Mit Kommissarin Minou ist jederzeit zu rechnen. Helene Kneip. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helene Kneip
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961361250
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Rucksack gelegt. Kleiner Katzenscherz am Rande.

      Nur zögernd näherte ich mich Sophia. Ein solches Geschenk hätte es wirklich nicht gebraucht. So etwas tangiert meine Katzenfreiheit. Was heißt: tangiert? Schränkt meine Freiheit voll ein. Nichts mehr mit Liberté, Captivité war anscheinend angesagt. Sollte das etwa der Niedergang zur Hauskatze bedeuten? Mir wurde ganz schummerig. Offensichtlich war die Digitalisierung nicht mehr aufzuhalten und machte auch vor Katzen nicht Halt.

      „Nun komm schon, Minou. Das Band wird dir ganz toll stehen.“ So versuchte Sophia, mich zu einer schnelleren Gangart zu motivieren. Ich war hin- und hergerissen. Ich wollte Sophia auf keinen Fall beleidigen, aber es gibt schließlich auch bei Katzen so etwas wie Stolz. Oder erst recht bei Katzen, wenn ich richtig nachdenke.

      „Nun komm schon, Minou, lass dich ein wenig aufhübschen. Es wird dir sehr gut stehen, es passt so herrlich zu deinen Augen“, gab Johann einen mehr als verzichtbaren Kommentar von sich. Er war auf dem Wege, es sich mit mir total zu verscherzen.

      Seit wann hatte ich rote Augen? Johann war wohl nicht nur sehr schnell außer Puste, sondern auch noch farbenblind. Arme Sophia. Sie hatte etwas Besseres verdient. Auf keinen Fall einen solchen untrainierten Spinner.

      Und von wegen: sehr gut stehen. Das einzige, was nun stand, waren meine Rückenhaare. Dennoch näherte ich mich Sophia, wenn auch nur widerwillig. Und schon hatte sie das grellrote Band um meinen Hals geschlungen. Ich zwang mich zur äußersten Ruhe. Sophia war gerade erst heimgekommen und ich wollte sie nicht enttäuschen.

      Disziplin, Disziplin oder Contenance, wie katze so sagt. Das war nun angesagt. Mir würde es schon gelingen, das Band bei der nächstbesten Gelegenheit abzustreifen. Ich konnte mich ja nicht zur Lachnummer im Revier machen lassen. Und dann noch mit Sensor. Das ging gar nicht.

      Ich war mir sicher, dass ich das schaffen würde, zumal ich mich auch von den drei Flohbändern, die mir das alte Ehepaar, das mich Laila nennt, aufgebürdet hatte, erfolgreich befreit hatte. Nicht zu vergessen das gelbe Band, das, wie die Familie, die mich Katze nennt, fand, so gut zu meinen Augen passt und mit einem kleinen Herztäschchen mit 50 Cent und der Telefonnummer der Familie versehen war.

      „Damit man uns Bescheid gibt, wenn dir etwas passiert“, hatte die Frau gesagt, als sie es mir von ihrem Mann um den Hals legen ließ.

      Nett gemeint, vor allem das mit den Augen. Sie haben wirklich einen katzlichen Gelbton. Etwas völlig anderes war der Vergleich meiner Augen mit dem roten Band. Das war eine Unverschämtheit von Johann gewesen, wenn man es genau nimmt.

      Bei dem gelben Halsband hatte ich insgeheim das unangenehme Gefühl gehabt, dass im Vordergrund dieser Bemühungen stand, nicht unbedingt dann noch Aluschälchen auf Vorrat zu kaufen, wenn ich schon im Katzenhimmel bei der Großkatze weilte. Kurzum, ich hatte alle Bänder innerhalb kürzester Zeit verabschiedet. Und das würde mir auch jetzt sicherlich wieder gelingen.

      Gute Miene zum bösen Spiel machend, stolzierte ich zweimal auf der Terrasse auf und ab und miaute dabei herzergreifend. Es sollte stolz klingen, mein Miauen. Es sollte Sophia meine Freude über das Band demonstrieren. Das gelang mir leider nicht so richtig. Ich bin eben eine ehrliche Katzenhaut. Lügen fällt mir sehr schwer.

      „Du bist hungrig, nicht wahr?“, interpretierte Sophia mein misslungenes Miauen.

      So hatte ich es zwar ausnahmsweise einmal nicht gemeint, aber Sophia hatte trotzdem Recht. Ich war hungrig, hatte ich doch die Diebe durch die halbe Stadt verfolgt. Anders als der Sportstudent, wie ich noch einmal betonen möchte.

      Fix rannte Sophia die Kellertreppe runter und kam mit meinem Abendessen zurück. War das eine Freude. Rasch füllte sie meinen Napf und stellte ihn unter die Terrassenbank. Ich musste mich total zurückhalten, um ihr nicht das Essen schon aus den Händen zu schlingen, denn ich wollte auf keinen Fall verfressen erscheinen. Außerdem wollte ich keinen entsprechenden Kommentar von Johann hören. Ich haderte noch ein wenig mit ihm.

