In gleicher Weise enthält Beispiel 11 c) zwei unselbständige Ergänzungen[11]: Die mögliche Unangemessenheit der Klausel ergibt sich weder aus der Person des Hauptschuldners noch aus der Bezeichnung der Hauptforderung, sondern aus dem Umstand, dass der Bürge jenseits des Kredits, der Anlass für die Bürgschaft ist, für weitere Forderungen der Bank gegen den Hauptschuldner einstehen soll[12].
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Dagegen manifestiert sich im Beispiel 11 d) eine selbständige Ergänzung: Weder die Globalzession als solche noch ihr Umfang können die Unangemessenheit der Sicherungsabtretung begründen, sondern allein eine mögliche Übersicherung der Bank. Ob eine solche gegeben ist, richtet sich nach der sog. Deckungsgrenze, d.h. danach, welche Höhe die abgetretenen Forderungen erreichen müssen, um das vertraglich fixierte Sicherungsbedürfnis der Bank zu befriedigen. Von einer Übersicherung spricht man dann, wenn jene Deckungsgrenze höher angesetzt ist, als es das objektiv schutzwürdige Sicherungsbedürfnis der Bank gebietet[13]. Die mögliche Unangemessenheit ergibt sich also gerade aus der Höhe der handschriftlich eingesetzten Deckungsgrenze. Gleichwohl wird im Ergebnis meist eine AGB anzunehmen sein: Nach dem typischen Verlauf von Verhandlungen über die Gewährung eines Kredits ist der Kreditnehmer auf das Geld der Bank angewiesen und steht vor der Wahl, den Kredit entweder zu den Bedingungen der Bank aufzunehmen oder überhaupt nicht. Die Bank wird den Umfang der verlangten Sicherheiten daher einseitig festlegen; der Kreditnehmer wird nicht dazu aufgerufen sein, hier mit eigenen Gestaltungsvorschlägen in die Verhandlungen einzutreten – dies auch deshalb nicht, weil ihm jede Sachkunde fehlt, um die Bonität der angebotenen Sicherheiten aus bankwirtschaftlicher Sicht angemessen bewerten zu können.
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Schließlich sind auch etwaige Einfügungen in Beispiel 11 e) selbständige Ergänzungen; denn die mögliche Unangemessenheit ergibt sich gerade aus der angegebenen Vertragsdauer[14]. Ob es sich hierbei um AGB oder Individualabreden handelt, ist gerade bei Laufzeitklauseln noch nicht abschließend geklärt. Die Klauselgestaltung in Beispiel 11 e) wertete der BGH[15] als AGB, weil der vorformulierte Vorschlag des Versicherers (10 Jahre) das Erscheinungsbild der Klausel dominiere und die Möglichkeit, statt dessen eine andere Laufzeit zu vereinbaren, in den Hintergrund dränge. Der Versicherungsnehmer werde nicht dazu aufgerufen, eine eigene Wahl über die Dauer des abzuschließenden Vertrages zu treffen. Dagegen liege eine Individualabrede vor, wenn die Rubrik „Vertragsdauer“ oder „Vertragslaufzeit“ überhaupt keinen vorformulierten Vorschlag des Verwenders enthalte, sondern ausschließlich mit Leerstellen besetzt sei; dann bleibe dem Kunden gar nichts anderes übrig, als sich selbst Gedanken über die gewünschte Laufzeit zu machen und diese dem Verwender als eigenen Gestaltungsvorschlag nahezubringen[16]. Selbst in einem solchen Fall ist die vereinbarte Laufzeit AGB, wenn Mitarbeiter des Verwenders plan- und routinemäßig eine bestimmte Laufzeit einsetzen und den Kunden unter Hinweis darauf, diese Laufzeit sei üblich, davon abbringen, sich eigene Gedanken über die angemessene Vertragsdauer zu machen[17]. Im Einzelnen bestehen hier noch Unschärfen: Eine AGB soll anzunehmen sein, wenn das Formular die Alternativen: „ □ 10 Jahre □ 5 Jahre □ . . . Jahre“ enthalte[18]. Dies mag man wiederum mit dem Argument begründen, die Überlegungen des Kunden würden von vornherein stark auf die vom Verwender vorgegebenen Alternativen fokussiert. Wenn dem Kunden mehrere alternative Klauseln vorgelegt werden, die allesamt vom Verwender vorformuliert sind (z.B. Ankreuzoptionen, unterschiedliche Laufzeiten, ggf. mit unterschiedlichen Entgelten), so ist die gesamte Klausel vorformuliert, weil andere als die vom Verwender vorgesehenen Alternativen nicht zur Verfügung stehen[19].
