»Egal, was du tust, tu einfach was! Und wenn es nur ist, alle vier Jahre mal zur Wahl zu gehen.
Welchen Nutzen siehst du ganz persönlich für dich darin?
Das politische Engagieren macht Spaß. Man lernt jede Menge netter Leute kennen und merkt sehr, wie der Zusammenhalt ist, der Zusammenhalt in der politischen Szene. Ich hab es in Chemnitz gemerkt, wie schnell sich die Leute da vernetzt haben, dass der eine mit dem anderen hin ist und der eine den anderen bei sich hat unterkommen lassen. Ich hab auch bei ’ner Freundin gepennt, die ich bei den Toten Hosen kennengelernt hab. Zu der hatte ich vier, fünf Jahre keinen Kontakt, die hab ich angeschrieben, und sie meinte: »Komm, bring zwei, drei Leute mit! Wir geben euch einen Schlafplatz!« Es macht einfach ein gutes Gefühl, sich politisch zu engagieren. Und es macht auch irgendwie Spaß, auch wenn es nicht wirklich Spaß macht, wenn es 0°C hat und man auf ’ner Demo rumläuft, um für ’ne grünere Zukunft zu demonstrieren. Ist trotzdem ’ne gute Sache.
Wenn du mal an die Zukunft denkst: Was müsste auf jeden Fall passieren, dass sich was zum Positiven verändert?
AfD unter 5 %! Nee, ich glaub das ist nicht realisierbar in nächster Zeit. Weil es da zu viele Zwischenfälle gab in den letzten Jahren in der Politik. Kommunal kann ich nur von meinem Ort reden, da funktioniert die Kommunalpolitik recht gut. Da gibts nix zu verändern. Außer, dass vielleicht mal junge Leute rein sollten. Oder allgemein, dass junge Leute sich mehr für Politik engagieren und mehr ernst genommen werden, wenn sich ein junger Kandidat aufstellen lässt. Man muss nur mal in den Bundestag schauen. Der Einzige, der da wahrscheinlich unter 30 ist, ist Philipp Amthor, und [lacht] ich glaub, der ist eigentlich 60 im Körper eines 27-Jährigen. Ich find ihn aber trotzdem noch mega sympathisch, weil er einfach noch recht jung ist, und so brauchts einfach noch mehr Leute. Also nicht so Philipp-Amthor-mäßig, [lacht] der irgendwie doch nicht ernst zu nehmen ist, aber es braucht jüngere Leute. Dadurch wird auch das politische Interesse der jüngeren Leute eher kommen, als wenn irgendwelche Omas und Opas im Bundestag oder im Landtag sitzen. Mein kleiner Bruder kennt nur Angela Merkel als Bundeskanzlerin. Ich kannte noch Gerhard Schröder. Es muss sich einfach vom Alter her mal vieles ändern und dass sich nicht nur für irgendwelche Konzerne eingesetzt wird.
Die ganzen Rechtsidioten, Rechtspopulisten, Rechtsradikale sind einfach nicht die Hellsten.
Und in der Welt überhaupt?
Global gesehen müssten die Populisten zurückgedrängt werden, egal von welcher Partei die kommen, denn man siehts jetzt gerad in Brasilien: Der Rechtspopulist Bolsonaro, der da an der Macht ist, hat gesagt: »Corona existiert nicht«, und kurze Zeit später hatte er selber Corona. Oder Trump, der behauptet hat, das Virus sei nichts, aber urplötzlich heißt es jetzt: »USA, USA, wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt und die besten Tests der Welt.« Da denkst du dir einfach: Die ganzen Rechtsidioten, Rechtspopulisten, Rechtsradikale sind einfach nicht die Hellsten. Wichtig ist mir, dass die einfach wegkommen. Egal ob es Erdogan, Putin, Trump oder Bolsonaro ist, dass sich, ähnlich wie für Deutschland, junge alternativere Leute aufstellen lassen und versuchen, an die Macht zu kommen. Vielleicht auch mal ’ne Frau, wie in Finnland, wo das Parlament ’ne recht junge Präsidentin hat. Und dass junge motivierte Leute auch mal ernst genommen werden. An Fridays for Future gerichtet hat Lindner gesagt, man solle die Politik den Profis überlassen. Da sieht man einfach, wie wenig ernst die jungen Leute genommen werden. Aber es ist ja die Zukunft der jungen Leute, die da gerad plattgemacht wird.
»Der Steppenwolf ist eine schöne Beschreibung der Zerrissenheit des modernen Menschen«
Jan (25)
Künstlername Steppenwolf, studiert Soziale Arbeit und schreibt Rap-Texte
Jan, du bist letztes Jahr in Vaihingen an der Enz in einem Jugendzentrum bei einer Benefizveranstaltung aufgetreten. Kannst du was darüber erzählen, wie das zustande gekommen ist?
