Grundzüge des Rechts. Thomas Trenczek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Trenczek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846387269
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Europäische und internationale Gerichtsbarkeiten

       5.2 Verwaltungs- und sozialrechtliche Rechtskontrolle

       5.2.1 Verwaltungsinterne Kontrolle durch Aufsichtsverfahren

       5.2.2 Widerspruchsverfahren

       5.2.3 Gerichtliche Kontrolle

       5.2.4 Kostenrisiken

       5.3 Ordentliche Gerichtsbarkeit

       5.3.1 Streitiges Gerichtsverfahren

       5.3.2 Freiwillige Gerichtsbarkeit

       5.3.3 Kostenrisiken

      Rechtsschutz

      Wesentliches Kennzeichen eines Rechtsstaates ist die Rechtsweg- und -schutzgarantie, die verfahrensrechtlich das materielle Gesetzlichkeitsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG: Bindung an Recht und Gesetz, vgl. 2.1.2.1) ergänzt. Nach Art. 19 Abs. 4 GG steht jeder natürlichen und juristischen Person der Rechtsweg offen, wenn sie durch die öffentliche Gewalt in ihren Rechten verletzt wurde. Ob das der Fall ist, haben dann letztlich die Gerichte zu prüfen. Darüber hinaus – z. B. in privatrechtlichen Streitigkeiten – garantiert der sog. Justizgewährungsanspruch (s. 2.1.2.3) den Zugang zu den staatlichen Gerichten (vgl. auch Art. 6 Abs. 1 EMRK). Das Recht auf Rechtsschutz beinhaltet stets den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. z. B.§ 62 SGG). Dieser Grundsatz gilt nicht nur vor Gericht, sondern im Rechtsstaat bereits im verwaltungsrechtlichen Verfahren, d. h. dem Bürger muss stets vor einer ihn in seinen Rechten belastenden hoheitlichen Entscheidung in geeigneter Weise Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben werden (§ 24 SGB X; vgl. III-1.2.2). Darüber hinaus garantieren die vor allem strafrechtlich relevanten Justizgrundrechte das Verbot von Ausnahmegerichten, die nur für bestimmte Fälle nachträglich eingesetzt werden (Art. 101 GG, § 16 GVG; hierzu IV-1.3 u. 3.2). Jede Form von Freiheitsentzug, also nicht nur als strafrechtliche Rechtsfolge, bedarf der richterlichen Entscheidung (Art. 104 Abs. 2 GG).

      Die Rechtsweggarantie besteht allerdings nicht unbeschränkt, sondern kann gesetzlich geregelt werden. Das hat der Gesetzgeber z. B. mit dem Aufbau der Gerichtsbarkeiten und den entsprechenden Verfahrensordnungen (z. B. Regelungen von Fristen, Beschränkung der Beschwerdemöglichkeiten gegen Gerichtsentscheidungen, dem sog. Instanzenzug; Notwendigkeit von außergerichtlichen Kontrollverfahren) getan.

      Nach Art. 97 GG ist die rechtsprechende Gewalt unabhängigen, d. h. nicht an Weisungen, sondern nur an Recht und Gesetz gebundenen Richtern anvertraut. An der Spitze stehen das BVerfG und die Bundesgerichte (Art. 92 ff. GG). Nach Ausschöpfung des deutschen Rechtsweges können darüber hinaus auch die europäischen Gerichtshöfe (s. 5.1.2) angerufen werden. Freilich kommen die meisten Fälle nicht vor diese Gerichte, sondern werden schon im System der Rechtskontrolle auf einer früheren Ebene entschieden.

      Rechtskontrolle wird nicht nur durch die Gerichte geleistet, sondern es gibt eine Vielzahl von außergerichtlichen Rechtsbehelfen, insb. im Hinblick auf die Kontrolle der öffentlichen Sozialverwaltung (hierzu 5.2). Dabei handelt es sich einerseits um verwaltungsinterne Aufsichtsverfahren, andererseits um sog. nicht förmliche Rechtsbehelfe sowie darüber hinaus um förmliche Rechtsbehelfe, insb. um den sog. Widerspruch. In privatrechtlichen Streitigkeiten wie auch in strafrechtlich relevanten Konflikten haben in den letzten 25 Jahren in Deutschland sog. alternative, d. h. außergerichtliche Konfliktregelungsverfahren an Bedeutung gewonnen (hierzu I-6).

