Zum EuGH: http://curia.europa.eu/
Zum EGMR: http://echr.coe.int/
sowie http://egmr.org/ (in deutsch)
5.2 Verwaltungs- und sozialrechtliche Rechtskontrolle
Die Fach- und Rechtskontrolle der Sozialverwaltung (Verwaltungskontrolle) unterscheidet sich aufgrund einer spezifischen Verknüpfung von verwaltungsinternen und gerichtlichen Kontrollinstrumenten stark von der Rechtskontrolle im allgemeinen Rechtsverkehr. Man unterscheidet im öffentlich-rechtlichen Bereich erstens zwischen sog. formlosen Rechtsschutzmöglichkeiten und Aufsichtsverfahren (hierzu 5.2.1) und zweitens förmlichen Rechtsbehelfen, insb. aufgrund eines Widerspruchs (im Steuerrecht: Einspruch) bei Verwaltungsakten (hierzu 5.2.2), sowie drittens den Instrumenten der gerichtlichen Rechtskontrolle (s. 5.2.3 und Übersicht 20).
Übersicht 20: Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Verwaltungsmaßnahmen (Rechtsbehelfe)
5.2.1 Verwaltungsinterne Kontrolle durch Aufsichtsverfahren
Behörden sind als öffentliche Verwaltungen hierarchisch gegliederte Organisationen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Im Bereich der Ministerialverwaltung findet man in der Regel einen dreistufigen Behördenaufbau (s. 4.1.2). Auch die Selbstverwaltungsträger sind im inneren Behördenaufbau hierarchisch organisiert. Sinn und Zweck der hierarchischen Rangordnung ist neben möglichst effizienten Organisationsstrukturen und Entscheidungsfindungsprozessen auch eine interne Kontrolle der Verwaltung.
Fachaufsicht
Unter dem Begriff Fachaufsicht versteht man die inhaltliche, aufgabenbezogene Kontrolle einer übergeordneten Behörde gegenüber Sachentscheidungen einer nachgeordneten Ebene (vgl. z. B. § 117 Abs. 2 ThürKO) bzw. die Kontrolle des Dienstvorgesetzten über seine Mitarbeiter. Sie umfasst sowohl die Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung als auch die Zweckmäßigkeit bei der Ermessensausübung (vgl. 3.4.2).
Dienstaufsicht
Rechtsaufsicht
Im Hinblick auf die Kontrolle des Aufbaus und der allgemeinen Geschäftsführung der Behörden sowie der Personalangelegenheiten spricht man hier auch von Dienstaufsicht. Demgegenüber geht es bei der Rechtsaufsicht lediglich um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, insb. der Selbstverwaltungsträger, auf ihre förmliche (vor allem verfahrensrechtliche) und materielle (inhaltlich rechtsbezogene) Rechtmäßigkeit (sog. Gesetzmäßigkeitskontrolle). Im Hinblick auf die staatliche Rechtsaufsicht gegenüber den Gemeinden in weisungsfreien Selbstverwaltungsangelegenheiten spricht man auch von Kommunalaufsicht (vgl. § 117 Abs. 1 ThürKO). Der innerhalb der gesetzlichen Grenzen bestehende Entscheidungsspielraum des Selbstverwaltungsträgers bleibt dabei unangetastet.
Neben der Rechts- und Fachaufsicht gibt es noch die Rechnungsprüfung, die Überwachung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung der öffentlichen Hand durch sog. Rechnungshöfe.
Welche Form der Aufsicht eingreift, richtet sich nach dem jeweiligen Verwaltungsaufbau (vgl. 4.1.2.1). Die Rechtsaufsicht des Staates ist unabhängig von der Verwaltungsorganisation stets zulässig und notwendig – es gibt also keinen rechtsfreien Raum. Die Fach- und Dienstaufsicht ist aber nur in einem hierarchischen Gefüge zulässig.
