Übersicht 11
Das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungs- berechtigten (§ 5) bedeutet:
1. im Rahmen der vorhandenen Einrichtungen und Dienste,
2. soweit dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist und
3. bei teilstationären und stationären Einrichtungen gemäß § 78a grundsätzlich nur, sofern Vereinbarungen nach § 78b existieren.
Wegen näherer Einzelheiten wird auf Fall 2 verwiesen.
2.2.2 Beteiligungsrechte (§ 8)
§ 8 enthält generelle Regelungen über die Rechtsstellung von Kindern und Jugendlichen bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SGB VIII.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 sind Kinder und Jugendliche entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen (!) sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie haben nach Abs. 2 das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das JA zu wenden. § 8 Abs. 3 beinhaltet bei Not- und Konfliktlagen einen expliziten Anspruch auf Beratung von Kindern und Jugendlichen durch das JA auch ohne Kenntnis der Personensorgeberechtigten, im Regelfall also der Eltern. Auf die Beteiligungsrechte sind Kinder und Jugendliche gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 in geeigneter Weise hinzuweisen (Wabnitz in GK-SGB VIII, § 8, Rz. 6 ff.).
Die genannten Rechte von Kindern und Jugendlichen (siehe Übersicht 12) stehen allerdings in einem Spannungsverhältnis zu den verfassungsrechtlich geschützten Elternrechten nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, auch wenn diese wiederum durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG begrenzt sind (siehe Kap. 1.2).
Übersicht 12
Elternrechte/Kinderrechte
1. Elternrechte haben nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG grund- sätzlich Vorrang vor staatlichen Aktivitäten auch bei der Erziehung der Kinder.
2. Deshalb gibt es nach der Konzeption des SGB VIII keine Rechtsansprüche von Kindern oder Jugendlichen auf Leistungen nach dem SGB VIII, deren Inhalt der elterlichen Erziehungsverantwortung entspricht. Und deshalb sind nur die Personensorgeberechtigten (und nicht die Kinder oder Jugendlichen; was allerdings in der Literatur vielfach – und zurecht – kritisiert wird!) ggf. Inhaber von Rechtsansprüchen auf Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27 ff., ergänzt durch Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen u. a. gemäß § 8 Abs. 1 und 2 sowie § 36.
3. Allerdings werden Elternrechte ggf. durch die Rechte von Kindern und Jugendlichen auf Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) begrenzt, und zwar
4. Schließlich kennt das SGB VIII Rechtsansprüche bzw. Leistungsverpflichtungen zugunsten von Kindern oder Jugendlichen (selbst), soweit Elternrechte (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) überhaupt nicht tangiert sind, z. B.
2.3Verpflichtungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
2.3.1 Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung (§§ 8a, 8b)
Vor dem Hintergrund spektakulärer Fälle von Kindesvernachlässigung und -missbrauch (vgl. z. B. zu „Kevins Tod“ Hoppensack 2007) hat der Gesetzgeber den aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleiteten und in § 1 Abs. 3 Nr. 3 statuierten Schutzauftrag des JA wiederholt und zuletzt durch das am 01.01.2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) u. a. in den §§ 8a und 8b konkretisiert (siehe Übersicht 13).
Übersicht 13
Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung (§§ 8a, 8b)
1. „Vorfeldarbeit“ des JA (§ 8a Abs. 1)
1.1 Einschätzung des Gefährdungsrisikos
1.2 Einbeziehung der/des Personensorgeberechtigten/Kindes/Jugendlichen, erforderlichenfalls „Hausbesuch“
1.3 Anbieten von Hilfen
2. Anrufen des Familiengerichts durch das JA (§ 8a Abs. 2 Satz 1),
2.1 falls dies mit Blick auf Sorgerechtseingriffe erforderlich erscheint oder
2.2 bei mangelnder Mitwirkungsbereitschaft.
3. Verpflichtung des JA zur Inobhutnahme (§ 8a Abs. 2 Satz 2)
3.1 bei dringender Gefahr für das Kindeswohl (vgl. auch § 42!),
3.2 und wenn Entscheidung des Familiengerichts (nach §§ 1666 ff. BGB) nicht abgewartet werden kann.
4. Zusammenarbeit JA mit anderen zuständigen Stellen (§ 8a Abs. 3):
4.1 mit anderen Leistungsträgern
4.2 mit Einrichtungen der Gesundheitshilfe
4.3 mit der Polizei
4.4 und anderen Stellen
5. Vereinbarungen mit Trägern von Einrichtungen und Diensten (§ 8a Abs.4) zwecks Sicherstellung
5.1 der Vornahme einer Gefährdungseinschätzung durch deren Fachkräfte,
5.2 Hinzuziehung einer insoweit erfahrenen Fachkraft,
5.3 Einbeziehung der Erziehungsberechtigten sowie des Kindes oder Jugendlichen.
6. Mitteilung von Daten zur Wahrnehmung des Schutzauftrages zwischen örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (§ 8a Abs. 5)
7. Ansprüche auf fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 8b)
7.1