      5.1 Gerichtsbarkeiten

      5.1.1 Deutsche Gerichtsbarkeiten

      Man unterscheidet in Deutschland zwischen mehreren Gerichtsbarkeiten, die unterschiedliche Kontrollmöglichkeiten und Rechtswege eröffnen (Art. 95 Abs. 1 GG). Von besonderer Bedeutung für die Soziale Arbeit ist hierbei vor allem die Kontrolle der öffentlichen Gewalt (insb. Verwaltungskontrolle), die aus historischen Gründen auch als sog. primärer Rechtsschutz bezeichnet wird (hierzu nachfolgend 5.2). Sie kümmert sich um Streitigkeiten bei der Anwendung Öffentlichen Rechts, für die insb. die Verwaltungsgerichte und die Sozialgerichte, aber auch die Finanzgerichte zuständig sind. Die Sozialgerichte sind für alle in § 51 SGG genannten Streitigkeiten zuständig. Das betrifft traditionell Angelegenheiten der Sozialversicherung wie auch der Arbeitsförderung, seit 2005 aber auch die Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II (Nr. 4a) sowie der Sozialhilfe nach dem SGB XII und des Asylbewerberleistungsgesetzes (Nr. 6a). Im Übrigen sind nach § 40 VwGO die Verwaltungsgerichte für alle anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zuständig (s. 5.2.2).

      ordentliche Gerichtsbarkeit

      Als sekundären Rechtsschutz bezeichnet man den Rechtsschutz, der den Bürgern insb. bei privatrechtlichen Streitigkeiten zur Verfügung steht und durch den sog. ordentlichen Rechtsweg (Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG) gewährt wird. Die Begriffe „sekundär“ und „ordentliche Gerichtsbarkeit“ (hierzu 5.3) sind nur historisch erklärbar als Abgrenzung zur sog. Verwaltungsrechtspflege, die der Gerichtsbarkeit entzogen war (s. u. 5.2.3). Der Begriff „sekundärer“ Rechtsschutz passt zudem insofern nicht, als nach Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG bei einer Rechtsverletzung durch die öffentliche Gewalt stets der Rechtsweg vor die ordentliche Gerichtsbarkeit gegeben ist, es sei denn, es ist ausdrücklich etwas anderes geregelt. Zur ordentlichen Gerichtsbarkeit werden nach § 13 GVG auch die Strafgerichte gerechnet, obwohl das Strafrecht zum öffentlichen Recht gehört (s. 1.1.4; ausführlich Teil IV-3). Zur sog. besonderen, „außerordentlichen“ Gerichtsbarkeit gehört neben den Gerichten der öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten auch die Arbeitsgerichtsbarkeit (vgl. Art. 95 Abs. 1 GG).

      Übersicht 19: Gerichtsbarkeiten in der Bundesrepublik Deutschland

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      Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte richtet sich also nach der zugrunde liegenden Rechtsmaterie (s. Übersicht 19). Der Gerichtsweg ist dabei mehrstufig in Instanzen aufgebaut, um auch erstinstanzliche Entscheidungen durch eine Berufung (vollständige Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung sowohl in tatsächlicher Hinsicht (ggf. inkl. Beweisaufnahme) als auch im Hinblick auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung) bzw. Revision (Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung nur in rechtlicher Hinsicht) überprüfen lassen zu können.

      Ungeachtet der großen Bedeutung der Bundesgerichte obliegt die Rechtsprechung organisatorisch überwiegend den Gerichten der Bundesländer (Art. 92 GG). Die örtliche (geografische) Zuständigkeit richtet sich im Verwaltungsgerichtsverfahren i. d. R. nach dem Sitz der Behörde (§ 52 Nr. 3 VwGO), im Sozialgerichtsverfahren zumeist nach dem Wohnsitz des klagenden Bürgers (§ 57 Abs. 1 SGG), im Zivilverfahren i. d. R. nach dem Wohnsitz des Beklagten (§§ 12 f. ZPO) bzw. dem gewöhnlichen Aufenthalt (§ 122 FamFG); im Strafrecht wird der Gerichtsstand i. d. R. durch den Ort der Tat bzw. den Wohnsitz des Angeklagten bestimmt (§§ 7 f. StPO).

      BVerfG

      Eine besondere Stellung nimmt das BVerfG ein, das in den in Art. 93 GG, § 13 BVerfGG genannten Fällen darüber wacht, ob die Regelungen des GG eingehalten werden. Von besonderer Bedeutung sind die Normenkontrollverfahren. Bei der abstrakten Normenkontrolle