Grundkurs Kinder- und Jugendhilferecht für die Soziale Arbeit. Reinhard J. Wabnitz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhard J. Wabnitz
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846353844
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oder Bundesebene zusammengeschlossen sind. Außerdem existieren zahllose Initiativen und Gruppen vor Ort sowie in noch relativ geringer Zahl privatgewerbliche freie Träger. Freie Träger erbringen den deutlich überwiegenden Teil der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (Wabnitz 2015, 219; vgl. auch Münder et al. 2019, Vor § 69 Rz. 8 ff. Deutscher Bundestag, 14. Kinder- und Jugendbericht, 284 ff.).

      Die freie Kinder- und Jugendhilfe entscheidet selbst, ob und in welchem Umfang sie tätig wird. Sie bedarf insoweit keiner staatlichen „Konzession“ oder Erlaubnis. Begehren freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe jedoch öffentliche Förderung, müssen sie die dafür bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen (vgl. §§ 74 ff.) akzeptieren.

      Öffentliche (Kinder- und) Jugendhilfe umfasst alle in Übersicht 7 genannten öffentlich-rechtlichen Rechtsträger und Behörden, die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII wahrnehmen.

      Öffentliche Kinder- und Jugendhilfe

      1. Träger der öffentlichen (Kinder- und) Jugendhilfe als Träger der wichtigsten Jugendbehörden Jugendamt (JA) und Landesjugendamt (LJA) sind

      

örtliche Träger nach § 69 Abs. 1 und 3, die ein JA zu errichten haben; sie sind sachlich zuständig für fast alle Einzelfall bezogenen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe und tragen insoweit die Gesamtverantwortung nach § 79 Abs. 1, sowie

      

überörtliche Träger nach § 69 Abs. 1 und 3, die ein LJA zu errichten haben und dort „überörtliche“, im Wesentlichen beratende und unterstützende Aufgaben wahrnehmen.

      2. Andere Jugendbehörden sind

      

kreisangehörige Gemeinden und Gemeindeverbände, die nicht örtliche Träger der öffentlichen (Kinder- und) Jugendhilfe sind; sie engagieren sich insbesondere im Bereich der Kindertagesbetreuung und der Jugendarbeit,

      

oberste Landesjugendbehörden nach § 82 Abs. 1, in den Flächenländern die „Jugendministerien“, die landesweite Aufgaben erfüllen, sowie

      

die oberste Bundes(jugend)behörde nach § 83 Abs. 1, die im Bereich der Bundesregierung nationale und internationale Aufgaben wahrnimmt.

      Für die Praxis der Sozialen Arbeit primär wichtig sind die Träger der öffentlichen (Kinder- und) Jugendhilfe nach § 69 Abs. 1. Diese sind zugleich Rechtsträger der – von ihnen juristisch zu unterscheidenden (!) – Jugendbehörden nach § 69 Abs. 3, den bundesweit ca. 560 Jugendämtern und bzw. den 17 Landesjugendämtern (Zahlenangaben aus: Deutscher Bundestag, 14. Kinder- und Jugendbericht 2013, 291).

      Charakteristisch für das System der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII sind die in Übersicht 8 genannten fünf Strukturprinzipien.

      Zusammenarbeit und Verhältnis von Trägern der freien und der öffentlichen (Kinder- und) Jugendhilfe nach dem SGB VIII

      1. partnerschaftliche Zusammenarbeit, § 4 Abs. 1 Satz 1, bei Achtung der Selbstständigkeit der freien Jugendhilfe in Zielsetzung, Aufgabenwahrnehmung und Organisation, § 4 Abs. 1 Satz 2; vgl. auch § 71, §§ 74, 77, 78, 78a ff., § 80 (Zusammenarbeit in JHA/Arbeitsgemeinschaften, bei der Finanzierung und der Jugendhilfeplanung);

      2. Gesamtverantwortung der öffentlichen Träger, § 79, die auch allein Adressaten von Leistungsverpflichtungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 und ggf. von Rechtsansprüchen sind;

      3. Leistungserbringung durch freie und öffentliche Träger, § 3 Abs. 2 Satz 1, bei grundsätzlichem Vorrang der freien Träger, § 4 Abs. 2 („Subsidiaritätsprinzip“). Die öffentliche Jugendhilfe soll also im Bedarfsfall zunächst prüfen, ob Angebote der freien Jugendhilfe vorhanden sind oder – ggf. mit öffentlicher Förderung (siehe 4.) – geschaffen werden können, und zunächst von eigenen Maßnahmen absehen. Ein „absolutes Betätigungsverbot“ der öffentlichen Jugendhilfe folgt daraus aber nicht.

