2. Pflichtverletzung
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L müsste eine Rücksichtnahmepflicht gegenüber der GmbH verletzt haben, deren Inhalt und Umfang davon abhängt, inwieweit durch den vorvertraglichen Kontakt ein Vertrauensverhältnis entstanden ist.
Das Pflichtenprogramm, das die Vertragsanbahnung begründet, wird durch die Vorschriften des BGB nicht konkretisiert. Durch die Bezugnahme von § 311 II BGB auf § 241 II BGB wird nur der allgemeine Pflichtenrahmen in Übereinstimmung mit dem früheren, gewohnheitsrechtlich geltenden Recht sehr allgemein umschrieben. Die Hauptfallgruppen[20] der culpa in contrahendo sind:
• | Körper- und Eigentumsschäden |
• | Abbruch von Vertragsverhandlungen |
• | Verzögerungen der Vertragsverhandlungen |
• | öffentliche Ausschreibungen |
• | unwirksame Verträge oder Vertragsbedingungen sowie |
• | wirksame, aber inhaltlich nachteilige Verträge. |
Hier kommen zwei Anknüpfungspunkte für eine Pflichtverletzung in Betracht:
a) Ehrenwort
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Zum einen hat L dem GF sein Ehrenwort gegeben und ihn dadurch von einer notariellen Beurkundung abgehalten. Die Vertragsverhandlungen führten zwar scheinbar zu einem Vertragsschluss, tatsächlich ist der Vertrag aber aufgrund des Verhaltens des L nicht wirksam zustande gekommen (Fallgruppe der Haftung bei unwirksamem Vertrag). Dieser könnte deshalb wegen Verursachung der Unwirksamkeit schadensersatzpflichtig sein.
Möglich erscheint es auch, die Pflichtverletzung des L darin zu erblicken, dass er es unterlassen hat, sein Ehrenwort einzulösen und den Vertrag zu erfüllen. Damit ein Unterlassen eine Pflichtverletzung darstellt, muss eine Rechtspflicht zum Handeln bestehen. Diese kann nur aus dem vorangegangenen Geben des Ehrenworts resultieren. Über den Umweg des Unterlassens sind deshalb im Kern die gleichen Überlegungen anzustellen.
Grundsätzlich fällt die Vertragsnichtigkeit aber in den Risikobereich beider Parteien. Durch die Gewährung des Vertrauensschadens würde ein indirekter Zwang zur Erfüllung des formnichtigen Geschäfts ausgeübt, der mit dem Schutzzweck der Formvorschrift in der Regel nicht zu vereinbaren ist. Bei der Annahme einer Haftung ist deshalb generell Zurückhaltung geboten.[21]
Außerdem besteht die Besonderheit des vorliegenden Falls darin, dass GF die Formbedürftigkeit bekannt war. Er vertraute gerade nicht auf die Gültigkeit des Vertrags, sondern lediglich darauf, dass L sein Versprechen freiwillig einlösen und das Grundstück übereignen würde. Ob dieses Vertrauen schutzwürdig ist, ist mit denselben Argumenten zu bejahen oder zu verneinen, die bereits zur Prüfung von § 242 BGB herangezogen wurden. Entscheidend ist, dass die Fallbearbeitung an dieser Stelle konsistent ist und keine Wertungswidersprüche zur obigen Prüfung bei § 311b I BGB entstehen.
b) Verzögerte Information nach Vertragsschluss
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Der zweite Anknüpfungspunkt für eine mögliche Pflichtverletzung des L liegt in seinem weiteren Verhalten nach Vertragsschluss. Ursprünglich lag zwar eine Verkaufsbereitschaft auf Seiten des L vor. Nachdem er von dem Vermächtnis erfahren hat, ist er hiervon innerlich abgerückt. Statt GF über die geänderten Umstände direkt zu unterrichten, hat L bewusst zögerlich reagiert und GF dadurch einige Tage im Unklaren gelassen. Eventuell hätte L den GF über die geänderte Sachlage unmittelbar aufklären müssen. Seine Verpflichtung hierzu könnte sich aus dem durch das vorangegangene Edelmannswort geweckte Vertrauen in die Erfüllung des Kaufvertrags ergeben.
