Mit Kommissarin Minou ist jederzeit zu rechnen. Helene Kneip. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helene Kneip
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961361250
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es im Gleichklang von den beiden.

      Herr Schmitz hob noch einmal die Hand wie zum Winken, drehte sich aber nicht mehr um und verschwand hinter der Haustür.

      Johann nahm Sophia, die ein wenig zitterte, in den Arm, um sie ins Haus zurückzuführen. Das war eine liebevolle Geste, so dass ich meine bösen Gedanken über Männer und deren Feigheit im Allgemeinen und über Johann im Besonderen wieder aus meinem Kopf strich. Vielleicht war ich einfach Johann gegenüber ungerecht in meiner Angst um Sophia.

      Ich schlich um das Haus herum zurück zur Terrasse und sprang von dort aus auf das Fenstersims zu Sophias Zimmer. Ich wollte auf jeden Fall heute Nacht Wache schieben. Ich war mir nämlich nicht sicher, ob die beiden Typen nicht noch zurückkommen würden. Die suchten etwas. Das war klar. Aber was nur? Es musste auf jeden Fall etwas mit dem Rucksack zu tun haben. Oder mit der Türkeireise?

      Ich legte mich der Länge nach auf das Sims und leckte meine gestreiften Pfoten. Dabei kann ich am besten nachdenken. Und das war wichtig. Ich musste mich genau daran erinnern, wie die beiden Männer aussahen und was mir ansonsten am Nachmittag besonders aufgefallen war. Ich musste ein so genanntes Täterprofil erstellen. So nennt katze das in Fachkreisen, wenn katze jemanden ganz genau beschreibt. Das Profil war wichtig. Ich musste die Diebe nämlich zukünftig frühzeitig entdecken und einschätzen können, denn es braute sich etwas zusammen. Ich spürte das ganz deutlich bis in meine Schwanzspitze. Auf mein Gefühl kann ich mich verlassen. Da Sophia und Johann in meinen Augen zu wenig sensibel für ihre Situation waren, lag es jetzt allein an mir, Unheil abzuwenden.

      Vorher belauschte ich die beiden noch. Es ging um den Rucksackklau. Ich musste aufpassen, dass ich mich nicht zu stark bewegte, da das Sims nicht sehr breit war und ich schnell abrutschen konnte.

      „Warum hast du nicht gewollt, dass ich den Polizisten von dem Diebstahl erzähle?“, hakte Sophia gerade fast ärgerlich nach. Diese Frage hätte ich auch gestellt, wäre ich an ihrer Stelle gewesen. Besser gesagt: Ich hätte diese Frage nie stellen müssen, da ich mir nicht den Mund hätte verbieten lassen. Aber sei´s drum. Das brachte mich jetzt nicht weiter.

      „Du weißt doch, wegen des nicht ganz sauberen Inhalts. Ich muss noch recherchieren, ob mich die deutsche Polizei hierfür belangen kann.“

      Ganz Unrecht hatte er ja nicht. Aber hätte er nicht schon lange, wie er so schön sagte, recherchieren können?

      Dieser Meinung war auch Sophia. Laut und deutlich verstand ich ihre Worte: „Das hättest du schon lange machen können.“ Recht hatte sie. Aber wenn ich mich recht erinnere, hatte sie sich ebenfalls im Internet klug machen wollen. Hier hatten beide tüchtig geschlampt.

      Ich musste mich nun konzentrieren und hörte nicht mehr auf das weitere Gespräch der beiden. Im Unterbewusstsein nahm ich noch etwas wie „Morgen sehen wir weiter, schlaf gut“ wahr. Ich war mit meinen Gedanken aber bereits ganz woanders.

       Profil der Diebe und Autotypologie

      Ich dachte nach. Ich überlegte systematisch. Ich bin sehr gut im systematischen Denken. Ich musste verinnerlichen, was mir zu den beiden Dieben einfiel. Ich hatte sie im Hellen gesehen, ich hatte sie auf ihrer Flucht mit den Rädern bis zu den großen Häuserblöcken verfolgt.

      Da war mir schon etwas sehr Wichtiges aufgefallen: Beide hatten ein Fahrrad.

      Aber Fahrräder sehen für mich alle gleich aus. Sie haben kein besonderes Gefährdungspotential für mich, so dass ich mir bisher keine großartigen Gedanken darüber gemacht hatte.

      Anders ist das mit Autos, von mir insgeheim Killermaschinen genannt. Da gibt es nach meinen Analysen sechs unterschiedliche Typen. Die habe ich im Übrigen allein und ohne fremde Hilfe aufgrund intensiver Beobachtung herausgearbeitet. Ob diese Typen trennscharf sind, wie katze so sagt, könnte ich noch überprüfen. Dazu müsste ich jedoch viel Muße haben. Vielleicht im Winter einmal, wenn ich an einem warmen Ofen liege, vorausgesetzt, ich würde mich an einen warmen Ofen legen. Im Sommer bin ich zu viel mit anderen wichtigen Tätigkeiten beschäftigt, wie ich bereits dargelegt habe.

