Eine Textzeile von dir geht: »23, mal langsam Zeit, erwachsen zu werden, doch ich hab immer noch nicht viel übrig für die Machenschaften der Erde.« Was denn für Machenschaften?
Die üblichen Machenschaften, die ab einem gewissen Alter von dir erwartet werden: Familie, Kinder, Job, schöner Garten, sich in die Gesellschaft nahtlos einfügen. Zusammengefasst bin ich theoretisch alt genug, um erwachsen zu sein, aber ich hab ehrlich gesagt keinen Bock, mir das Korsett des Erwachsenseins überstülpen zu lassen.
Es wäre gut, wenn die Musik jeder oder jedem Einzelnen hilft, seinen oder ihren Weg zu finden.
Ich hab ehrlich gesagt keinen Bock, mir das Korsett des Erwachsenseins überstülpen zu lassen.
Gibts außer Rap noch ein anderes Medium in deinem Leben, das man als politische Ausdrucksform von dir bezeichnen könnte?
Ich schreibe gerade Gedichte, das macht übelst Bock. Was ich denk, bring ich auf Papier, und dann bastele ich aus dem Schub, der da aus mir rausgekommen ist, ein Gedicht … allerdings ohne Reimform, ohne Formzwang. Ich sehe da einen Sinn drin, das ist eine Beschäftigung, die mir Spaß macht. Und vielleicht können die wenigen Leute, die das lesen, etwas herausziehen und sich im besten Fall ein Stück weit in den Gedichten wiederfinden.
Was hältst du davon, dich in Parteipolitik zu engagieren, um so deinen Gedanken Luft zu machen?
Ich folge da Winston Churchill, der meinte, dass Demokratie die schlechteste aller Staatsformen ist, abgesehen von allen anderen, die bisher ausprobiert worden sind. Demokratie hält das Land zusammen, aber ganz optimal ist das alles nicht. Eine größere Wirtschaftskrise, und das Ganze gerät ins Wanken. Wir können halbwegs in Frieden leben, Kunst machen, und bis es was Besseres gibt, ist die liberale Demokratie der Status Quo, den wir eben haben. Für mich wäre Parteipolitik aber nichts Ewiges, dann müssten die Debatten schon in Rap-Battles ausgetragen werden. [lacht]
»Es ist wichtig, dass man sich für sich und seine Weltvorstellung einsetzt, obwohl es vielleicht gegen den Strich von anderen läuft«
Lorena (17)
Schülerin eines Gymnasiums, spielt Theater in einem Spielclub des Jungen Ensembles Stuttgart
Lorena, du bist im Spielclub JES Open 1 des Jungen Ensembles Stuttgart. Wie bist du eigentlich dazu gekommen?
Ich komme eigentlich aus Schwäbisch Hall, spiele, seit ich zwölf bin, Theater und habe das Glück, dass meine Tante in Stuttgart wohnt. Ich hatte auch mal Lust, ein bisschen weiter rauszukommen mit dem Theater, habe nach einem Spielclub in Stuttgart geschaut und bin auf das JES gestoßen. Dort habe ich mich beworben und wurde glücklicherweise genommen.
Welche Art von Theater spielt ihr denn in Schwäbisch Hall?
Da gibt es die Freilichtspiele, und die letzten Stücke, bei denen ich vom Jugendensemble aus mitgemacht habe, waren Stückentwicklungen zu Faust, über das Thema Liebe und was mein Herz begehrt. In der jetzigen Produktion, die wir leider aufgrund Corona nicht aufführen können, hätten wir Homo empathicus gespielt. Das ist ein Stück, in dem die Geschlechter privat sind, wo alle vegan leben und so. Das ist auf eine leichte Art politisch.
Das Theaterstück, bei dem du jetzt in Stuttgart mitspielst, trägt den Titel Deutschland, meine Hood. Das hört sich für mich auch politisch an …
In dem Stück geht es um Nachbarschaft, aber auch über Deutschland, und es wird unter anderem spielerisch mit Klischees umgegangen. Beispielsweise gibt es eine Szene, da stellen wir Autofahren dar, indem wir in Einkaufswägen sitzen und rasen. Einer kommt dann mitten in die Szene rein und sagt: »Ich habe mein Deutschland verloren.« Das bringt das Ganze auf eine ganz andere Ebene, weil man sich dann ja fragt: »Was bedeutet es eigentlich, deutsch zu sein? Wie lebt man das aus? Und ist das überhaupt was Großes?«
Gibt es die Frage »Was ist eigentlich Deutschland?« auch in deinem Alltag? Meinst du, andere Jugendliche stellen sich diese Frage, was Deutschland für sie ist?
Darüber habe ich tatsächlich vor dem Theaterstück noch gar nicht nachgedacht. Für mich war das was Normales, deutsch zu sein. Wenn ich in Frankreich war, haben die Franzosen immer gesagt, sie sind Franzosen, und haben dabei gelächelt über das ganze Gesicht. Ich habe gesagt, ich bin Deutsche, und das war dann halt so, aber ich habe nicht über das gesamte Gesicht gelächelt. Ich war nicht besonders stolz drauf. Aber ich habe jetzt für mich gefunden, dass man trotzdem stolz drauf sein kann, weil Deutschland ein tolles Land ist, abgesehen von der Geschichte, die andere Länder in gewisser Weise ja auch haben, auf die eben nur der Fokus nicht so groß gerichtet ist. Ich glaube, ehrlich gesagt, dass sich meine Freunde oder die Menschen in meinem Umfeld das gar nicht so oft fragen.
Konntet ihr eure Ideen in das Theaterstück miteinbringen?
Ja, total. Das Thema wurde zwar von den Leitern vorgegeben, aber wir haben auch eigene Texte geschrieben und danach über das diskutiert, was wir produziert bzw. kreiert haben.
Das Theaterstück spielt ihr ja mit anderen Spielclubs zusammen, unter anderem dem Club Kultür mit Spieler*innen türkischer Herkunft. Wie findest du die Zusammenarbeit?
Superspannend, denn sie leben ja auch in Deutschland, haben aber eine andere Kultur dahinter. Ich finde das auch total spannend, wie sie mit der Sprache jongliert haben. Weil sie manche Szenen auf Deutsch–Türkisch spielen, also beide Sprachen benutzen, man aber nicht das Gefühl hat, dass man die Szene nicht versteht, weil sie gerade Türkisch sprechen und ich kein Türkisch kann. Sie haben so jongliert, dass man sie auf beiden Sprachen verstehen kann, auch wenn man nur eine Sprache davon spricht. Auch ihre Sichtweise war was Neues, Interessantes.
»Was bedeutet es eigentlich, deutsch zu sein? Wie lebt man das aus? Und ist das überhaupt was Großes?«
Wenn du mal über euer Thema nachdenkst, gibt es da was, das du als was Politisches bezeichnen würdest?
Ich glaube schon, dass Theater politisch ist, aber es kommt natürlich drauf an, was für Theater gespielt wird. Es gibt ja auch unterhaltsames Theater, das eher nicht so politisch ist. Aber das klassische, konventionelle Theater ist ganz oft dafür da, Denkstöße an die Zuschauer zu liefern, die man davor vielleicht nicht hatte, weil man ja mit Theater die Sachen ganz anders darstellen kann. Da legt man mal Gefühle offen, was man im Alltag vielleicht nicht so machen würde, weil man Angst hat, verletzt zu werden, wenn man sich so verletzlich zeigt. Im Theater kann man sich hinter der Rolle verstecken oder auch ganz andere Sichtweisen darstellen. Z. B. war ich in einem Theaterstück, da wurde Faust gespielt. Da gibt es ja die Szene, wo Mephisto und Faust den Vertrag machen. Da haben sie auf Putin angespielt, das fand ich ganz spannend. Es hat mich dazu angeregt, ein bisschen mehr darüber zu recherchieren und mich in der Sache schlau zu machen. Das hat ja dann auch wieder politische Auswirkungen.
Aber das klassische, konventionelle Theater ist ganz oft dafür da, Denkstöße an die Zuschauer zu liefern, die man davor vielleicht nicht hatte.
Würdest du anderen Jugendlichen empfehlen, Theater zu spielen, vielleicht auch, um sich so mit Politischem auseinanderzusetzen?
Ich würde jedem Menschen empfehlen, Theater zu spielen. Das ist einfach eine Chance, sich selbst besser kennenzulernen und sich klar zu werden, was man eigentlich denkt. Ich glaube, dass es ganz viel mit der Persönlichkeit macht, wenn man Theater spielt, und dass es bestimmt auch politisch hilfreich ist. Ich hätte mich nie gefragt, wie