Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule. Doris Kocher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Doris Kocher
Издательство: Bookwire
Серия: Studies in English Language Teaching /Augsburger Studien zur Englischdidaktik
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823301691
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150 Lehrkräften in Phranakhon durchgeführt. In den darauffolgenden Jahren wurde in Thailand ein Projekt (The Dawn Project) zur Umwelterziehung in Schulen und zur Entwicklung von Nachhaltigkeit in Kommunen entworfen und über 50.000 Lehrkräften, Studierenden, NGOs und weiteren Interessierten in Fortbildungskursen vermittelt. Darüber hinaus finden auf Initiative ehemaliger Jordanhill Alumni im Rahmen von Storyline Thailand Action Network for Integrating Learning (STANIL) Storyline-Kurse an der Universität Chulalongkorn statt, wo zwischenzeitlich auch einige Publikationen entstanden sind.22

       Singapur: Im Jahr 2001 beabsichtigte das Bildungsministerium, das Schulcurriculum zu einem verstärkt integrativen Konzept zu überarbeiten, und ein entsprechendes Projektteam sollte geeignete Maßnahmen entwickeln. Auf Initiative des besagten Projektteams führte Steve Bell mehrere Storyline-Kurse für Primar- und Sekundarlehrkräfte durch. Im gleichen Zeitraum gab er im Auftrag der Firma LEGO einen Kurs für Kindergartenerzieherinnen und -erzieher. 2005 fand in Singapur die 1st International Chinese Early Education Conference statt, bei der Bell einen Vortrag hielt. Darüber hinaus führte er Storyline-Kurse mit Erzieherinnen, Erziehern und Eltern durch. Im Jahr 2007 hat eine Delegation des National Institute of Education, Singapore zu Forschungszwecken Glasgow besucht.23

      Des Weiteren fanden im Rahmen von Studien zur Umwelterziehung in Jordanhill, Glasgow jahrelang Kurse für ausländische Gäste statt (Bell 2007). Auf diesem Weg fand Storyline Eingang in das Programm und wurde in Nepal im Bereich Gesundheitserziehung sowie in Pakistan, Brasilien, Sri Lanka, Goa und Thailand im Bereich Umweltschutz angewandt und verbreitet. Zudem wurde bzw. wird der Storyline-Ansatz auch in der Lehrerfortbildung in Botswana, Nigeria, Tansania und Kamerun sowie in der Fortbildung von Schulleitern bzw. -innen in Uganda eingesetzt. Neuerdings bestehen auch Kontakte mit Japan (Matsuyama) und Sibirien (Tomsk), wo derzeit erprobt wird, wie mit Hilfe von Storyline das fremdsprachliche Lernen an Hochschulen verbessert werden kann. Außerdem ist eine ehemalige Studentin aus einem meiner Storyline-Kurse im Jahr 2014 nach Südafrika umgesiedelt, wo sie im Schulunterricht bereits mehrere Storylines erfolgreich implementiert hat.24

       Deutschland: Die Entwicklung und Verbreitung des Storyline Approach in Deutschland ist bisher noch nicht systematisch erfasst worden, daher können nur einige Schwerpunkte genannt werden:25 In Hamburg und Schleswig-Holstein fand Storyline, initiiert durch Kontakte mit Glasgow und dem British Council, schon Ende der 1970er bzw. zu Beginn der 1980er Jahre Eingang in den muttersprachlichen, fächerübergreifenden Sachunterricht an Grundschulen (vgl. Kohls/Kohls 1994), durch Beate Grabbe-Letschert26 später auch punktuell in die Lehreraus- und -fortbildung und durch Ulf Schwänke in die Erwachsenenbildung an der Hamburger VHS sowie in die Fortbildung von Pflegekräften in Alters- und Pflegeheimen. Schwänke hat auch Praxismaterialien für die Grundschule entwickelt (vgl. Schwänke 2005). Auch heute noch werden in Schleswig-Holstein Prinzipien des Storyline-Konzepts insbesondere in den muttersprachlichen Grundschulunterricht integriert. Gisela Ehlers, lange im Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) in Kiel-Kronshagen tätig, hat sich auf den Fremdsprachenunterricht an der Grundschule spezialisiert und in diesem Zusammenhang auch Aspekte des Storyline-Modells berücksichtigt (vgl. Ehlers, Hrsg. 2006).Ebenfalls in den 1980er Jahren ist der Kontakt zwischen dem ehemaligen Jordanhill College, Glasgow und der Pädagogischen Hochschule Freiburg entstanden. Von Steve Bell und Klaus-Dieter Fehse, damals Professor in der Abteilung Englisch, wurde der Storyline Approach zu Beginn der 1990er Jahre in einem mehrtägigen Kurs innerhalb der Abteilung Englisch vorgestellt. Als Teilnehmerin des Kurses war ich überzeugt von dem Potenzial des Ansatzes für das Fremdsprachenlernen und begann das Storyline-Modell im Rahmen meiner Tätigkeit an der Pädagogischen Hochschule Freiburg näher zu erproben und auf den fremdsprachlichen Kontext zu übertragen. Mehrere Forschungsprojekte gingen der Frage nach, wie das ursprünglich für den muttersprachlichen Unterricht konzipierte Storyline-Modell für den Fremdsprachenunterricht in der Sekundarstufe adaptiert werden kann, um den Lernenden größere Freiräume für eine aktive und kreative Mitgestaltung ihrer Lernumgebung sowie mehr Autonomie für die Wahl ihrer individuellen Lernwege, Lernprozesse und Lernmethoden zu verschaffen.Im Herbst 2010 fand das 17th Golden Circle Seminar in Freiburg und somit zum ersten Mal in Süddeutschland statt. Anvisiert wird derzeit auch ein Silver Circle Germany, um sich über Storyline-Erfahrungen in Deutschland auszutauschen und sich intensiver zu vernetzen.Was die Verbreitung des Storyline-Modells an deutschen Schulen und speziell im Fremdsprachenunterricht betrifft, liegen bisher keine konkreten Daten vor (vgl. auch Kapitel 9.3.3). Fest steht allerdings, dass immer wieder Anfragen bzw. Rückmeldungen aus dem In- und Ausland bei mir eintreffen und beispielsweise auch ehemalige Studierende ihr Wissen und Können an ihr Kollegium in Grund-, Haupt- und Realschulen weitergeben. Zum anderen wird das Storyline-Modell auch in Abschlussarbeiten und Prüfungen (1. und 2. Phase) als konkretes Beispiel für themen- und projektorientiertes Lernen herangezogen und erprobt. Von einer Realschule in Baden-Württemberg ist bekannt, dass sie den Storyline Approach als Profil in ihr Schulcurriculum aufgenommen hat und somit alle Lehrkräfte Storyline-Projekte im Englischunterricht durchführen. Hierbei handelt es sich natürlich um einen – wenn auch sehr erfreulichen – Einzelfall.