      Nachfolgend skizziere ich meine Killermaschinentypen kurz und prägnant. Zum einen mache ich dies, um meine Klugheit, besser Intelligenz, unter Beweis zu stellen, zum anderen, weil meine Erzählung dadurch verständlicher wird. Im Übrigen wiederum ein Beleg meiner Brillanz. Aber das nur am Rande.

      Im Mittelpunkt meiner Typenbildung stehen Autogröße, Größe der Reifen und Farbe der Autos. Den unterschiedlichen Kombinationen dieser Kriterien habe ich dann das von mir über eine lange Zeit beobachtete Gefährdungspotential zugeordnet:

      Typ 1: Kleine bunte Autos mit kleinen Reifen. Keine Gefahr. Die sieht katze lange bevor sie da sind. Da kann katze in der Regel in Ruhe ausweichen.

      Typ 2: Kleine dunkle Autos mit kleinen Reifen. Die sieht katze leider sehr spät. Da sie in der Regel jedoch langsam sind, geringe Gefahr, aber größer als bei 1.

      Typ 3: Große bunte Autos mit kleinen Reifen. Die sieht katze, allerdings spät. Geringe Ausweichmöglichkeiten wegen der großen Geschwindigkeit. Größere Gefahr als bei 1 und 2.

      Typ 4: Große dunkle Autos mit kleinen Reifen. Die sieht katze in der Regel erst, wenn es zu spät ist. Kaum Überlebenschancen.

      Typ 5: Bunte Autos mit riesigen Reifen. Die sieht katze bevor sie da sind. Katze muss sich einfach flach auf die Straße legen und mit etwas Glück bleibt katze unversehrt.

      Typ 6: Dunkle Autos mit riesigen Reifen. Die sieht katze spät, aber bei flachem Hinlegen große Überlebenschancen, allerdings geringer als bei 5, da katze sie später sieht.

      Bei den letzten beiden Typen habe ich nicht nach der Größe des Autos unterschieden, weil hier Farbe und Reifengröße entscheidend sind. Aber das nur am Rande. Zurück zum Täterprofil.

      Ich dachte angestrengt nach. Ich sah beide nur verschwommen vor mir. Beide Typen hatten einen Schnurrbart. Nicht so gebogen wie ich, sondern nur ganz klein und dünn. Nichts Halbes und nichts Ganzes, wie katze so zu sagen pflegt.

      Beide, ich sah es deutlich vor mir, hatten keine Haare auf dem Kopf, obschon sie nicht besonders alt wirkten. Ich erinnerte mich an ein schwarzes Schimmern auf den Köpfen. Das deutete darauf hin, dass die Typen sich eine Glatze rasiert hatten. Menschen machen so etwas durchaus. Oft ist das kein so gutes Zeichen. Natürlich gibt es Ausnahmen. Aber hier war keine Ausnahme angesagt, hier war bei den glatzköpfigen Menschen Vorsicht geboten.

      Ich war gut, ich korrigiere: ich war verdammt gut. Je mehr ich darüber nachdachte, umso weniger verschwommen waren die Typen und umso mehr fiel mir ein. Jetzt sah ich wieder etwas Entscheidendes deutlich vor mir: Einer hatte ein Bild auf dem rechten Unterarm, einen riesigen Wurm, vielleicht auch eine Schlange. Menschen nennen ein solches Bild Tätowierung.

      Sonst war mir nichts in Erinnerung geblieben. Die Typen verschwammen wieder mehr und mehr vor meinem geistigen Auge. Müdigkeit überkatzte mich. Als ich mein Hirn noch einmal malträtierte, fiel mir ein, dass ihre Hosen nur bis zum Knie gingen. Fast so, wie die Schlafanzugshose von Herrn Egon Schmitz von der anderen Straßenseite. Er hatte damit irgendwie lustig ausgesehen. Sicher, weil so dünne Beinchen aus den weiten Hosenbeinen hervorlugten. Die Füße steckten in braunen Filzpantoffeln. Die sieht katze häufiger bei älteren Männern.

      Bei dieser letzten Überlegung fiel mir wieder etwas ein, was ich von den Dieben in Erinnerung hatte: dicke Waden und knöchelhohe Sportschuhe mit Klettverschluss. Ja, das sah ich deutlich vor mir. Am Ende der Fußgängerzone hatte ich sie bei meiner Verfolgungsjagd fast eingeholt und da hatte ich ihre Waden und Schuhe gesehen. Ich hatte noch bei mir überlegt, welche Freude es mir machen würde, in diese dicken Waden zu beißen. Mir lief bei dem Gedanken das Wasser im Maul zusammen. Dabei hatte ich noch nie in dicke Waden gebissen, geschweige Waden gefressen.

      Obschon mir nun doch einiges eingefallen war, war ich mir nicht sicher, ob ich sie wiedererkennen würde. Aber eine der Stimmen, die würde ich nicht vergessen. Das wurde mir ganz plötzlich bewusst,