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Im Beispiel 11 f) ist ebenso eine selbständige Ergänzung gegeben; denn die mögliche Unwirksamkeit resultiert gerade aus der Dauer des Kündigungsverzichts. Da diese Dauer vom Vermieter vorgegeben worden war, sah der BGH die Klausel als AGB an[20]. Das gleiche gilt, wenn der Vermieter in ein von ihm in ständiger Praxis verwendetes Formular handschriftlich den Kündigungstermin einsetzt[21].
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Im Falle alternativer vorformulierter Klauseln (Beispiel 11 e)) verlagert sich der Schwerpunkt der Diskussion auf die Frage, ob diese Klauseln „gestellt“ oder „ausgehandelt“ sind. Der BGH hat eine Klausel, die mehrere Laufzeitalternativen angibt und nach ihrer Gestaltung die Wahl des Kunden nicht beeinflusst, eine ausgehandelte Klausel angenommen[22]. Andernorts hat er derartige Klauseln für „gestellt“ und damit für AGB gehalten, ohne nach einer solchen Einflussnahme zu fragen[23]. Bei Ankreuzalternativen kann ferner die Frage aufgeworfen sein, ob die Klausel überhaupt Vertragsbestandteil geworden ist und wenn ja, mit welchem Inhalt. Der BGH hatte über einen Bauvertrag zu befinden, der mehrere vom Bauherrn vorformulierte Varianten für eine Vertragsstrafe wegen Bauverzögerung (dazu Teil 4 Rn. 833 ff.) enthielt. Keine (!) dieser Varianten war angekreuzt worden. Damit war nach der zutreffenden Ansicht des BGH auch keine Vertragsstrafe vereinbart[24].
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Tipp
In der Praxis ist also eine zweistufige Prüfung vorzunehmen:
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Ergibt sich die mögliche Unangemessenheit schon aus dem Vordruck? Dann sind immer AGB gegeben und konsequent einer Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle zu unterwerfen.
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Ergibt sich die mögliche Unangemessenheit erst aus der individuellen Ergänzung? Dann liegen AGB nur vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Kunde nicht zu eigenständigen Gestaltungsvorschlägen aufgerufen ist.
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Bei alledem ist folgendes zu beachten: Ergibt sich im Mandantengespräch oder in der Beweisaufnahme, dass der Verwender oder seine Mitarbeiter die Leerstelle im Vertragstext bei einer Vielzahl von Verträgen gleichförmig ausgefüllt haben, so ist die hand- oder maschinenschriftliche Ergänzung „im Kopf“ des Verwenders vorformuliert und folglich immer AGB.
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Anmerkungen
[1]
BGH NJW 1996, 249, 250.
[2]
BGHZ 184, 259 Rn. 10; BGH WM 1983, 1408; MK/Basedow BGB, § 305 Rn. 14; Sonnenschein NJW 1980, 1489, 1491; Staudinger/Schlosser BGB, § 305 Rn. 28; Soergel/Stein BGB, § 1 AGBG Rn. 9; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 21; Wolf/Lindacher/Pfeiffer AGB-Recht, § 305 BGB Rn. 14.
[3]
Zutreffend BGH NJW 1988, 410; BGH NJW 1992, 2759 f.; BGH NJW-RR 1997, 1147; BGH NJW 1998, 1066, 1068; BGH NJW 1999, 2180, 2181; BGH NJW 2005, 2543, 2544; BGH NJW-RR 2014, 1133 Rn. 20; OLG Dresden BB 1999, 228; OLG Karlsruhe DNotZ 1987, 688, 690; OLG Köln NJW-RR 1995, 758; LG Berlin WRP 2008, 1392, 1394; aus dem Schrifttum statt vieler Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 36.
[4]
In Anlehnung an 89 HZ 82, 21 (sog. Tagespreisklausel).