1. Allgemeines
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Objektive und subjektive Voraussetzungen der Bestechungsdelikte sind nicht leicht zu trennen, da es bereits im Rahmen der üblicherweise als objektive Voraussetzung verstandenen[183] Unrechtsvereinbarung wesentlich auf die (zwangsläufig subjektiven) Vorstellungen der Vertragsparteien ankommt (vgl. Rn. 55). Von dieser Besonderheit abgesehen herrscht aber Einigkeit, dass im Hinblick auf den objektiven Tatbestand der §§ 332, 334 StGB jeweils einfacher Vorsatz ausreicht.[184] Hinsichtlich der einzelnen Merkmale sind folgende Problemfelder besonders zu beachten:
2. Amtsträgereigenschaft
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Die Amtsträgereigenschaft insbesondere nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB ist oftmals nur schwer zu erkennen (vgl. Rn. 16). Sowohl für den Amtsträger selbst als auch für den Geber ist es aber nicht erforderlich, dass das normative Merkmal tatsächlich für einschlägig gehalten wird (Unbeachtlichkeit eines Subsumtionsirrtums).[185] Es reicht aus, wenn die Betroffenen um die die Amtsträgereigenschaft begründenden Umstände wissen und sie über eine laienhafte Bedeutungskenntnis (Parallelwertung in der Laiensphäre) verfügen.[186] Der BGH setzt die Grenze, ab der von Fakten- und Bedeutungskenntnis auszugehen ist, denkbar niedrig an.[187] In Betracht kommt aber ein – jedoch häufig vermeidbarer – Verbotsirrtum.[188] Bei rechtsirriger Annahme der Amtsträgereigenschaft trotz Faktenkenntnis liegt nach h.M. ein strafloses Wahndelikt vor.[189]
3. Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung
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Bzgl. der Pflichtwidrigkeit der dienstlichen Handlung muss ebenfalls wenigstens Eventualvorsatz vorliegen.[190] Ausreichend ist aber auch hier das Vorliegen von Bedeutungskenntnis.[191] Verkennt lediglich eine der Vertragsparteien die Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung, greift einseitig § 16 Abs. 1 StGB[192] oder § 16 Abs. 2 StGB i.V.m. §§ 331 bzw. 333 StGB.[193] Wird hingegen irrig die Pflichtwidrigkeit der entgoltenen Diensthandlung angenommen, so ist streitig, ob ein ggf. strafbarer Versuch[194] (Rn. 68) oder ein strafloses Wahndelikt[195] vorliegt.
4. Mentalreservation
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Fraglich ist, wie sich der innere Vorbehalt einer der Vertragsparteien, ihre angebotene bzw. zugesagte Leistung in Wahrheit nicht zu erbringen, auf deren Vorsatz auswirkt. Auf Seiten des Amtsträgers gilt hier – insoweit entgegen der allgemeinen Regel zur Unrechtsvereinbarung nach § 30 StGB –[196] die Spezialvorschrift § 332 Abs. 3 StGB, wonach die Mentalreservation unbeachtlich ist.[197] Davon ist jedoch mangels Schaffung einer Gefahr für das geschützte Rechtsgut eine Ausnahme zu machen, wenn die vermeintliche Unrechtsvereinbarung nur dem Zweck der Überführung des Bestechers dient.[198] Besteht auf der Geberseite der geheime Vorbehalt, den Vorteil nicht leisten zu wollen, so ist die Mentalreservation nach den für Unrechtsabsprachen allgemein geltenden Regeln[199] unbeachtlich.[200] Da es sich bei der Bestechung materiell-rechtlich um eine (versuchte) Anstiftung handelt (Rn. 2), ist auf Geberseite allerdings ein Vollendungswille hinsichtlich der pflichtwidrigen Diensthandlung erforderlich.[201] Weiß der Geber, dass es zu dieser nicht kommen kann (z.B. weil es sich beim „Bestecher“ um einen Lockspitzel handelt),[202] handelt dieser ohne Vorsatz.[203]
1. Unterlassen
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Die Tathandlung, also das (versuchte) Schließen einer Unrechtsvereinbarung, kann schwerlich durch Unterlassen begangen werden. Auch die unterlassene Rückgabe eines zunächst gutgläubig entgegengenommenen Vorteils nach Erkennen der dahinterstehenden Absicht des Gebers reicht für ein tatbestandliches Annehmen grundsätzlich nicht hin.[204] Möglich ist allerdings eine Beteiligung durch Unterlassen, sofern – insbesondere bei Vorgesetzten – eine Pflicht zum Einschreiten besteht (s. Rn. 33). Die Unrechtsvereinbarung kann sowohl auf ein pflichtwidriges Diensthandeln als auch auf das pflichtwidrige Unterlassen einer Diensthandlung gerichtet sein, § 336 StGB. Auch die Gegenleistung, d.h. der Vorteil, kann ggf. in einem Unterlassen bestehen (Rn. 46).
2. Stadien der Deliktsverwirklichung (Versuch, Vollendung, Beendigung)
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Die Tat ist vollendet, sobald eine der Tathandlungen (Rn. 57–60) vollzogen worden ist.[205] Tätige Reue ist gesetzlich nicht vorgesehen.[206]
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Bei der Bestechlichkeit steht auch der Versuch unter Strafe, § 332 Abs. 1 S. 3 StGB, geberseitig hingegen nur die versuchte Richterbestechung, § 334 Abs. 2 S. 2 StGB.[207] Erfasst sind etwa abgeschickte (aber nicht angekommene) Angebote (s. Rn. 58) sowie der (erfolglose) Einsatz von Mittelspersonen.[208] Zu beachten ist jedoch, dass mit den Tathandlungen des Forderns bzw. Anbietens ohnehin bereits materielle Versuchshandlungen als Tatvollendung behandelt werden (s. Rn. 57).
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Beendigung der Tat (und damit der Beginn der Verjährungsfrist, § 78a StGB) tritt regelmäßig erst mit der Annahme/Gewährung des Vorteils ein,[209] soweit der Abschluss oder Vollzug der Unrechtsvereinbarung nicht bereits in einem früheren Stadium gescheitert ist.[210] Allerdings geht der BGH inzwischen davon aus, dass im Falle einer nachzeitig geleisteten pflichtwidrigen Diensthandlung (dazu Rn. 53) die Tatbeendigung erst mit deren Vornahme eintritt, obwohl diese für den objektiven Tatbestand keine Relevanz hat (sog. materiell-rechtlicher Beendigungsbegriff).[211]
3. Rechtfertigung
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Eine Notstands-Rechtfertigung gem. § 34 StGB ist theoretisch möglich,[212] aber jedenfalls bei Inlandstaten praktisch kaum denkbar. Die Möglichkeit einer Genehmigung besteht bei den §§ 332, 334 StGB nicht.
a) Strafrahmen
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Im Unterschied zu fast allen anderen Bereichen des Korruptionsstrafrechts sieht die Amtsträgerkorruption für die Nehmerseite einen höheren Strafrahmen vor als für die Geberseite. Das ist folgerichtig, da es sich bei der Bestechlichkeit um ein Sonderdelikt handelt (vgl. § 28 Abs. 1 StGB).[213] Im Übrigen sind eine Reihe verschiedener Sonderstrafrahmen mit einer insgesamt ungewöhnlichen Spannbreite (und einer wenig klaren