Folglich redete der Vikar, nach der populationistischen Konjunktur, mit seiner Zuschrift also wieder einer dezidiert disziplinarischen Ehepolitik das Wort, der es um die Verknappung der Eheschließungen und die Stärkung patriarchaler Macht ging. Dagegen tadelte er den in seinen Augen in der zeitgenössischen Ehepolitik nach wie vor beobachtbaren „zu starken Einfluß“ des populationistisch-merkantilistischen „Bevölkerungsgrundsaz“, der seiner Ansicht nach nichts anderes besagte, als „dass die Vermehrung des Volks, besonders der Armen, ohne Einschränkung zu begünstigen seye“.18
Bezogen auf die Normen und bevölkerungspolitischen Debatten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lässt sich also abschließend sagen: Während man sich in den 1760er Jahren in den Reihen der Oekonomischen Gesellschaft von Bern vor einer Entvölkerung fürchtete und daher die Lösung staats- und wirtschaftspolitischer Herausforderungen, die unentwirrbar zusammengedacht wurden, in der Peuplierung der Landschaft erspähte, kippte der Diskurs gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Bern allmählich ins Gegenteil. Sowohl die 1787 revidierte Ehegesetzordnung als auch Gruners exemplarische Preisschrift verraten, dass man die Bevölkerungsvermehrung zunehmend als Ursprung allen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und moralischen Übels sah. Beiden Diskurspositionen war bei aller Widersprüchlichkeit allerdings gemein, dass wirtschafts- und staatspolitische Fragen fortan über die Steuerung der Bevölkerung gelöst werden sollten und die Ehepolitik dabei die Rolle eines Scharniers in der Herrschaftspolitik einnahm. Das zentrale politische Handlungsmotiv bildete die Sorge um die Bevölkerung. Die skizzierten Positionen innerhalb dieses biopolitischen Diskurses werden weiter unten in Bezug auf die Urteilssprechung im Oberchorgericht erneut in Betracht gezogen.
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