50
Da § 299 StGB keine erhöhten Vorsatzanforderungen formuliert, genügt grundsätzlich Eventualvorsatz.[149] Wird allerdings ein Vorteil nur gefordert, so muss der Täter den Abschluss einer Unrechtsvereinbarung nach ganz h.M. gezielt anstreben.[150] Es muss ihm also darauf ankommen, dass der Vorteilsgeber den Vorteil als Gegenleistung für eine Bevorzugung versteht und hierauf eingeht. Dies lässt sich vorsatzdogmatisch sinnvoll nur als Absicht im technischen Sinne (dolus directus ersten Grades) begreifen.[151] Zur irrigen Annahme einer Einwilligung des Unternehmens vgl. auch Rn. 48 sowie Rn. 58.
51
Soweit sich der Vorsatz auf normative Tatbestandsmerkmale (Lauterkeit und Pflichtverletzung) bezieht, muss der Täter die das Werturteil tragenden tatsächlichen Umstände kennen und sich der sozialen Bedeutung laienhaft bewusst sein.[152] Die Anforderungen an einen Vorsatzausschluss liegen dabei je nach Tatbestandsmerkmal unterschiedlich hoch. Bei unternehmensinternen Regelungen (Pflichten und Einwilligung) muss darauf geachtet werden, ob der Angestellte oder Beauftragte von ihnen überhaupt Kenntnis hatte. Irrt der Täter lediglich über die rechtliche Bewertung der in ihrem Sinngehalt zutreffend erkannten Tatsachen oder die Auslegung ihm bekannter Unternehmensregularien, so liegt ein Verbotsirrtum vor (§ 17 StGB; vgl. dazu Rn. 55).
h) Rechtfertigung
52
Eine mögliche Rechtfertigung richtet sich nach den allgemeinen Regeln mit der Maßgabe, dass eine Einwilligung des Unternehmens richtigerweise sowohl in der Wettbewerbs- als auch der Geschäftsherrenvariante tatbestandsausschließend wirkt (siehe Rn. 42 ff.). Eine Rechtfertigung wegen Notstands (§ 34 StGB), etwa bei wirtschaftlicher Existenzgefährdung oder drohendem Arbeitsplatzverlust, kommt praktisch nicht in Betracht,[153] weil eine Bestechungshandlung kaum je einmal erforderlich ist und es obendrein an ihrer Angemessenheit fehlt. Gleiches gilt für eine Tatbestandsverwirklichung als Reaktion auf die Drohung mit einem (existenzgefährdenden) Abbruch von Geschäftsbeziehungen; allenfalls kommt insoweit eine Entschuldigung wegen Nötigungsnotstands in Betracht.[154]
53
Die Üblichkeit bestimmter Korruptionspraktiken vor allem in ausländischen Märkten verbunden mit der Tatsache, dass ohne Vorteilsgewährungen keine Geschäftsbeziehungen aufgebaut oder aufrechterhalten werden können, führt ebenfalls nicht zu einer Rechtfertigung nach § 34 StGB.[155] Auch hier fehlt es jedenfalls an der Angemessenheit einer Vorteilsgewährung als Notstandshandlung. Als prozessuales Ventil kommt insoweit im Einzelfall ein Absehen von der Strafverfolgung aus Opportunitätsgründen in Betracht (§ 153c StPO).
i) Schuld
54
Die Voraussetzungen eines Schuldausschlusses dürften nur in Ausnahmefällen erfüllt sein. Eine Entschuldigung nach § 35 StGB scheidet aus, weil keines der dort genannten Rechtsgüter betroffen ist.[156] Zum (entschuldigenden) Nötigungsnotstand siehe bereits Rn. 52.
