Parlamentsrecht. Philipp Austermann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Philipp Austermann
Издательство: Bookwire
Серия: Schwerpunktbereich
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783811488526
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Hermann Müller (SPD), der eine lagerübergreifende Koalition angeführt hatte, trat am 27. März 1930 aus vergleichsweise nichtigem Anlass zurück. Die Anhänger eines autoritären Staates im Umfeld des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg nutzten die Uneinigkeit der Parteien und begannen ihre politischen Vorstellungen zu verwirklichen. Der Reichspräsident suchte nun die Reichskanzler weitgehend ohne Fühlungsnahme mit den Reichstagsfraktionen aus. Die Zeit der sog. Präsidialkabinette begann. Sie war „die Auflösungsphase der ersten deutschen Demokratie“[64]. Die Reichsregierung Brüning (1930-32) wurde ab der verheerenden Reichstagswahl vom 14. September 1930 noch von der Parlamentsmehrheit aus SPD, Zentrum und kleineren Parteien unterstützt bzw. toleriert. Eine Regierungsbeteiligung der NSDAP sollte auf diese Weise verhindert werden. Die Kabinette von Papen (1932) und von Schleicher (1932/33) sowie das erste Kabinett Hitler (1933) stützten sich allein auf das Vertrauen des Reichspräsidenten. Recht wurde von 1930-33 in einer denkbar weiten Auslegung des Art. 48 Abs. 2 WRV häufig durch Notverordnungen gesetzt. Die Zahl der vom Parlament verabschiedeten Gesetze nahm gleichzeitig ab, dem korrespondierend die Zahl der Reichstagsdrucksachen.[65] Die von der Forschung ermittelten Zahlen für Notverordnungen und Parlamentsgesetze schwanken je nach Autor leicht.[66] Die Tendenz ist aber in allen Veröffentlichungen dieselbe: Standen 1930 einer Handvoll Notverordnungen noch 98 Parlamentsgesetze gegenüber, wurden 1931 schon etwas mehr Notverordnungen als Parlamentsgesetze erlassen. Im Jahr 1932 erließ der Reichstag nur noch fünf Parlamentsgesetze, der Reichspräsident hingegen rund 60 Notverordnungen.

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      Nach dem Ende des NS-Regimes und des Zweiten Weltkrieges begann das parlamentarische Leben unter Aufsicht der Westalliierten zunächst wieder in den Ländern. 1948 beauftragten die drei Westalliierten die elf Ministerpräsidenten aus den drei westlichen Besatzungszonen, eine Verfassung für die Westzonen zu entwerfen. Die Landesparlamente wählten die Mitglieder des Parlamentarischen Rates. Dieser erarbeitete den Entwurf des Grundgesetzes. Das Bonner Grundgesetz wurde von den Landtagen mehrheitlich angenommen, von Konrad Adenauer am 12. Mai verkündet und trat am 23. Mai 1949 in Kraft.

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      Das Grundgesetz stellt den Bundestag in das Zentrum des parlamentarischen Regierungssystems. Der Bundestag wählt den Bundeskanzler (Art. 63, 67 GG). Er darf sich nicht selbst auflösen. Allein der Bundespräsident kann den Bundestag auflösen – und dies nur in den in Art. 63 Abs. 4 S. 3 und Art. 68 Abs. 1 GG genannten beiden Fällen. Dazu ist es bislang dreimal gekommen (1972, 1982 und 2005).

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