140
Von praktisch besonderer Bedeutung für die Machtposition des (Minister-)Rates ist schließlich seine Kompetenz, die Gehälter und Ruhestandsbezüge der wichtigsten Funktionsträger der EU festzulegen. Dies gilt für den Präsidenten des Europäischen Rates, den Kommissionspräsidenten, den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, die Kommissionsmitglieder, die Mitglieder und den Kanzler des EuGH und den Generalsekretär des (Minister-)Rates (Art. 243 AEUV).
ee) Kontrolle
141
Der (Minister-)Rat nimmt verschiedene Kontrollzuständigkeiten wahr, die gegenüber anderen Unionsorganen und den Mitgliedstaaten bestehen. Dies gilt für die Kontrolle der Kommission im Bereich der Außenhandelspolitik (Art. 207 III AEUV) und für das Recht des (Minister-)Rates, Amtsenthebungsverfahren gegen Kommissionsmitglieder anzustrengen (Art. 245 II, 247 AEUV). Außerdem ist der (Minister-)Rat für die Feststellung und Sanktionierung von übermäßigen Defiziten bei mitgliedstaatlichen Haushalten und damit die Sicherstellung einer unionsweiten Haushaltsdisziplin zuständig (Art. 126 VI ff. AEUV).[30] In ähnlicher Weise überwacht der (Minister-)Rat die Konvergenz der Wirtschaftsleistungen sowie die Unionskonformität der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, was ebenfalls mit Sanktionen verbunden werden kann (Art. 121 III, IV AEUV).
ff) Außenvertretung
142
Schließlich liegt beim (Minister-)Rat auch die Koordinierung der außenpolitischen Kompetenz der Union. Als „Rat Auswärtige Angelegenheiten“ (dem die Außenminister der Mitgliedstaaten angehören) wirkt er auf ein politisch geschlossenes und einheitliches Auftreten der EU und ihrer Mitgliedstaaten nach außen hin. Zugleich ist der (Minister-)Rat – auf der Basis von Vorarbeiten der Kommission – für den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen zuständig (Art. 218 AEUV).
5. Kommission
Vertiefungshinweis:
Fischer/Fetzer, Europarecht, Rn. 102-121.
a) Bedeutung und Zusammensetzung
143
Ist der (Minister-)Rat das politische Herzstück der EU-Organisation, bildet die Kommission das administrative Zentrum der EU (siehe im Einzelnen unten, Rn. 148). Deshalb beschäftigt sie auch den weit überwiegenden Teil aller EU-Bediensteten: Während bei der Kommission rund 32 000 Menschen arbeiten, sind es im Parlament über 7500 und beim Generalsekretariat des (Minister-)Rates ca. 3500 Personen.[31]
144
Die Kommission soll als unabhängige und objektive Behörde das europäische Gemeinwohl sicherstellen und allein dem Unionsinteresse verpflichtet sein (vgl. Art. 17 III UA 3 EUV).[32] Dadurch unterscheidet sich die Kommission vom (Minister-)Rat, der natürlich primär den Interessen der entsendenden Mitgliedstaaten verpflichtet ist, aber auch zum EP, in dem parteipolitische Interessen dominieren. Allerdings steht dieses Konzept einer sachbezogen agierenden Fachbehörde in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den Bemühungen einer (Partei-)Politisierung der Kommission im Zuge der Aufstellung von Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten und zur Entsendungszuständigkeit der Mitgliedstaaten.[33]
145
Die Kommission besteht aus der Kommissionspräsidentin, dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und (derzeit) 25 Kommissaren. Dabei korrespondiert die Gesamtzahl der 27 Kommissionsmitglieder mit der Zahl der 27 Mitgliedstaaten, wobei jeder Staat ein Mitglied entsendet (Art. 17 IV EUV). Zwar gilt seit 2014 der Grundsatz, dass die Zahl der Kommissionsmitglieder nur noch zwei Drittel der Mitgliedstaaten (also 18) betragen und dadurch schlagkräftiger werden soll; allerdings kann der Europäische Rat einstimmig davon abweichen. So wurde 2009 beschlossen, dass auch weiterhin jeder Mitgliedstaat ein Kommissionsmitglied stellen soll. Aufgrund politischer Festlegungen v.a. kleinerer Mitgliedstaaten hat der 2/3-Grundsatz derzeit keine Umsetzungsperspektive.[34]
146
Die Präsidentin der Kommission nimmt innerhalb des Gremiums eine klare Führungs- und Leitungsrolle ein:
– | Dies beginnt mit ihrer herausgehobenen Einzelwahl und -ernennung durch den Europäischen Rat und das EP (Art. 17 VII UA 1 EUV). |
– | Des Weiteren hat die Präsidentin eine starke Stellung bei der personellen Zusammenstellung „ihrer“ Kommission: So bedarf die Auswahl der übrigen Kommissionsmitglieder ihrer Zustimmung und sie kann jedes Kommissionsmitglied zum Rücktritt verpflichten (Art. 17 VI UA 2, VII UA 2 EUV). |
– | Außerdem kommt der Präsidentin die interne Organisationshoheit der Kommission zu: Sie entscheidet über die Ressortverteilung unter den einzelnen Kommissionsmitgliedern (Art. 248 AEUV) und über ihre Stellvertretung mit Ausnahme des als Vizepräsidenten gesetzten Hohen Vertreters der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 17 VI UA 1 lit. c, 18 IV EUV). |
– | Schließlich legt die Präsidentin die Leitlinien für die Arbeit der Kommission fest und verfügt so über eine (auf die Kommission) beschränkte Richtlinienkompetenz (Art. 17 VI UA 1 lit. a AEUV). |
147
Die Kommissionsmitglieder müssen „aufgrund ihrer allgemeinen Befähigung und ihres Einsatzes für Europa […] die volle Gewähr für ihre Unabhängigkeit bieten“ (Art. 17 III UA 2 EUV). Sie dürfen auch keine Weisungen entgegennehmen oder einholen, insbesondere nicht von Ihrem entsendenden Heimatstaat (Art. 17 III UA 3 EUV). Diese wohlklingenden Sätze kontrastieren etwas mit der politischen Wirklichkeit, wonach es nach wie vor die nationalen Regierungen sind, die im Wesentlichen über die Person „ihres“ jeweiligen Kommissars entscheiden. Denn die Kommission wird (mit Ausnahme ihrer Präsidentin, die einzeln auf Vorschlag des Europäischen Rates vom EP gewählt wird) vom (Minister-)Rat auf der Basis von Vorschlägen der einzelnen Mitgliedstaaten zusammengestellt und – nach einer Kollektivbilligung durch das EP – für die Dauer von fünf Jahren ernannt (Art. 17 III UA 1, VII EUV).
aa) Exekutivfunktionen
148
Zu den zahlreichen Exekutivaufgaben der Kommission gehören gem. Art. 17 I EUV
– | die Durchsetzung der Umsetzung und Anwendung des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten (dazu nachfolgende Rn.), |
– | die Aufstellung und der Vollzug des EU-Haushaltsplans (Art. 314, 317 ff. AEUV), |
– | die Verwaltung der vielfältigen Förder- oder Aktionsprogramme der Union (etwa in den Bereichen Forschung oder Umwelt) oder |
– | Aufgaben der direkten Gemeinschaftsverwaltung etwa bei den Gemeinschaftsfonds im Agrar- und Strukturbereich oder in der Verkehrs-, Wettbewerbs- und Agrarpolitik.[35] |