des richtigen Nasalvokals (z.B. vin – vont – vent; bon – banc – bain) oder das Finden von Paaren (z.B. tout – doux; tes – des).
Für die Anfangsphase sind im weitesten Sinn spielerische Übungen unter Einbezug motorischer Elemente besonders geeignet. Wenn die Schüler beispielsweise vom Oralvokal ausgehend den Kopf in den Nacken legen, erleichtert dies die am Anfang ungewohnte Artikulation der französischen Nasale. Die Opposition stimmlos – stimmhaft ([s] vs [z], [ʒ] vs [ʃ]) kann mit der Hand am Kehlkopf eingeübt werden. Richtig ist die Aussprache, wenn bei den stimmhaften Varianten eine Vibration spürbar ist. Der Hinweis, dass man nur auf die stimmhaften Konsonanten summen kann, ist hilfreich und kann einzeln oder im Klassenverband umgesetzt werden. Spielerische Elemente enthält auch der Einsatz von Zungenbrechern oder von Comptines (z.B. Dans ta tente ta tante t’attend oder 1, 2, 3, nous avons un gros chat/ 4, 5, 6, il a de longues griffes/ usw.) oder von Videoclips (u.a. von Alain le Lait auf YouTube zu den Zahlen), die zum Nachsprechen bzw. rhythmischen Übungen anregen.
10: Sprachlernbewusstheit
Eine kognitivierende Schulung von Aussprache und Intonation sowie (rezeptive) Grundkenntnisse der Lautschrift (API) sind Voraussetzungen für Sprachlernbewusstheit, die ihrerseits dazu beiträgt, den Erwerb von Sprachkompetenz effizienter zu gestalten. Sie stärkt die gewünschte Autonomie der Lerner, nicht zuletzt auch in Hinblick auf die Selbstevaluation der Aussprache.
6. Fazit und Ausblick
Die Zielsetzung des Unterrichts hängt einerseits vom zeitlichen Rahmen und damit der Intensität des Lehrgangs, andererseits auch von den Bedürfnissen der Lerner ab, d.h. ein Lehrgang für Französisch als spätbeginnende Sprache kann nicht die gleichen Absichten verfolgen wie ein Lehrgang für Französisch als erste Fremdsprache, ein Volkshochschulkurs bedient mit hoher Wahrscheinlichkeit andere Interessen der Teilnehmer als Französischunterricht im Gymnasium.
Für alle Lehrgänge gilt aber gleichermaßen, dass das primäre Ziel die grundsätzliche Befähigung zur Verständigung im Französischen ist. Dazu bedarf es einer fundierten Ausspracheschulung, denn eine mangelhafte Aussprache eines Französischlernenden kann, wie eingangs betont, ein Hindernis für die (interkulturelle) Kommunikationsfähigkeit und für gut funktionierende Kontakte sein.
Eine Rückbesinnung auf eine systematische und konsequente Ausspracheschulung scheint insbesondere vor dem Hintergrund der von den Bildungsstandards vorgegebenen Leitlinie des Sprachunterrichts notwendig. So sehr das dort angestrebte Ziel der Kommunikationsfähigkeit auch dem Ansehen von Fremdsprachenunterricht und damit der Motivation der Lerner zuträglich ist, so bedenklich ist doch, dass damit die sprachliche Genauigkeit der kommunikativen Kompetenz und dem Gelingen des Gedankenaustauschs untergeordnet wird, was dazu führen kann, dass Exaktheit im sprachlichen Bereich in der Unterrichtspraxis vernachlässigt wird und fundierte Fachkenntnisse zu oft durch Kompetenzen ersetzt werden, die im zeitlich beschränkten Unterricht jedoch nicht vertieft aufgebaut werden können.
Mit Leupold 2007 wird deshalb davor gewarnt, dass durch die Betonung von Kompetenzen das klassische Verständnis des Sprachenlernens (durch Grammatik und Wortschatz) einem breiten Anwendungsfächer (Alltag, Realität) weicht. Durch das mit der Kompetenzorientierung eng verbundene Konzept des Tasked based language learning (TBLL) werden vorrangig Aufgaben in den Blick genommen, die hauptsächlich kommunikative Fertigkeiten, selten aber konkret einzelne sprachliche Mittel überprüfen. Die Steigerung der Qualität des Französischunterrichts kann aber nur mit einer Rückbesinnung auf elementare Belange gelingen, die der „Komplexität“ des Unterrichts (Leupold 2007, 19) Rechnung tragen. Dieser sollte bei aller Wertschätzung der Kompetenz- und Aufgabenorientierung das Spannungsverhältnis von Sprachwissen und Sprachkönnen im Auge behalten.
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