Der Fuchs. Johanna Breitwieser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johanna Breitwieser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991076360
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und des Feuers auf Achill über. Dieser war darüber natürlich hocherfreut. Währenddessen war die Magie des Mondsteins wieder zusammengefügt worden und vereinte sich in Hektors Amulett. Ist die Geschichte nicht einfallsreich und kreativ? Aietes war verständlicherweise nicht begeistert von dieser Entwicklung. Der eigentliche Plan sah vor, alle Magie des Universums an sich zu reißen, um anschließend Griechen wie Trojaner endgültig auszulöschen. Das war ja nun ziemlich danebengegangen, und Schuld daran war nur Odysseus. Diese Meinung vertrat jedenfalls der Drachenfürst.

      Die kleinen Naturzauberkräfte gingen auf den Listenreichen über, und die Herrschaft der Winde, die einst der große Aiolos befehligte, fiel auf Paris. Das Machtverhältnis war wieder in seinem ursprünglich geviertelten Zustand. Alles war in bester Ordnung. Trotz alledem hätte es paradoxer kaum sein können. Nach dieser ausgiebigen Energiezufuhr leuchteten die Augen Achills vor Freude. Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Er war nun der Wächter der olympischen Flamme. Augenblicklich schwor er sich, diese Position zu halten, komme, was da wolle. Der Abgott würde diesen Anspruch bis an sein Ende verteidigen. Die Aura, die er nun ausstrahlte, stellte jeden mediterranen Sonnenuntergang in den Schatten. Achilles war nun auserwählt, dessen war er sich völlig sicher. Eine ungeahnte Magie durchströmte ihn plötzlich. Es glich einem klaren Morgen, an dem die Vorhänge zur Seite gezogen werden und die ersten warmen Sonnenstrahlen den Raum durchdringen. Alles an ihm glänzte und leuchtete im Licht einer funkelnden Wolke. Diese hatte sich in der gesamten Halle ausgebreitet. Das Gegenstück, der Mondstein, sandte grelle Blitze in die Luft. Diese kollidierten mit der Flamme, und innerhalb kürzester Zeit wurde die unterirdische Halle in Stücke gerissen. Die Magie war so stark, dass sich die Wände aufzulösen schienen. Feige wie Aietes und Minos nun mal waren, flohen sie abermals so schnell wie möglich. An dieser Stelle war dies jedoch verzeihlich, da Achilles mithilfe der Flamme das Erdreich zum Explodieren brachte. Der Drachenfürst brachte es als talentierter Zauberer durchaus fertig, seinen Schwager und sich an einen sichereren Ort zu transferieren. Sie zogen sich in ihre eigene Wehrfeste zurück, die hoch in den Bergen lag. Kaum waren sie verschwunden, lichtete sich auch die Umgebung wieder. Das Portal war durch die Erschütterungen freigelegt worden, und bald machte sich Ratlosigkeit breit. „Was ist denn hier gerade passiert?“, fragte Odysseus etwas neben sich stehend. Doch schließlich hatte so ein Ereignis auch nichts Alltägliches an sich. „Eine sehr berechtigte Frage, aber ich denke, ich bin gerade zum Wächter der olympischen Flamme geworden“, merkte Achilles an. „Hört, hört, er kann seit Neuestem auch noch denken, der Abgott Achilles“, stichelte Hektor leicht. Eine klaffende Wunde zog sich von seinem linken Haaransatz quer über die Stirn bis hin zum rechten Nasenflügel. Das Amulett in seiner Hand leuchtete wie der Mond selbst. Achill ging langsam auf ihn zu. Mit hoch erhobenem Haupt stand er dem anderen gegenüber. „Ich würde lieber schweigen, es sei denn, du willst unbedingt eine zweite hässliche Narbe davontragen. Wäre doch etwas bedauerlich und schade um dein Gesicht, nicht wahr, Hektor?“

      „Achilles! Achilles! Da bist du ja endlich. Bitte, sieh mir nach, dass ich abgehauen bin.“ Patroklos kam auf ihn zu gelaufen. Er fiel dem Peliden direkt in die ausgebreiteten Arme. Heiße Tränen rannen ihm vor Erleichterung übers Gesicht. „Ich hatte solche Angst … ich … tut mir leid … verzeih mir bitte … ich habe …“, stotterte er vor sich hin. „Schon gut, Pat, ich hätte dir mehr Zeit geben sollen. Da bin ich dir jetzt wohl mehr als eine Antwort schuldig.“ Sein Schüler klammerte sich geradezu an ihm fest. Der Abgott presste seine Lippen auf dessen Augenbrauen und den zarten Hals. „He, Pat, du brauchst dich nicht mehr zu ängstigen. Ich bin immer bei dir und beschütze dich.“ In ihrem Windschatten waren Telemachos, Aeneas, Romulus und Remus aufgetaucht. Achilles hielt Patroklos immer noch fest umschlungen, flüsterte ihm beruhigende Worte zu und strich ihm übers Haar. „Bei Hermes und Pallas Athena!“, rief Odysseus plötzlich aus. Alle wirbelten zu ihm herum. Der König von Ithaka starrte gebannt auf seine Handinnenflächen. Um ihn herum erblühten Blumen, Pflanzen und Bäume auf ein Neues. Glitzernder Blütenstaub schwebte langsam rund um ihn herum zu Boden. Dort erscheinen sogleich neue Gewächse. „Große Götter, ist das abgefahren, Vater!“ Telemachos sah ihn voller Bewunderung an. Achilles und Hektor stimmten in diesem Punkt einhellig dem Sohn der Penelope zu. Das war wirklich erstaunlich. „Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich falle um vor Hunger“, sprach der Listenreiche, nachdem er sich damit abgemüht hatte, von einem gerade frisch erschienenen Baum ein paar Früchte zu pflücken. Achilles lachte. Und dieses Lachen war so ungezwungen, dass es ihn noch schöner erschienen ließ. In jenem Moment sah er wundervoll aus mit seinem blonden Haar und den blauen Augen. „Ach ja, Odysseus, da sagst du was. Waren wir nicht ursprünglich zum Essen verabredet?“, stellte Aeneas fest. Alle bejahten.