Meine Kommilitonin Helene arbeitet dort im Jugendhaus, und wir beide sind auf die Idee gekommen, das Konzert zu organisieren. Hip-Hop ist dort ein großes Thema, und vor mir ist noch ein weiterer Act, Eddi, der aus Vaihingen selbst kommt, und eine Tanzgruppe aus dem Jugendhaus aufgetreten. Wir wollten die Gage einem guten Zweck zukommen lassen. Ich habe in Paternoster, einem südafrikanischen Fischerdörfchen in der Nähe von Kapstadt, drei Monate lang von meinem Studium aus ein Praktikum absolviert, und daher lag es nahe, diesem wunderbaren Dörfchen den Erlös zukommen zu lassen. Die Leute dort haben bisher vom Fischfang gelebt, aber weil die Meere überfischt sind, wird ihnen Schritt für Schritt die wichtigste Einkommensquelle entzogen. Deshalb ist die Idee, den Leuten und Kindern dort zu helfen und eine Zukunftsperspektive zu bieten. Es werden Workshops im Kidshouse angeboten, beispielsweise Sport, Gärtnern oder Lesen und Schreiben. Da kommen die Kinder nach Schulende hin und können mitmachen. Alle drei Monate wechseln dann die Volontär*innen, die das Projekt begleiten.
Als du aus Südafrika zurückgekommen bist, warst du ein bisschen ein anderer Mensch. Welche Erfahrungen hast du dort gemacht, dass es dir wichtig war, bei dieser Veranstaltung dabei zu sein?
Das stimmt. Die Kids und auch die Kolleg*innen dort hatten echt einen großen Einfluss. Im Vergleich zu den Kindern hier in Deutschland waren die Kids dort viel wilder, lebensfroher und natürlicher. In Paternoster war der Community-Gedanke sehr ausgeprägt: Du kriegst was, gibst aber auch was zurück. Eine materielle Kleinigkeit zurückzugeben, war somit eine Herzensangelegenheit. Wenn im Ort ein Fischer auf dem Meer stirbt, versammelt sich das ganze Dorf und fackelt riesige Feuer ab. Die Menschen dort im afrikanischen Dorf sind uns menschlich betrachtet teilweise weit voraus, und trotzdem geht es vielen materiell schlecht.
Die Menschen dort im afrikanischen Dorf sind uns menschlich betrachtet teilweise weit voraus, und trotzdem geht es vielen materiell schlecht.
Was passiert dort mit dem Geld?
Eine Hauptaufgabe während meines Praktikums dort war Mobile Jugendarbeit. Ich war zuständig für die sogenannten Troublemakers. Es war schon teilweise kritisch, dass wir überhaupt irgendwas anbieten konnten. Da wurde oft gestört, die haben manchmal echt richtig fett Scheiße gebaut und sich massiv geprügelt. War schon schwierig. Die Gage wird dafür verwendet, dass die Troublemakers miteinbezogen werden können. Die waren sehr begeistert von Rap und Graffiti, und die Idee war, dass aus Kapstadt Künstler kommen und sich ein Angebot entwickelt, dass sich an ihren Interessen orientiert.
Apropos finanzielle Schwierigkeiten. Dein zweites Tape heißt Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Was drückt der Titel genau aus?
Das Leben ist ja ganz angenehm, aber eigentlich macht man jeden Tag nur einen monotonen Scheiß. Man kann sichs eigentlich ganz nett machen, aber das alltägliche Leben kann einen manchmal ziemlich frusten. Irgendwie steht immer das Materielle im Mittelpunkt. Das ist die Ideologie, die hinter der Wirtschaftsordnung steht: Immer mehr, mehr, mehr, besser und besser. Das ist ein Grundübel unserer Gesellschaft.
Immer mehr, mehr, mehr, besser und besser. Das ist ein Grundübel unserer Gesellschaft.
In einem anderen Track geht es um eine ähnliche Thematik. Eine Zeile geht: »Raubtierkapitalisten vergiften demokratische Prozesse, Geld schafft Gesetze, der Fiskus unterworfen mit der Globalisierung, die letzte Stimme des Volkes gestorben.« Wen meinst du mit Raubtierkapitalisten?
Große multinationale Firmen, die dafür sorgen, dass kleine Firmen keine Chance mehr haben, bzw. Personen, die hinter den Firmen stehen und kein anderes Interesse haben, als möglichst viel Profit rauszuholen, und dabei alle Folgen außer Acht lassen. Das kann man in allen Bereichen beobachten. Da findet eine problematische Entwicklung statt: Die Konzerne werden immer größer, schlucken