d) Unrechtsvereinbarung beim Bezug von Waren und Dienstleistungen
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Anders als der weite Vorteilsbegriffs (siehe Rn. 24) ist die (angestrebte) Unrechtsvereinbarung, die im Wortlaut unter anderem im „dafür“ ihren Niederschlag findet, ein stark begrenzendes Tatbestandsmerkmal.[97] Bei § 299 StGB sind gedanklich zwei Ebenen zu unterscheiden: Neben die eigentliche Vereinbarung über den Bezug von Waren und Dienstleistungen (Leistungsvereinbarung) muss eine selbstständige Unrechtsvereinbarung treten.[98] Erst diese Dualität der Vereinbarungen ist es, die in der Wettbewerbsvariante die strafwürdige Gefahr einer strafwürdigen Bevorzugung bzw. in der Geschäftsherrenvariante einer strafwürdigen Pflichtverletzung schafft[99] und damit konstitutiv für das Korruptionsunrecht des § 299 StGB ist.[100]
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Bei der Unrechtsvereinbarung müssen der angebotene Vorteil und die mit ihm erstrebte Entscheidung ausdrücklich oder konkludent[101] synallagmatisch miteinander verknüpft werden („do ut des“).[102] So kann beispielsweise einem Angestellten oder Beauftragen die ihm obliegende Auswahl unter mehreren Anbietern durch Schmiergeldzahlungen „abgekauft“ werden. Im Unterschied zur Amtsträgerkorruption ist die Unrechtsvereinbarung des § 299 StGB nicht (teilweise) gelockert. Demgemäß muss der in Aussicht gestellte Vorteil stets auf eine konkrete unlautere Bevorzugung oder Pflichtverletzung beziehbar sein; eine in ihrem Zielpunkt diffuse „Klimapflege“ genügt nicht.[103] Die erst nachträgliche Honorierung einer bestimmten Handlung ist ebenso wenig tatbestandsmäßig, außer sie bezieht sich nachweisbar auf eine bereits vorher geschlossene Unrechtsvereinbarung und erfüllt nur die dort versprochene Leistung.[104] Daraus ergeben sich erhebliche Abgrenzungsproblematiken bei längerfristigen oder wiederholten Geschäftsbeziehungen. Hier wird nicht in jedem Fall plausibel darzulegen sein, dass eine konkrete Vorteilsgewährung eine bloß „klimapflegende“ Zuwendung oder nachträgliche Honorierung ist. Vielmehr kommt ebenso eine Vorteilsgewährung für einen nächsten, also einen künftigen Geschäftsabschluss in Betracht (vgl. dazu auch Rn. 59).
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Häufig wird das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung nur durch eine Vielzahl äußerer Indizien zu erschließen sein. Dafür ist eine wertende Gesamtschau anzustellen.[105] Einen Hinweis auf die Unrechtsvereinbarung können beispielsweise „private“ Finanz- und Geschäftsbeziehungen eines Angestellten oder Beauftragten zu einem Geschäftspartner des Unternehmens geben (auch sog. „Rückbeauftragungen“[106]) – zumal dann, wenn diese heimlich gehalten und gegebenenfalls in komplexen Firmen- und Finanzierungsnetzwerken verschleiert werden. Indizwirkung können daneben sichtlich parteiische Bewertungen von Angeboten samt der Auswahl eines teuren Anbieters oder auch die erkennbare „Ad-Personam-Ausschreibung“ eines Auftrags haben.[107]
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Die Unrechtsvereinbarung muss im Zusammenhang mit dem Bezug von Waren und Dienstleistungen stehen. Waren sind alle wirtschaftlichen Güter, die Gegenstand des Handels sein können;[108] der Dienstleistungsbegriff umfasst alle geldwerten unkörperlichen Leistungen des gewerblichen oder geschäftlichen Lebens.[109] Der Bezug beschreibt den gesamten auf die Erlangung oder den Absatz der Waren oder Dienstleistungen gerichteten Geschäftsvorgang.[110] Das Tatbestandmerkmal ist – unter Beachtung der Wortlautgrenze – weit auszulegen, um möglichst einen Gleichklang mit Art. 2 Abs. 1 EU-Rahmenbeschluss 2003/568/JI v. 22.7.2003 („in the course of business activities“) herzustellen (siehe auch Rn. 4).
e) Gegenstand der Unrechtsvereinbarung
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Je nach Tatbestandsvariante ist der Gegenstand der Unrechtsvereinbarung unterschiedlich (siehe auch Rn. 8). In der Wettbewerbsvariante (Abs. 1 Nr. 1) muss die Unrechtsvereinbarung darauf abzielen, dass ein Vorteil für eine zukünftige unlautere Bevorzugung im (ausländischen) Wettbewerb gewährt wird. In der Geschäftsherrenvariante (Abs. 1 Nr. 2) muss die Unrechtsvereinbarung hingegen auf eine Pflichtverletzung des Angestellten oder Beauftragten gegenüber seinem Unternehmen zielen.
aa) Gegenstand der Unrechtsvereinbarung in der Wettbewerbsvariante
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Bevorzugung im Sinne der Wettbewerbsvariante ist jede anvisierte Besserstellung des Täters oder eines von ihm begünstigten Dritten, auf die jener oder der Dritte keinen Anspruch hat.[111] Erfasst ist beispielsweise die „geschmierte“ Vergabe von Bauleistungen, die „erkaufte“ Abwendung der anstehenden Kündigung eines Liefervertrags, die „bezahlte“ Nichtbeanstandung mangelhafter Waren oder die im Verhältnis zu Konkurrenten bevorzugte Vertragserfüllung.[112]
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Allerdings ist eine Bevorzugung nicht in jedem Fall tatbestandsmäßig. Vielmehr muss diese im Angesicht der verfolgten Schutzzwecke einen hinreichenden Wettbewerbsbezug aufweisen. Dies setzt zweierlei voraus: erstens eine Wettbewerbssituation und zweitens eine durch die Bevorzugung drohende Benachteiligung eines Konkurrenten (Gewährung von Vorteilen im Wettbewerb und auf Kosten von Mitbewerbern).[113] Nicht erforderlich ist, dass sich Konkurrenten im konkreten Einzelfall um den Absatz ihrer Waren oder Leistungen tatsächlich bemüht haben oder diese gar objektiv geschädigt worden sind.[114] Allerdings wird eine Situation vorausgesetzt, in der wenigstens potentiell eine Entscheidung unter mehreren Konkurrenten getroffen werden könnte. An einem solchen wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis und damit an einem hinreichenden Wettbewerbsbezug fehlt es, wenn ein Unternehmen eine (faktische) Monopolstellung hat.[115] Bei Kreditvergabeentscheidungen durch Banken kann der Wettbewerbsbezug zweifelhaft sein, wenn trotz einer Bestechung – etwa mit dem Ziel, auf eine Bonitätsprüfung zu verzichten – alle Wettbewerber mit einem Kredit bedient werden.[116] Freilich kann hier eine Strafbarkeit in der Geschäftsherrenvariante gegenüber der Bank in Betracht kommen.
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Mit der Unrechtsvereinbarung muss eine Bevorzugung in unlauterer Weise anvisiert werden. Über die Auslegung dieses mehr oder minder unbestimmten Tatbestandsmerkmals herrscht Uneinigkeit. Teilweise wird auf eine (positive) Akzessorietät zum Wettbewerbsrecht abgestellt, was aber den Besonderheiten des § 299 StGB ebenso wenig Rechnung trägt wie eine schlichte Übertragung der Grundsätze zu § 138 BGB.[117] Soweit dem Tatbestandsmerkmal