      Während ich mein Essen verschlang, allerdings, aus bekanntem Grund, mit einer gewissen vornehmen Zurückhaltung, packten die beiden den übrig gebliebenen Rucksack auf der Terrasse weiter aus. Es entstanden drei Haufen: Schmutzwäsche, Schuhe, Geschenke. Wie sich jeder vorstellen kann, hatten die Haufen unterschiedliche Größen. Welcher Haufen war wohl am kleinsten? Na ja, diese Frage erübrigt sich. Ich für meinen Teil hätte gerne auf das Geschenk verzichtet. Ich glaube, Johann hatte dies bemerkt. Geradezu hinterhältig schaute er ab und zu auf mich. Wenn sich unsere Blicke dann trafen, griff er mit der Hand an seinen Hals, als müsse er ersticken. So ein Blödmann. Wäre er nicht so gut im Streicheln, würde ich ihn sicher in Zukunft keines Blickes mehr würdigen.

      „Hast du Halsschmerzen, Johann?“, fragte Sophia Johann besorgt, als er zum vierten Mal diese unqualifizierte Handbewegung machte.

      „Nein, nein, alles gut, Sophia“, antwortete er knapp mit schrägem Seitenblick auf mich. Bösartigkeit funkelte in seinen sonst so treuen braunen Augen. Sollte ich mich so in ihm getäuscht haben? Auf jeden Fall unterließ er nun die dumme Bewegung. Ich sprang auf die Terrassenbank, legte meinen Kopf auf meine Vorderpfoten und beobachtete die beiden beim Auspacken.

      „Seid Ihr wieder da?“ Das war die Nachbarin, die das Haus gehütet hatte.

      „Hallo. Wir sind eben angekommen, das heißt: Johann und ich. Meine Eltern sind noch nicht da“, entgegnete Sophia.

      „Dann muss ich die Katze ja nicht mehr füttern.“ Ich hörte eine gewisse Dankbarkeit aus ihrer Stimme.

      „Ja, und vielen Dank für Ihre Mühe“, antwortete Sophia. „Minou sieht wohlgenährt aus.“ Sie erwähnte mit keinem Wort, dass Johann eben bestohlen worden waren. Das erstaunte mich.

      „Wann kommt denn Deine Tante zurück“, wollte die Nachbarin wissen.

      „Das weiß ich nicht so genau“, gab Sophia zurück. „Lange sind sie aber nicht mehr unterwegs. Die Schule beginnt doch bald wieder. Mein Vetter muss dann wieder ran.“

      „Ich bin froh, wenn alle wieder da sind. Die Ferienzeit lockt immer Einbrecher an. Letzte Woche noch wurde am Ende unserer Straße in das neue Haus am Tage eingebrochen. Den ganzen Schmuck der Frau haben die Diebe gestohlen“, beendete die Nachbarin schließlich das Gespräch. Wenn sie gewusst hätte, dass soeben schon wieder ein Diebstahl stattgefunden hatte, hätte sich die Nachbarin sicherlich sehr aufgeregt. Sophia und Johann reagierten auf die Aussage allerdings überhaupt nicht. Es war gerade so, als hätten sie den Rucksackdiebstahl vergessen.

       Ein unbekanntes Gepäckstück im Rucksack

      Abseits der drei Haufen lag eine kleine weiße Plastiktüte, die zu einem handgroßen Päckchen verschnürt war. Sophia schaute sich fragend um. Sie suchte wohl nach Johann, um in Erfahrung zu bringen, zu welchem Haufen sie das Päckchen legen sollte.

      „Das ist ja das Päckchen, das mir am Flughafen in Istanbul beim Umpacken schon aufgefallen ist. Ob Johann ein Geschenk für mich gekauft hat?“ Manchmal spricht Sophia mit sich selbst. Ob das daran liegt, dass sie ein Einzelkind ist, weiß ich nicht. Ich vermute es aber. Sie hat schon als Schulkind mit sich alleine Mutter und Kind gespielt. Sie war dann Vater, Mutter und Kind in einer Person. Für jede Person hatte sie eine eigene Stimme. Ich fand das immer sehr schön, wenn ihre Mutter das später wiederholt ihren Freundinnen erzählte. „Und nie hat sie sich mit den Stimmen vertan“, beendete sie stets die Geschichte voller Mutterstolz. Faszinierend, einfach katzlich.

      Johann war nicht mehr in der Nähe, sondern mal dahin gegangen, wo ich auch unbedingt hingehen musste. Also sprang ich runter von der Bank und meinem Beobachtungsposten, streckte mich und machte mich auf den Weg zu einem nicht einsehbaren Flecken. Noch mit einem Auge sah ich, dass Sophia das Päckchen aufhob und auf die Bank in meinem Esszimmer, auf der ich gerne raste, legte. Dann packte sie die Wäsche unter den Arm, sicher, um sie in die Waschmaschine zu stecken.

      Wir verloren uns vorerst aus den Augen. Ich musste nämlich unbedingt noch einmal mein Revier markieren, hatte ich morgens doch eine magere Katze herumstreunen sehen. Nicht, dass Sophia sich nach