Grundkurs Kinder- und Jugendhilferecht für die Soziale Arbeit. Reinhard J. Wabnitz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhard J. Wabnitz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846353844
Скачать книгу
Begriffsbestimmungen (§ 7)

      § 7 enthält wichtige Begriffsbestimmungen, die teilweise mit dem übrigen öffentlichen Recht bzw. mit dem BGB übereinstimmen, teilweise jedoch auch nicht (dazu: Wabnitz 2017a und 2017b). Kind ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, und Jugendlicher ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. Diese Begriffe sind identisch mit denen des Strafrechts, des Jugendstrafrechts und des Jugendschutzgesetzes, nicht jedoch mit denen des GG und des BGB: Dort wird jede(r) Minderjährige(r) unter 18 Jahren als „Kind“ bezeichnet (vgl. § 7 Abs. 2).

      Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 ist junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist, und gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 ist (als Sammelbegriff für das gesamte SGB VIII) junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist. Diese Begriffe gibt es so nur im SGB VIII. Im Jugendstrafrecht spricht man von „Heranwachsenden“ im Alter von 18 bis unter 21 Jahren.

      Der Begriff „Personensorgeberechtigter“ in § 7 Abs. 1 Nr. 5 entspricht dem des BGB in den §§ 1626 ff. BGB: Inhaber des Personensorgerechts sind ggf. die Eltern des Kindes bzw. ein Elternteil oder ein Vormund (§§ 1773 ff. BGB) bzw. (teilweise) ein Pfleger (§§ 1909 ff. BGB). „Erziehungsberechtigter“ gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 6 sind Personensorgeberechtigte oder andere erwachsene Personen, die Erziehungsrechte aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit den Personensorgeberechtigten wahrnehmen, z. B. in Kindertageseinrichtungen oder in Heimen der Kinder- und Jugendhilfe.

      § 6 legt den Geltungsbereich des SGB VIII fest, regelt also, für welche jungen Menschen und Personensorgeberechtigten das SGB VIII überhaupt gilt. Verkürzt formuliert kann man § 6 wie folgt zusammenfassen: Andere Aufgaben sind immer wahrzunehmen, Deutsche können (abgesehen von § 6 Abs. 3) immer und Ausländer/innen können fast immer Leistungen nach dem SGB VIII beanspruchen.

      Vertiefung: Die komplizierten Regelungen des § 6 betreffen Leistungen (§ 2 Abs. 2, § 3 Abs. 2), andere Aufgaben (§ 2 Abs. 3, § 3 Abs. 3) sowie die Ausübung des Umgangsrechts (§§ 1684 ff. BGB), und zwar differenziert mit Blick auf Deutsche und Ausländer (siehe Übersicht 9).

      Geltungsbereich des SGB VIII (§ 6)

      IBei Leistungen:

      1.für Deutsche

      1.1gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 bei tatsächlichem Aufenthalt in Deutschland oder

      1.2gemäß § 6 Abs. 3 (nachrangig) im Ausland, soweit sie nicht dort Hilfe erhalten;

      2.für Ausländer

      2.1gemäß § 6 Abs. 2, wenn sie

      2.1.1 in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und

      2.1.2 sich in Deutschland aufhalten

      

rechtmäßig (insbesondere: aufgrund einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis nach §§ 7 und 9 Aufenthaltsgesetz)

      

oder aufgrund einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz,

      2.2falls nicht bereits nach 2.1: ggf. gemäß § 6 Abs. 4

      2.2.1 aufgrund überstaatlichen Rechts (z. B. Haager Kinderschutzabkommen, Europäisches Fürsorgeabkommen) oder

      2.2.2 aufgrund zwischenstaatlichen Rechts.

      IIBei anderen Aufgaben gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 und bei tatsächlichem Aufenthalt in Deutschland:

      1. für alle Deutschen

      2. und für alle Ausländer.

      III Beim Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts bei gewöhnlichem Aufenthalt des Kindes oder Jugendlichen in Deutschland haben gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3:

      1. für alle Deutschen

      2. für und alle Ausländer.

      Das Verhältnis von Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII zu anderen Leistungsbereichen und Verpflichtungen regelt § 10 differenziert, aber präzise im Sinne des in Übersicht 10 gezeigten „Dreischrittes“: 1. vor 2. (SGB VIII) und 2. (SGB VIII) vor 3.

      Verhältnis des SGB VIII zu anderen Leistungs- bereichen und Verpflichtungen (§ 10)

      1. Vorrang vor dem SGB VIII haben:

      

Verpflichtungen anderer, insbesondere anderer Sozialleistungs- träger (z. B. nach SGB III/Arbeitsförderung oder SGB V/Gesetzliche Krankenversicherung), § 10 Abs. 1,

      

Schule, § 10 Abs. 1,

      

private Unterhaltsverpflichtete (nach dem BGB), § 10 Abs. 2,

      

bestimmte Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende sowie für Bildung und Teilhabe), § 10 Abs. 3 Satz 2,

      

Leistungen der Eingliederungshilfe für körperlich und/oder geistig behinderte junge Menschen nach § 10 Abs. 4 Satz 2 (ggf. Landesrecht, § 10 Abs. 4 Satz 3).

      2. SGB VIII/Kinder- und Jugendhilfe.

      3. Nachrangig gegenüber dem SGB VIII sind

      

Leistungen nach dem SGB II/Grundsicherung für Arbeitssuchende, § 10 Abs. 3 Satz 1 (außer: § 10 Abs. 3 Satz 2; vgl. 1.),

      

Leistungen nach dem SGB IX/Rehabilitation und Teilnahme und dem SGB XII/Sozialhilfe, § 10 Abs. 4 Satz 1 (außer: § 10 Abs. 4 Sätze 2 und 3; vgl. 1.).

      Leistungen anderer Sozialleistungsträger sind neben den in Übersicht 10 genannten auch solche der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung, der Ausbildungsförderung, Erziehungsgeld, Wohngeld, Versorgungsleistungen bei Gesundheitsschäden u. a. Der Vorrang der Schule gilt auch mit Blick auf Fördermaßnahmen zur Beseitigung von Lernschwierigkeiten wie Legasthenie, Dyskalkulie. Ein ausschließlich schulischer Hilfebedarf begründet keinen sozialpädagogischen Bedarf an Hilfe zur Erziehung, auch wenn die Schule kein ausreichendes Angebot zur Aufarbeitung von Schwächen eines Schülers vorhält (OVG Nordrhein-Westfalen, JAmt 2009, 201). Kompliziert sind insbesondere im Bereich der Jugendsozialarbeit das Verhältnis von SGB II/Grundsicherung für Arbeitsuchende und SGB VIII gemäß § 10 Abs. 3 sowie bei behinderten jungen Menschen das Verhältnis von Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII (vorrangig zuständig für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung nach § 35a) und von Eingliederungshilfe nach dem SGB IX/Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (vorrangig zuständig für Menschen mit körperlicher oder/und geistiger Behinderung) gemäß § 10 Abs. 4. (Vorrangige) private Unterhaltsverpflichtungen sind insbesondere solche nach §§ 1601 ff. BGB.

      Mit der (objektiven) Vielfalt von unterschiedlichen Trägern der freien und öffentlichen Jugendhilfe