aa) Vereinbarung künftiger Handlung
53
Das Unrecht der Bestechung ist dogmatisch dasjenige einer Anstiftung (Rn. 2). Entsprechend muss der Vorteil vom Geber dazu gedacht sein, den Amtsträger zur Vornahme der dienstpflichtwidrigen Handlung zu „bestimmen“ (vgl. § 334 Abs. 3 Nr. 2 StGB), also für diesen der entscheidende Motivationsfaktor zu sein.[156] Hierfür ist die zeitliche Reihenfolge des (geplanten) Leistungsaustauschs prinzipiell unbeachtlich;[157] sowohl die Aussicht auf den Lohn (bei Vorleistung des Amtsträgers) als auch die Abtragung der Dankespflicht (bei Vorleistung des Gebers) sorgen beim Bestochenen für eine ausreichende motivatorische Kraft des Unrechtsgeschäfts.[158] Erforderlich ist nur, dass die Einigung vor der Vornahme der Diensthandlung erfolgt ist.
bb) Nachträgliche Vereinbarung
54
Wird die Unrechtsvereinbarung hingegen erst nach (angeblicher)[159] Vornahme der Dienstpflichtwidrigkeit geschlossen – z.B. wenn sich der Begünstigte für eine rechtswidrig erteilte Genehmigung erkenntlich zeigt –, handelt es sich um eine (grds. milder zu bestrafende) Belohnungskorruption (s. Rn. 4). Hierfür ist eine Einigkeit von Geber und Nehmer erforderlich, dass der Vorteil gerade als Lohn für die begangene Pflichtverletzung geleistet werden soll. Lässt sich nicht ermitteln, zu welchem Zeitpunkt die Unrechtsvereinbarung erfolgt ist, muss im Zweifel von der Nachzeitigkeit der Absprache ausgegangen werden.[160] § 3 EUFinSchStG ist auf nachträgliche Vereinbarungen nicht anwendbar.
a) Allgemeines
55
Infolge der Vorverlagerung der Strafbarkeit (Rn. 10) besteht die Tathandlung der Bestechungsdelikte nicht erst in der Vornahme der pflichtwidrigen Diensthandlung bzw. der Bestimmung zu oder der Belohnung dieser. Es genügt bereits, dass die Parteien eine auf den Leistungsaustausch bezogene Unrechtsvereinbarung anbahnen bzw. diese abschließen. Mit anderen Worten, Vorteil und Dienstpflichtwidrigkeit brauchen lediglich in Gestalt eines gedachten und kommunizierten Finalzusammenhangs vorzuliegen.[161]
56
In dogmatischer Hinsicht weist die Unrechtsvereinbarung aufgrund des Anstiftungscharakters der Bestechung weitgehende Parallelen zur versuchten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 2 Var. 1 und 2 StGB auf.[162] Ebenso wie bei § 30 StGB differenzieren die Tathandlungen der §§ 332, 334 StGB dabei nach dem Fortschritt des Abschlusses der Vereinbarung. Im Einzelnen sind folgende Kontrahierungsstufen zu unterscheiden (wobei es i.E. allenfalls für die Strafzumessung einen Unterschied macht, welche der Stufen erreicht worden ist)[163]:
b) Verhandlungsstufe (Fordern/Anbieten)
57
Tatbestandlich i.S. e. vollendeten Tatbestandsverwirklichung ist bereits der (ggf. fehlgeschlagene) Versuch, den präsumtiven Vertragspartner zum Abschluss einer Unrechtsvereinbarung zu bewegen.[164] Geht die Offerte zum Abschluss dabei vom Amtsträger aus, spricht § 332 StGB von der „Forderung“ des Vorteils als Gegenleistung für die pflichtwidrige Amtshandlung. Fordern meint dabei das Verlangen eines Vorteils.[165] Wiewohl dies auch konkludent bzw. verschleiert erfolgen kann, ist hierfür zumindest eine gewisse Nachdrücklichkeit erforderlich.[166] Geht die Initiative hingegen vom Bestecher aus, spricht das Gesetz von einem „Anbieten“ des Vorteils.[167] Auch das Angebot kann explizit oder konkludent erfolgen.