Insoweit ähnelt die Situation der für die culpa in contrahendo anerkannten Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen. Grundsätzlich hat aber jede an Vertragsverhandlungen beteiligte Partei das Recht, vom Vertragsschluss letztlich doch Abstand zu nehmen, ohne dies begründen zu müssen oder sich dadurch schadensersatzpflichtig zu machen. Wenn der andere Teil sich ausgerechnet hat, der Vertrag werde zustande kommen und er deshalb Aufwendungen tätigt, so ist das seine Sache. Selbst wenn der andere Teil von diesen Aufwendungen weiß, begründet das allein keine Haftung aus culpa in contrahendo.[22] Hinzukommen müssen weitere Umstände, die eine Haftung wegen enttäuschten Vertrauens ausnahmsweise rechtfertigen.
Bei formbedürftigen Verträgen wird eine Haftung erwogen, wenn die Abschlussbereitschaft nur vorgetäuscht war oder wenn der Vertragspartner nicht offenbart, dass er zwischenzeitlich von seiner anfänglichen Abschlussbereitschaft abgerückt ist.[23] Regelmäßig wird allerdings ein vorsätzliches pflichtwidriges Verhalten gefordert.[24]
Fraglich ist, ob L ein pflichtwidriges, noch dazu vorsätzliches, Verhalten zur Last fällt, weil er einige Tage gewartet hat, bevor er GF die geänderte Sachlage mitteilte. In Anbetracht der Tatsache, dass das Vermächtnis für L plötzlich und unvorhergesehen kam und es sich zudem um den Verkauf des sehr wertvollen Familiensitzes des L handelt, können ihm durchaus einige Tage Bedenkzeit zugestanden werden. Andererseits hätte er den GF auch vom Vermächtnis unterrichten und sich eine Überlegungszeit vorbehalten können. Damit hätte er GF wenigstens die Möglichkeit gegeben, eventuell parallel stattfindende Ausgaben zu stoppen. Das Architektenhonorar war indes bereits bezahlt, weshalb es insoweit an der Kausalität zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem Schaden fehlt. Der GmbH sind durch das Zögern des L keine weiteren Kosten entstanden. Auf die Frage der Vorsätzlichkeit kommt es deshalb nicht an.
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Hinweis zum Aufbau:
Die vorstehende Argumentation vermischt bei dem zweiten Ansatzpunkt (verzögerte Information) Fragen der Pflichtverletzung, des Verschuldens und der Kausalität. Dies ist der besseren Verständlichkeit geschuldet, weil zwei Pflichtverletzungen angesprochen werden, die gut vertretbar bejaht und verneint werden können. Da nur im Fall der Pflichtverletzung durch Geben des Ehrenworts ein kausaler Schaden denkbar ist, wird die ausführliche Prüfung mit diesem Argumentationsstrang fortgeführt. Die Pflichtverletzung aufgrund verspäteter Mitteilung des Sinneswandels wird dagegen nicht weiterverfolgt, auch wenn die fehlende Kausalität nach streng logischer Reihenfolge erst zu einem späteren Zeitpunkt zu prüfen wäre.
3. Vertretenmüssen
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L müsste die Pflichtverletzung (Geben des Ehrenworts) zu vertreten haben. Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, § 276 I BGB. Als L den GF davon abhielt, den Notar anzurufen und dadurch eine notarielle Beurkundung verhinderte, handelte er vorsätzlich.
4. Schaden und Anspruchsinhalt
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Nach § 249 I BGB ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte. Bei der Haftung aufgrund des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen ist in der Regel der Vertrauensschaden zu ersetzen. Damit ist das negative Interesse angesprochen: Der Gläubiger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hätte. Im Gegensatz zum Vertrauensschaden steht das positive Interesse (Erfüllungsinteresse): Bei diesem ist der Gläubiger so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß