Wie hast du dir dann Informationen beschafft?
Über linke Foren, also Homepages, wo man sich informieren konnte. Und die Bands haben damals ihre Homepage auch ganz aktuell gehalten, z. B. ZSK oder Antiflag, ’ne amerikanische Band. Oder einfach ganz normal Nachrichten gucken, Zeitung lesen, was heute ja nicht mehr so nötig ist. Klar schaut man auch mal Nachrichten, liest auch mal ’ne Zeitung, aber damals war die Informationsbeschaffung doch recht schwierig.
Woher holst du dir deine Informationen heute?
Über die normalen Medien, was so in den Nachrichten läuft, und auch online. Obwohl man da aufpassen muss mit den Fake News, man muss halt so viel Hirn haben, um zu raffen, was Fake ist und was nicht, denn von beiden Seiten gibts die Fake News. Von den Rechten mehr als von den Linken, aber da muss man schon differenzieren. Manche Meldungen muss man einfach nachprüfen.
Auf welchen Seiten bist du dann meistens unterwegs?
Bis vor Kurzem auf Linksunten, Indymedia, das ist ’ne Homepage gewesen, die lahmgelegt wurde vom Bund, weil sich dort linksradikales Gedankengut vernetzt hat, wo auch viel Illegales ablief. Das stimmt auch. Da waren mal Adressen von AfD- und NPD-Politikern zu lesen oder von stadtbekannten Dorfnazis in Stuttgart oder von Reichsbürgern. Das ist etwas, das ich überhaupt nicht unterstütze, denn dadurch wird die gesamte Sache in den Dreck gezogen. Und sonst viel über Facebook, über Gruppen. Man bekommt viel zugeschickt. So ’ne konkrete Infoquelle hab ich nicht. Ich bin in einer Gruppe von Oxfam, das ist ’ne Menschenrechtsorganisation, bei der die deutsche Leiterin recht viel postet. Das ist auch politisches Zeug, wie jetzt z. B. mit der Flüchtlingskatastrophe an der türkisch-griechischen Grenze, was da abgeht. Das ist meistens Spiegel Online. Klar, wie seriös der Spiegel ist, sei mal dahingestellt, aber von dem, was in so ’ner Menschenrechtsorganisationsgruppe gepostet wird, kann man schon ausgehen, dass der Wahrheitsgehalt recht hoch ist. Oder man bekommt mal da, mal da ’nen Link zugeschickt.
Liest du mehr oder setzt du auch selbst politische Beiträge rein?
Eigentlich les ich nur, weil reinsetzen ist mir zu stressig. Da bin ich schon eher geneigt, ’ne wissenschaftliche Arbeit draus zu machen mit Quellen und so …
Obwohl man da aufpassen muss mit den Fake News, man muss halt so viel Hirn haben, um zu raffen, was Fake ist und was nicht.
Bist du denn irgendwo politisch aktiv?
Klar geh ich auf Demos, wenn es zeitlich reinhaut. Ich muss ja auch arbeiten, und jetzt wohn ich doch relativ weit außerhalb von Stuttgart, aber wenns zeitlich reingehauen hat, war ich regelmäßig auf Demos gegen rechts. Z. B. gegen die AfD war ich sehr oft dabei, bei »Wir sind mehr« in Chemnitz war ich dabei, ich wollte eigentlich auf die große Demonstration und auf das Konzert, das da war, aber ich war dann nur auf dem Konzert, weil ich arbeiten musste und keinen Urlaub bekommen hab. Meine letzte Demo war die Fridays-for-Future-Demo in Stuttgart. Aber sonst reicht mir die Zeit oft nicht. Klar sind das auch Ausreden, aber man weiß auch, dass die Stuttgarter Polizei nicht gerade die netteste ist.
Und denkst du, du wirst dich auch weiterhin politisch engagieren?
Auf jeden Fall, ja. Na ja, wenn man im sozialen Bereich arbeitet, muss man sehr aufpassen mit dem Führungszeugnis, dass da kein Scheiß drinsteht. Deswegen halt ich mich von dem Schwarzen Block und Antifa-Kiddis lieber fern, weil die doch sehr auf Krawalle aus sind. Ich war da auch früher dabei, keine Frage, aber die sind die, die auf Demos am meisten Stress machen. Da steh ich lieber ein bisschen abseits oder bei anderen Leuten, die nicht so auf Krawall gebürstet sind. Weil: Sobald der Schwarze Block aufmarschiert, ist die Polizei auch unentspannter.
Das aktuelle Politikgeschehen kann man nur mit zwei Sachen aushalten, mit Satire und mit Alkohol.
Hast du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, in eine Partei einzutreten?