      2.3 Grundlegende Prinzipien und Merkmale des Storyline Approach

      2.3.1 Einleitung

      Good structures bring freedom (Bell 2007, 30)

      Um Missverständnissen vorzubeugen, sei vorweg erwähnt, dass es sich bei Storyline keinesfalls um eine Methode des storytelling handelt, sondern vielmehr um ein flexibles und vielseitiges Modell für kooperatives und kollaboratives storymaking. Nachfolgend werden zunächst einige der wichtigsten Prinzipien und charakteristischen Merkmale des Storyline-Ansatzes erläutert und mit konkreten Beispielen versehen, so dass der Unterschied zu anderen Lernkonzepten, die hier jedoch nicht explizit vorgestellt werden können, offensichtlich wird.1

      2.3.2 Prinzipien: Das Storyline-Konzept

      Storyline ist ein narrativer Ansatz und entspricht dem Projekttyp Simulationen. Es ist – im Unterschied zum traditionellen, nach Fächern aufgeteilten Unterricht – ein integratives Modell, das themenzentriertes und fächerübergreifendes, kooperatives und eigenverantwortliches, differenzierendes und ganzheitliches, aufgabenbasiertes und problemorientiertes Lernen zum Ziel hat, um vorweg nur einige Schlagwörter zu nennen. Während im regulären fächerübergreifenden Unterricht ein Thema immer wieder aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und bearbeitet wird, jedoch im Hinblick auf den thematischen und inhaltlichen Ablauf keine zwingende Reihenfolge festgelegt ist, bedeutet das Unterrichten nach dem Storyline Approach, dass die Lehrkraft in Anlehnung an den Bildungsplan – möglichst gemeinsam mit der Klasse – ein Thema auswählt und dieses so strukturiert, dass sich daraus eine zusammenhängende Geschichte (also eine story line) mit einzelnen Episoden entwickeln lässt, anhand der sich in vielfältigen Lernarrangements verschiedene Kenntnisse erwerben und eine Vielzahl an Fertigkeiten, Kulturtechniken und Kompetenzen entwickeln oder üben lassen.

       Abb. 1:

      Ablauf des regulären fächerübergreifenden Unterrichts (links) und des Storyline-Unterrichts (rechts) (Barr 1986, 14)

      Initiiert durch Impulse und Fragen, so genannte key questions, wird dieses grobe Gerüst später von den Schülerinnen und Schülern individuell und kollaborativ mit Inhalten gefüllt: “The teacher is in control but the pupils feel that this is their story. It is truly a partnership. The teacher is interested in motivating the pupils to use language in a wide variety of forms. The pupils want to participate because they are listening, talking, reading and writing about their own creations“ (Bell 1995a, 8). Ein Storyline-Projekt ist somit sowohl klar konzipiert und strukturiert, was seine Abfolge und Zielsetzungen anbelangt, als auch relativ offen, was seine jeweilige inhaltliche Ausgestaltung betrifft:

      In Storyline the story is developed as a