Landeskundliche Themen2 eignen sich besonders auch für bilinguale Storyline-Projekte. Ob es sich hierbei um den amerikanischen Bürgerkrieg, ein umstrittenes Staudammprojekt in Indien, das Leben einer Familie in einer australischen Wüstenlandschaft oder in einer englischen Stadt im Mittelalter handelt, ist relativ unerheblich. Entscheidend ist, dass das Interesse der Lernenden durch einen geeigneten Einstieg in die Thematik geweckt wird, so dass sich eine inspirierende Geschichte entwickeln kann.
Impulse für einen Einstieg können auf unterschiedliche Weise erfolgen: Historische Dokumente wie Geburtsurkunden, Fotografien oder ein Tagebuchauszug eines US-Einwanderers, eine Wegbeschreibung oder eine historische Landkarte, ein altes Werbeplakat oder ein Gemälde, ein Bittbrief oder Hilfeappell einer indischen Familie usw. regen zu einem Brainstorming an und aktivieren somit die eigene Vorstellungskraft. Auch aktuelle Zeitungs- und Zeitschriftenartikel bieten sich für eine Vielzahl von Kontexten an. Sie lösen einerseits persönliche Betroffenheit aus und dienen andererseits als Beweismittel für die Authentizität und Aktualität des Vorfalls. Eine starke emotionale Betroffenheit kann oft über audiovisuelle Medien, also authentische Nachrichtensendungen oder Sequenzen aus Spiel- und Dokumentarfilmen, erreicht werden. Gerade das Internet bietet mittlerweile unzählige Quellen und Möglichkeiten, die selbstverständlich stets auf ihre Glaubwürdigkeit und Authentizität hin überprüft werden sollten, bevor sie im Unterricht genutzt werden. Authentische oder fingierte Reise- und Stellenanzeigen, Werbeplakate bzw. -prospekte für Produkte, Dienste und Veranstaltungen oder auch ein simples Statement der Lehrkraft (“Imagine you are engineers from L.A. who are asked to design a dam in the Colorado River area ...“) können ebenfalls als motivierende Aufhänger für eine zu entwickelnde Geschichte dienen.
Real-life-Geschichten
Geschichten, die sich auf den eigenen Erfahrungsbereich und konkreten Lebensalltag der Schülerinnen und Schüler beziehen, wirken besonders motivierend.3 Je nach Lernalter, Interesse oder örtlicher Gegebenheit bieten sich folgende Themenbereiche für Storyline-Projekte an: eine Urlaubs- oder Studienreise, ein Besuch im Zoo oder Zirkus, die Gestaltung eines Schulhofs oder eines örtlichen Parks, die Eröffnung/Verwaltung eines Jugendzentrums oder einer Disko, der Bau eines Wohnblocks oder einer neuen Autobahnstrecke usw.4 Der Einstieg in die gewählte Thematik kann über ein real existierendes oder ein fingiertes Werbeplakat, eine Annonce, einen Direkteinstieg (“We are asked to design a new youth club ...“), eine persönliche Mitteilung (“I heard that ...“), eine persönliche Erzählung (“Some years ago I joined a photo competition. I won a trip to New Zealand ...“) oder über eine bloße Frage (“Do you think our village is attractive for tourists?“) erfolgen.
Textbasierte Geschichten oder Phantasiegeschichten
Als Vorlage für ein Storyline-Projekt kann auch ein Buch dienen.5 Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Geschichte muss nicht neu erfunden werden und somit erspart man sich Vorbereitungszeit. Als Nachteil könnte sich allerdings die Tatsache erweisen, dass man gedanklich zu sehr auf die „echte“ Geschichte, also den Originaltext, fixiert ist. Dienlich sind in jüngeren Klassen Märchen, auch unbekannte aus anderen Ländern, sowie Phantasiegeschichten, egal ob veröffentlicht (wie Harry Potter) oder selbst verfasst, aber auch allerlei bildgestützte Geschichten, Bilderbücher oder auch biblische Geschichten. In älteren Klassen bieten sich Texte aus dem Bereich Science Fiction oder der aktuellen Jugendliteratur (z.B. Holes) an, aber auch Klassiker (z.B. Romeo and Juliet).