Das ist z. B. im Verhältnis des LJA (staatliche Behörde) zu den kommunalen JÄ nicht der Fall. In Selbstverwaltungsangelegenheiten, wie z. B. im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, gibt es keine Fachaufsicht über die Kommunen. Die Aufgaben des LJA sind ausdrücklich in § 85 Abs. 2 SGB VIII geregelt und beschränken sich mit Blick auf die kommunalen JÄ im Wesentlichen auf beratende und fördernde Tätigkeiten. Den LJÄ steht aber auch keine Rechtsaufsicht über die JÄ zu. Diese richtet sich nach den jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen (i. d. R. Kommunal- oder Gemeindeordnungen). Die Funktion der Kommunal- oder Rechtsaufsichtsbehörde über die kreisfreien Städte und Landkreise wird in den Ländern zumeist durch eine Landesmittelbehörde (z. B. Bezirksregierung, Regierungspräsidien, Landesverwaltungsamt, z. B. in Thüringen § 118 Abs. 2 ThürKO) wahrgenommen (sonst Innenministerium, § 171 NKomVG), die Rechtsaufsicht über kreisangehörige Gemeinden liegt in den meisten Bundesländern beim Landrat / Landkreis. Es gibt wie in den anderen Selbstverwaltungsangelegenheiten (z. B. Sozialhilfe) keine davon getrennte Rechtsaufsicht über die kommunalen (Jugend-) Ämter / Behörden. Das LJA kann gegenüber den JÄ lediglich Empfehlungen aussprechen und durch gezielte Beratung und (v. a. Ressourcen steuernde) Förderung diese zu einem bestimmten Verhalten veranlassen. Soweit das LJA in den staatlichen Behördenaufbau eingegliedert ist, unterliegt es selbst den Weisungen der nächsthöheren Behörde und der Fachaufsicht des Innenministeriums (z. B. § 15 NRW AGKJHG).
Im internen Verwaltungsaufbau der JÄ unterliegen deren Mitarbeiter grds. der Dienst- und Fachaufsicht ihrer Vorgesetzten, insb. der Jugendamtsleiter, der Sozialdezernenten und Bürgermeister. Wird das JA allerdings Amtspfleger oder -vormund, so überträgt es die Erledigung der Aufgabe einzelnen seiner Beamten oder Angestellten (§ 55 Abs. 2 S. 1 SGB VIII).Diese sind insoweit allein den Interessen des von ihnen vertretenen Mündels verpflichtet und unterstehen dabei nicht der Fachaufsicht durch eine staatliche Verwaltungsbehörde, sondern der Aufsicht des Familiengerichts (§ 1837 BGB; Münder et al. 2013b, § 55 Rz. 18 f.)
formlose Rechtsbehelfe
Aufsichtsverfahren werden entweder von Amts wegen durch die Aufsicht führende Behörde in Gang gesetzt oder durch die Beschwerde eines Bürgers ausgelöst. Sie sind Ausfluss des sog. Petitionsrechts nach Art. 17 GG. Mit der sog. Gegenvorstellung kann der Bürger ganz allgemein die nochmalige Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch die Ausgangsbehörde anregen (z. B. weil ihm aufgefallen ist, dass offensichtlich ein Versehen oder Tippfehler vorliegt oder wichtige Unterlagen nicht eingegangen oder berücksichtigt worden sind). An die nächsthöhere Stelle richtet sich die Fachaufsichtsbeschwerde, mit der die inhaltliche Überprüfung eines Vorgangs oder einer Entscheidung angeregt wird, während man sich mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde über das persönliche Verhalten eines Mitarbeiters (z. B. Beleidigung) einer Verwaltung beklagt. Gegenvorstellungen und Beschwerden ist gemein, dass sie – wie eine Petition, „Eingabe“ oder ein Gesuch und damit anders als der Widerspruch (hierzu 5.2.2) – formlos, ohne Einhaltung einer bestimmten Frist und selbst dann zulässig sind, wenn der Beschwerdeführer als Person überhaupt nicht betroffen ist und für einen anderen handeln will. Ihr Nachteil ist allerdings, dass der Bürger keinen Rechtsanspruch auf eine Entscheidung hat, sondern die Bearbeitung im Ermessen der Behörde steht. Das veranlasst manche zu der Bemerkung, diese Rechtsbehelfe seien „formlos, fristlos, … aber auch fruchtlos“. Allerdings kann man dies so pauschal für die Praxis nicht bestätigen. Insb. (in Form und Inhalt) angemessene (und nicht querulierende) Gegenvorstellungen veranlassen die Verwaltung durchaus dazu, Fehler zu korrigieren, ohne dass ihr „ein Zacken aus der Krone bricht“. Vor Dienstaufsichtsbeschwerden wird gelegentlich gewarnt, weil sich die Sachbearbeiter persönlich getroffen und angeschwärzt fühlen könnten und man sich gerade in Abhängigkeitsverhältnissen keine Feinde machen sollte. Allerdings sollte man