      4. Förderung der Träger der freien Jugendhilfe durch die öffentliche Jugendhilfe, § 4 Abs. 3 i. V. m. §§ 74 ff;

      5. besondere Situation im Bereich der „anderen Aufgaben“: Wahrnehmung derselben durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 3 Abs. 3, wobei allerdings anerkannte Träger der freien Jugendhilfe gemäß § 76 (bei Fortbestehen der Verantwortlichkeit der öffentlichen Träger) bei bestimmten Aufgaben beteiligt werden können.

      Das dargestellte Gesamtsystem der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland stellt ein historisch gewachsenes, bewährtes, aber auch kompliziertes Verhältnis und Zusammenspiel von freien und öffentlichen Trägern dar. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem grundlegenden Urteil vom 18.7.1967 (E 22, 180, 200, 202) in diesem Zusammenhang von einer „gemeinsamen Bemühung von Staat und freien Jugend- und Wohlfahrtsorganisationen“ sowie von der hier „üblichen und bewährten Zusammenarbeit“ zwischen den Trägern der öffentlichen und freien (Kinder- und) Jugendhilfe gesprochen. Partnerschaftliche Zusammenarbeit ist dabei der wesentliche Maßstab und gleichsam das „Leitmotiv“ für das Verhältnis zwischen der öffentlichen und der freien (Kinder- und) Jugendhilfe.

      

Literatur

      Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ (Hrsg.) (2008): Kinder- und Jugendhilferecht von A–Z

      Deutscher Bundestag (2013): 14. Kinder- und Jugendbericht

      Gadow, T., Peucker, C., Pluto, L., van Santen, E., Seckinger, M. (2013): Wie geht’s der Kinder- und Jugendhilfe? Empirische Befunde und Analysen

      Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (Hrsg.) (2011b): Die Bücher des Sozialgesetzbuchs. Einführung für die Soziale Arbeit

      Internationaler Jugendaustausch- und Besucherdienst (IJAB) (2007): Kinder-und Jugendpolitik. Kinder- und Jugendhilfe in der Bundesrepublik Deutschland

      Jordan, E., Maykus, S., Stuckstätte, E. (2012): Kinder- und Jugendhilfe. 3. Aufl.

      Kepert, J., Kunkel, P. (2017): Handbuch Kinder- und Jugendhilferecht

      Kreft, D., Mielenz, I. (2017): Wörterbuch Soziale Arbeit. 8. Aufl.

      Münder, J., Wiesner, R., Meysen, Th. (Hrsg.) (2011): Kinder- und Jugendhilferecht. Handbuch. 2. Aufl.

      Otto, H.-U., Thiersch, H., Treptow, R., Ziegler, H. (Hrsg.) (2018): Handbuch Soziale Arbeit. 6.. Aufl.

      Wabnitz, R. J. (2004a): Zur Rechtsstellung von Trägern der freien Jugendhilfe, insbesondere auf Bundesebene

      Wabnitz, R. J. (2018): Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch (HKJGB). Kommentar. 3. Aufl.

      Wiesner, R., Schindler, G., Schmid, H. (2007): Das neue Kinder- und Jugendhilferecht. Einführung, Texte, Materialien

      Fall 1: Prüfschema und Arbeitsanleitung zur Lösung kinder- und jugendhilferechtlicher Fälle

      Die Eheleute A und B haben vier Kinder und erbitten Auskunft darüber, ob und ggf. welche Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII ihre Kinder bzw. sie als Eltern vom JA oder von Trägern der freien Jugendhilfe erhalten können.

      2Grundsätze und Strukturprinzipien des Kinder-