55
Im Einzelfall ist eine Entschuldigung wegen unvermeidbaren Verbotsirrtums (§ 17 S. 1 StGB) denkbar. In der Geschäftsherrenvariante dürften Rechtsirrtümer bezüglich unternehmensinterner Regelungen (Pflichten und Einwilligung) selten sein. Erstens sind unternehmensinterne Vorgaben regelmäßig detailliert formuliert und auf die jeweilige Geschäftstätigkeit konkretisiert, sodass Subsumtionsirrtümer mehr oder minder ausgeschlossen sind. Bei Auslegungszweifeln kann zweitens über eine Nachfrage beim Unternehmen verbindliche Klarheit geschaffen werden. Eher denkbar sind beachtliche Rechtsirrtümer in der Wettbewerbsvariante und dort im Bereich der Lauterkeit[157] (zur negativen Akzessorietät mit wettbewerbsrechtlichen Vorgaben vgl. Rn. 34). Ein rechtlicher Bewertungsirrtum kann hier ausnahmsweise unvermeidbar und damit beachtlich sein, wenn er die Folge einer belastbaren Rechtsauskunft und Präventivberatung ist. Die Anforderungen, die dabei an die Unvermeidbarkeit gestellt werden, sind jedoch ausgesprochen hoch.[158] Zur Bedeutung präventiver Compliance-Beratung siehe auch Rn. 80. Für die Abgrenzung zwischen Tatbestands- und Rechtsirrtum bei normativen Merkmalen siehe Rn. 51.
2. „Geberseite“: Bestechung im geschäftlichen Verkehr (Abs. 2)
56
Die Voraussetzungen einer Strafbarkeit der Geberseite (Abs. 2) entsprechen spiegelbildlich denen der Nehmerseite. Die Ausführungen gelten daher weitgehend entsprechend.
57
Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr ist als (beschränktes) Allgemeindelikt ausgestaltet (siehe dazu Rn. 7). Als Tathandlungen kommen in Entsprechung zu den Tathandlungen des Abs. 1 das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils in Betracht. Das Anbieten einer gegenwärtigen Leistung und das Versprechen einer zukünftigen Leistung sind einseitige, auf Abschluss einer Unrechtsvereinbarung gerichtete Erklärungen des Vorteilsgebers, die dem anderen Beteiligten zur Kenntnis gebracht werden müssen.[159] Das Gewähren verlangt demgegenüber eine tatsächliche Vorteilserlangung. Nötigt der Nehmer dem Geber einen Vorteil ab, ist für letztgenannten eine Strafbarkeit wegen Vorteilsgewährung nicht gegeben. Spiegelt der Geber die Bereitschaft zu einer Vorteilsgewährung nur vor, scheidet eine Strafbarkeit nach § 299 Abs. 2 StGB aus; allerdings kann in diesem Fall eine Betrugsstrafbarkeit zu bejahen sein (§ 263 Abs. 1 StGB).
58
Beim Vorsatz ergeben sich keine dogmatischen, wohl aber einige praktische Unterschiede zwischen der Nehmer- und der Geberseite. So dürften die Grenzen eines vorsatzrelevanten Irrtums bei Abs. 2 insbesondere in der Geschäftsherrenvariante schneller erreicht sein als bei Abs. 1, weil für einen außenstehenden Vorteilsgeber die genaue Pflichtenlage des Angestellten oder Beauftragten nicht ohne weiteres erkennbar ist. Gleiches gilt bezüglich des Vorliegens und der Reichweite einer durch das Unternehmen erklärten Einwilligung – und zwar richtigerweise in beiden Tatbestandsvarianten des § 299 StGB (siehe Rn. 47). Gegenseitige Compliance-Richtlinien in Geschäftsbeziehungen können hier für allseitige Klarheit sorgen. Gibt es solche nicht, darf ein Vorteilsgeber grundsätzlich erst einmal davon ausgehen, dass ein Angestellter oder Beauftragter seines Geschäftspartners rechtmäßig, also im Zweifel mit Einwilligung seines Unternehmens handelt. Wer sich allerdings trotz klarer Hinweise auf eine schlichte Zusicherung der Gegenseite verlässt, dass eine Vorteilsgewährung ausnahmsweise doch pflichtenkonform oder von einer Einwilligung gedeckt sei, dürfte sich regelmäßig nicht darauf berufen können, vorsatzlos gehandelt zu haben. Umgekehrt kann es auf der Geberseite auch vorkommen, dass das Unternehmen zwar eine tatbestandsausschließende Einwilligung gegenüber seinem Angestellten oder Beauftragten wirksam erklärt hat, der Vorteilsgeber als Außenstehender von dieser aber nicht weiß. Hier scheidet eine Strafbarkeit richtigerweise aus.[160] Denn in diesem Fall verwirklicht der Täter zwar möglicherweise vorsatzgetragenes Handlungsunrecht, aber kein Erfolgsunrecht. Wertungsmäßig entspricht dies einem Versuch, der bei § 299 StGB nicht strafbar ist.
3.