Ja, und ich wurde schon gefragt, ob ich der SPD beitreten will, weil mein Stiefvater ein SPD-Gemeinderat ist. Und ich so: »Nee, ich will keiner Partei beitreten«, weil an jeder Partei gibts was auszusetzen. Ob es die CDU ist, die ich grundsätzlich ablehn, weil es für mich ein NSDAP-Aussteigerprogramm ist, oder vor allem in den 40er- und 50er-Jahren war das ein NSDAP-Aussteigerprogramm, und die hat das nie aufgearbeitet in ihrer Geschichte. FDP, na ja, das ist eigentlich dasselbe nur in Gelb. Ob die SPD Sozialpolitik macht, ist auch so ’ne Frage, weil sie letztlich Politik machen für irgendwelche dahergelaufenen Honks, deswegen scheidet die SPD auch aus. Grüne ist für mich ein Kasperleverein, der sich überhaupt nicht selbst treu bleibt, sondern einfach seine Ideale verkauft. Die Linke hat die SED-Vergangenheit, die sie auch nicht wirklich aufarbeiten – wollen, sorry. Ja, und sonst gibts halt so kleine Splitterparteien.
An jeder Partei gibts was auszusetzen.
Die PARTEI ist ’ne Satirepartei, da könnte ich mir noch eher vorstellen beizutreten. Denn deren Wahlspruch ist: Das aktuelle Politikgeschehen kann man nur mit zwei Sachen aushalten, mit Satire und mit Alkohol. Da haben sie nicht unrecht. Ich war mal bei ’nem Landesparteitag dabei, und das war schon sehr amüsant. Das war zwar eher wie ’ne Comedy-Veranstaltung, hatte nichts mit seriöser Politik zu tun, aber sie haben immer sehr humorvolle Aktionen in Baden-Württemberg und im Rest vom Land. Als die Europawahl war, bei der zwei Parteimitglieder reingekommen sind, gabs ’ne Wahlparty um 18 Uhr, nachdem die Wahllokale geschlossen haben, wo Bier getrunken wurde und man versucht hat, dass jeder auf die Promillezahl des Wahlergebnisses im Wahlbezirk kommt. Also die machen sehr viel mit Humor. Klar, die kann man jetzt nicht für ernsthafte Dinge halten, außer im Europaparlament, wo der Martin Sonneborn drinsitzt und der Nico Semsrott, zwei Satiriker. Die setzen sich dann doch mehr für seriöse Politik ein, na gut, ob Europa jetzt seriöse Politik macht … und sind dann eher liberal, zwischen SPD und Grünen. Sie setzen sich sehr für die Interessen der meisten jungen Wähler ein. Diejenigen, die Die PARTEI wählen, sind meistens keine Ü40 oder Ü35. Aber es sind fast alles Protestwähler, die keinen Bock haben, die normalen Parteien zu wählen, und bevor sie ihre Stimme verfallen lassen, geben sie sie der Partei Die PARTEI.
Was würdest du anderen Leuten sagen, weshalb es sich lohnt, politisch interessiert und/ oder engagiert zu sein?
Sich zu interessieren ist leichter jemandem zu sagen, als dass man sich politisch engagieren soll. Politik geht uns alle was an, vor allem die jungen Leute, denn das ist, ganz plakativ gesagt, das, was in Berlin über unsere Zukunft entschieden wird. Ob es das Klimapaket ist, ob es vielleicht mal wieder eine Grundgesetzänderung gibt, was jetzt bestimmt kommt wegen Corona, das ist ja schon in der Diskussion … oder mit der Rente. Das ist das, was unsere Generation jetzt machen muss: Sie muss sich dafür interessieren, dass wir möglichst noch ’ne Rente haben, von der man leben kann. Wir müssen dafür sorgen, dass das Rentenalter nicht hochgesetzt wird. Ich kenn viele Pfleger oder Leute, die im sozialen Bereich im Wohnheim arbeiten, die können nicht bis 70 arbeiten, das schaffen die jetzt schon kaum und arbeiten sich kaputt. Deswegen sollte man sich für Politik interessieren, um zu wissen, was passiert, weil im Nachhinein zu sagen: »Öh, scheiß Politiker, öh«, ist zu spät, und man kann dann den Großteil eh nicht mehr rückgängig machen. Man muss sich schon im Klaren sein, wen man nach Berlin schickt oder in den Landtag.
Und das Engagieren?
Das ist die Frage: Ist es schon engagieren, wenn ich ins Wahllokal geh und meine Stimme einer Partei gebe? Oder ist politisch engagieren, wenn ich auf die Königstraße geh und für die Aufnahme von geflüchteten Menschen demonstriere? Das ist halt ein Riesenspektrum. Oder ob ich mit ’ner Non-Profit-Organisation durchs Land fahr und Unterschriften dafür sammle, dass Discounter keine giftigen Pestizide mehr verwenden dürfen? Jeder muss wissen, was er tut, aber ich sag zu jedem: »Egal, was du tust, tu einfach was! Und wenn es nur ist, alle vier Jahre mal zur Wahl zu gehen. Das ist auch schon zur Politik beitragen und sich politisch