58
Streitig ist in beiden Varianten, wie weit die abgegebene Willenserklärung bereits in den Bereich des Empfängers gelangt sein muss. Während teilweise bereits die Entäußerung[168] oder jedenfalls das Gelangen in die Sphäre des Empfängers für ausreichend gehalten wird,[169] verlangt eine andere Ansicht auch die Kenntnisnahme durch diesen (bzw. dessen Mittelsperson).[170] Von diesem Streit hängt etwa ab, ob bereits das Absenden einer vom Spam-Filter des Empfängers abgefangenen E-Mail tatbestandlich ist. Nicht erforderlich ist in jedem Fall, dass der Empfänger das Angebot auch versteht; es reicht aus, dass der Angebotsinhalt objektiv erkennbar ist.[171]
c) Vereinbarungsstufe (Sichversprechenlassen/Versprechen)
59
Geht der jeweils andere auf das Angebot ein – d.h. liegen zwei übereinstimmende Willenserklärungen vor –, erreicht die Unrechtsvereinbarung die sog. Vereinbarungsstufe. Nimmt der Amtsträger das Angebot des anderen an, spricht § 332 StGB von einem „Sichversprechenlassen“ des Vorteils. Gemeint ist damit die ausdrückliche oder schlüssige Annahme eines auch nur bedingten Angebots der späteren Zuwendung.[172] Nimmt hingegen der andere das Angebot des Amtsträgers (d.h. dessen „Forderung“) an, spricht § 334 StGB von einem „Versprechen“ des Vorteils.[173] In beiden Fällen gelangt das Kausalgeschäft zum Abschluss.[174]
d) Leistungsstufe (Annehmen/Gewähren)
60
Erbringt der Bestecher die zuvor[175] vereinbarte Gegenleistung, spricht § 334 StGB von der „Gewährung“ des Vorteils. Das meint dessen tatsächliche Zuwendung. Die dazu spiegelbildliche Handlung des Amtsträgers bezeichnet das Gesetz als „Annehmen“ des Vorteils (§ 332 StGB). Ein solches kann auch vorliegen, wenn der Amtsträger sich noch unschlüssig ist, ob er den Vorteil endgültig behalten will.[176] Umstritten ist, ob diese Tathandlungen auch bei der Zuwendung eines Drittvorteils greifen.[177] Davon hängt aber i.E. nichts ab, da in den Fällen einer vollzogenen Unrechtsvereinbarung zugunsten Dritter jedenfalls die Vereinbarungsstufe (Rn. 59) erreicht ist.
e) Bestimmtheit der Pflichtwidrigkeit
61
Bezieht sich die Unrechtsvereinbarung auf eine künftige (im Gegensatz zu einer vergangenen)[178] Diensthandlung, so steht diese häufig noch nicht in allen Details fest. Fraglich ist, wie konkret die kommunizierte Vorstellung der Parteien in Bezug auf die pflichtwidrige Handlung sein muss, damit eine tatbestandliche Unrechtsvereinbarung vorliegt. Dieses aus der allgemeinen Anstiftungsdogmatik bekannte Problem zum Unrechtspakt nach § 30 StGB[179] wird bei den §§ 332, 334 StGB vom BGH dahingehend gelöst, dass an die Bestimmtheit der zu entgeltenden pflichtwidrigen Diensthandlung keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen: Die pflichtwidrige Diensthandlung braucht nicht in ihrer konkreten Gestalt nach Zeitpunkt, Anlass und Ausführungsweise in allen Einzelheiten feststehen. Es reicht vielmehr aus, wenn sich das Einverständnis der Beteiligten darauf bezieht, dass der Amtsträger innerhalb eines bestimmten Aufgabenbereichs oder Kreises von Lebensbeziehungen nach einer gewissen Richtung hin tätig werden soll und die einvernehmlich ins Auge gefasste Diensthandlung nach ihrem sachlichen Gehalt zumindest in groben Umrissen erkennbar und festgelegt ist.[180] Insbesondere bei „Geflechtsituationen“, d.h. im Falle einer regelmäßigen dienstlichen Interaktion zwischen Geber und Nehmer, können die Bestimmtheitsanforderungen nochmals gesenkt sein.[181] Bleibt allerdings unklar, ob die vom Amtsträger absprachegemäß vorzunehmende