Hinsichtlich der Vorgehensweise bestehen mehrere Möglichkeiten: Eine Geschichte wird im Laufe des Projekts etappenweise vorgelesen oder frei erzählt und von den Lernenden durch Dialoge, Collagen und Nebenhandlungen konkretisiert und dokumentiert. Alternativ kann lediglich der Beginn, ein markanter Ausschnitt oder auch nur das Ende einer Geschichte erzählt, vorgelesen oder per Film bzw. DVD präsentiert werden. Besonders geeignet scheinen für solche Zwecke so genannte dilemma stories zu sein, bei denen die Schülerinnen und Schüler für eine Problemsituation Lösungen finden und gegeneinander abwägen müssen. Des Weiteren können (fingierte) Annoncen, das Abspielen verschiedener Geräusche bzw. eines musikalischen Beitrags oder das Mitbringen eines geheimnisvoll wirkenden Gegenstandes (z.B. eine Flaschenpost oder Handtasche) als Einstieg in eine Phantasiegeschichte dienen, denn diese muss nicht zwangsläufig in Buchform vorliegen und bis zum Schluss als verbindliche Vorlage dienen. In der Regel sind Schülerinnen und Schüler während bzw. nach einer derartigen Storyline motiviert, die ursprüngliche Textvorlage zu rezipieren, um diese mit den eigenen Vorschlägen und Ideen zu vergleichen. Eine gute Möglichkeit also, um Literaturunterricht spannend und schülerorientiert zu gestalten!
Von Zeit zu Zeit kommt unter Kolleginnen und Kollegen die Frage auf, wie viel Phantasie und gestalterische Freiheit bei realitätsbezogenen und landeskundlichen Themen erlaubt seien. Hier kommt es zweifellos auf die Zielsetzung an: Soll schwerpunktmäßig ein landeskundlicher bzw. sachlicher Inhalt vermittelt werden, dann sollte dieser authentisch sein, das heißt, Jahreszahlen, Schauplätze und Ereignisse sollten nicht verändert werden, stattdessen sollte das Thema die Lernenden vielmehr dazu anregen, intensiv zu recherchieren. Wird dagegen ein historisches oder geographisches Ereignis „nur“ als Aufhänger für eine Storyline oder eine Nebenhandlung verwendet, dann kann großzügiger und kreativer verfahren werden.
2.3.2.1.2 Zur Dramaturgie: Einstieg – Zwischenfall – Ende
Der Einstieg entscheidet in der Regel bereits darüber, ob ein Thema akzeptiert und wie ein Storyline-Projekt verlaufen wird, deshalb sollte er bewusst gewählt werden, um die Lernenden für das Thema nachhaltig zu fesseln. Förderlich sind vorantreibende und konkretisierende Fragen wie: “What would you look like if you lived in the 18th century? What kind of clothes would you wear?“ oder “What would your home look like?“ Erfahrungsgemäß sprechen Lernende relativ bald in der Ich-Form, auch wenn sie eine Phantasiegestalt darstellen, was ein Zeichen dafür ist, dass sie engagiert bei der Sache sind (involvement principle).
Im Laufe eines Storyline-Projekts werden die Schülerinnen und Schüler durch Dilemmas und unerwartete Zwischenfälle (incidents) immer wieder zu kreativen und adäquaten Problemlösungen herausgefordert. Je nach Thema, Alter und Sprachniveau der Lerngruppe bieten sich folgende Vorschläge für zu bewältigende Situationen an:
Eine Person wird krank, kündigt ihren Besuch an oder taucht plötzlich (wieder) auf
Eine Person handelt in nicht nachvollziehbarer Art und Weise: sie verlässt einen Ort, wird kriminell oder anderweitig auffällig
Ein Fest oder eine Veranstaltung soll aus einem bestimmten Grund veranstaltet werden
Ein wichtiger Gegenstand wird verloren, zerstört, gefunden oder gewonnen
Eine Naturkatastrophe oder ein anderes Ereignis zerstört eine Landschaft, einen Bauernhof, einen Zoobereich oder ein Zirkuszelt
Eine Einrichtung soll eröffnet, verkauft oder geschlossen werden
Eine folgenreiche politische Entscheidung wird getroffen
Eine für die Menschheit bedeutsame Erfindung oder Entdeckung wird gemacht
Je nach Inhalt, Art und Struktur einer Geschichte kann diese ein natürliches Ende finden, nämlich dann, wenn der Problemfall gelöst wurde oder wenn die geplante Veranstaltung (z.B. Eröffnung eines fiktiven Jugendzentrums oder eines Museums) endlich stattfinden kann. In anderen Fällen werden externe Expertinnen und Experten zu einem Thema eingeladen, um zu ermöglichen, dass die schülereigenen Vorstellungen mit den tatsächlichen Gegebenheiten verglichen und – falls erforderlich – modifiziert werden können. Hier bieten sich lokale Persönlichkeiten oder auch Vereine an. Eine Expertenrunde kann sich auch aus Kollegium, älteren Klassen, Eltern oder Gästen verschiedenster Einrichtungen zusammensetzen. Im Notfall kann auch auf vertrauenswürdige Websites und E-mailkontakte zurückgegriffen werden.
Auch das Aufsuchen von Expertinnen und Experten im Sinne einer Exkursion bietet sich an. Als mögliche Ziele für Besuche eignen sich ortsansässige