      Ende von Kapitel zwei

      „Götter, dieser Wein ist wirklich eine Zumutung!“, zischte Achilles und spuckte angewidert den Inhalt seines Mundes auf den Boden. Er nahm sich eines der Brote und begann langsam darauf herum zu kauen. „Es ist hoffnungslos. Das alles hier. Umsonst.“ Er biss ein weiteres Stück ab. „Dann stimmt es also, du bist einfach nur ein schlechter Verlierer. Weißt du, mir macht es längst nichts mehr aus, wenn du mich beleidigst oder erniedrigst. Vielleicht hast du sogar ausnahmsweise einmal recht. Was die jetzige Situation aber betrifft, haben wir schon verloren, wenn wir gleich aufgeben, ohne zu kämpfen!“ Hektor lehnte sich leicht zur Seite, um genauer in diese furchtbar blitzenden Augen zu sehen. „Ha, diese naive Hoffnung ist etwas für niedrige Geister. Gemüter, die sich an schlichte Lösungen halten, weil sie das Unabwendbare nicht akzeptieren können. Für mich zählen die Naturgesetze. Fressen und gefressen werden, das ist der Lauf aller Dinge. Und wenn wir dieses Mal untergehen, dann soll es eben wohl so sein.“ Achilles griff erneut zu diesem äußerst grässlichen Gesöff und stürzte es schnell hinunter. Hektor wickelte sich fester in seinen Umhang. Ihm war sehr kalt geworden. „Aber, wenn wir keine Hoffnung mehr haben, dann haben wir überhaupt nichts mehr. Da fällt der Himmel auf uns hinab und bricht in tausend Stücke. Nun, dir scheint das ja auch gleich zu sein.“ Achilles schwieg. Die Temperatur sank weiter in Richtung Gefrierpunkt. Das Feuer war schließlich ganz erloschen. Totale Stille. Totenstille. Dann ein Geräusch. „Was war das?“ Ein Blick in die Dunkelheit. „Ich denke, ich weiß, was das war, und Götter, hoffentlich irre ich mich.“ Achill tastete nach seinem Schwert. Vergeblich versuchte Hektor, ebenfalls auf die Beine zu kommen. Doch sein verletzter Oberschenkel verweigerte jede Bewegung. Er konnte nicht mehr tun, als unter dem Peliden kauernd weiter zu verharren. Da glomm gleißendes gelbes Licht auf. Ein Augenpaar, jedes einzelne Auge von der Größe einer Turmuhr, starrte sie an. Das Wesen hatte sich genau vor ihnen aufgebaut. Achilles fiel als Erster wie vom Blitz getroffen um. Ungebremst schlug er auf den harten Felsen auf. Seine Rüstung schepperte unheilvoll. Seinem Gefährten war nichts geschehen. Hektors Wunde hatte wieder zu bluten begonnen, sodass er nun, über den Verband gebeugt, sitzen blieb. Sein Blick war nach unten gerichtet. So hatte das Licht ihn nicht erreichen können. Er sah erst wieder vorsichtig hoch, als Achill neben ihm aufprallte. Der Trojaner brauchte nicht lange, um zu begreifen, was geschehen war. Einer Intuition folgend griff er nach dem Schwert des Griechen und warf es nach oben in Richtung des Angreifers. Zwar war ihm durchaus bewusst, dass dieses normalerweise wenig dazu geeignet war, um als Wurfgeschoss verwendet zu werden, doch im Notfall war dies legitim. Um das Ungeheuer nicht zu verfehlen, spähte er kurz in dessen Richtung. Zum Glück strahlte kein gelbes Licht mehr aus dessen Augenhöhlen. Offenbar schien es zu glauben, beim ersten Angriff alle Feinde bezwungen zu haben. Ein fataler Fehler, wie sich herausstellen sollte. Die Bestie explodierte über ihren Köpfen, noch kurz darüber verwundert, aufgespießt zu werden. Hektor atmete schwer, biss die Zähne zusammen und kroch zu Achilles. Während­dessen regnete es Magensäfte und Organe. Das schwarze dickflüssige Blut ergoss sich über den Felsen. Mit zwei Händen packte er Achilles und schüttelte ihn. „Verfluchter Mist, Pelide! Wach auf! Komm schon, wir dürfen nicht aufgeben!“ Doch der Blonde regte sich nicht. Entgeistert schrie er ihn weiter an. „Achilles, du Dreckskerl, kannst mich doch hier nicht alleine lassen!“ Ein Krampf durchfuhr seinen Körper. Die Schmerzen im Bein brachten ihn fast um. Dennoch zerrte und rüttelte er an dem Griechen wie wild. Dem Wahnsinn immer näher drosch er schließlich mit der Faust auf dessen makelloses Gesicht ein. Dieser, da bekanntlich unverwundbar, trug keine einzige Schramme davon, obgleich die Wucht ausgereicht hätte, um seine Zähne herausbrechen zu lassen. Aber die Wirkung war dennoch erstaunlich. Der Schlag holte den Abgott wieder in die Gegenwart zurück. Achill öffnete