Hinter hessischen Gittern. Esther Copia. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Esther Copia
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839269206
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Internet-Café angekommen, fing er an, in den einschlägigen Kontaktbörsen nach einer Bekanntschaft für schnellen Sex zu suchen. Seine frühere Suche auf dem Straßenstrich konnte er vergessen. Die Gefahr, in eine Polizeikontrolle zu kommen, war zu groß.

      Er suchte nach einem zarten Jungen, der für alles offen war. Schon beim Öffnen mancher Profile wurde er ganz geil. Viele hübsche Gesichter sahen ihn an, die Boys waren mit nacktem Oberkörper zu sehen, manche hatten ihre geilen Hintern fotografieren lassen. Er sah auf die Uhr, die Zeit verging im Netz viel zu schnell. Die Chance, noch einen Lover zu finden, der sich mit ihm sofort in einem Hotel für einen schnellen Fick traf, war gering. »Das muss man auch wieder vorbereiten, vielleicht doch besser unauffällig im Bahnhof nach einem Jungen Ausschau halten«, murmelte er vor sich hin. Er wechselte die Internetseite und sah sich die aktuellen Social Media Seiten an. Facebook gefiel ihm, und er meldete sich unter einem Nickname an. Als Foto nahm er das eines Pferdes, welches er sich vorher aus dem Netz heruntergeladen hatte. Er versuchte sein Glück bei den Foren der Fans von Eintracht Frankfurt und anderen Fußballvereinen. In diesen Foren findet man bestimmt geile Jungs, dachte er. Beim Blick auf die Uhr erschrak er. In wenigen Minuten musste er sich schon wieder auf den Weg nach Dieburg machen. Keinesfalls durfte er zu spät kommen. Er schloss alle Seiten im Computer, setzte sein Basecap wieder auf, ging zum Tresen und bezahlte. Vor der Tür war die Stadt voller Leben, und die Innenstadt von Frankfurt hatte sich enorm aufgeheizt. Die Sportjacke lässig über die Schulter geworfen, ließ er die Sonne auf seine muskulösen Arme scheinen. Unterwegs schrieb er Thomas Enders eine SMS. Nach einigen Minuten antwortete dieser, dass alles glatt gelaufen sei. Jeder hielte ihn für Frank Hattinger, kein Problem. Und die Schule sei ein Witz.

      10

      Marias Ehrgeiz war geweckt. Wem gehörten diese Sportschuhe? Es ließ ihr keine Ruhe. Sie schloss Zelle für Zelle auf und sah nach.

      Hausarbeiter Savic, der Maria immer genau bei ihrer Arbeit beobachtete, wunderte sich: »Frau Saletti, heute übertreiben Sie es aber mit den Zellenkontrollen. Lassen Sie noch ein paar für Ihre Kollegen übrig.« Er stand im Türrahmen und zwinkerte ihr zu.

      »Sag mal, Savic, du kannst mir bestimmt sagen, wer hier drin Nike Sportschuhe hat, oder?« Maria sah ihn fragend an.

      »Wieso interessieren Sie sich für die Sportschuhe von den Idioten hier drin?«, dann sah er sich um, kam näher und sagte ganz leise: »Die Schuhe, die sie bei Kurz in der Zelle gefunden haben, sind nagelneu. Der Hattinger ist vor Kurzem mit den Dingern hier zum Sport. Aber von mir haben Sie das nicht.« Savic drehte sich um, nahm seinen Schrubber und wickelte den Putzlappen darum. Er sah sie bedeutungsvoll an und wischte dann weiter den Stationsflur.

      Jan Gerber stand wenige Minuten später in Marias Büro: »Der Kollege vom Werkbetrieb hat angerufen. Der Kurz hat gerade gesagt, er hätte Angst vor Frank Hattinger.«

      »Das passt. Savic hat mir gesteckt, dass die Schuhe Hattinger gehören. Aber was hat der mit Heroin am Hut? Der hat doch gar nichts mit Drogen zu tun?« Maria setzte sich kurz auf den Stuhl.

      »Der Hattinger ist bekanntermaßen schwul. Er hat all die Jahre, in denen er im Knast saß, sicherlich nicht keusch gelebt, oder? Irgendeiner wird hier drin mit ihm schon Sex haben. Wer könnte das sein?« Gerber hatte sich mit seinem Stuhl umgedreht und sah Maria fragend an.

      »Da kommt eigentlich nur der Ribeiro infrage.«

      Jan öffnete im Computer eine Seite. »Und bei der letzten Urinkontrolle war Ribeiro auch positiv auf Heroin.«

      Maria schnappte sich ihren Rucksack. »Dann wird er den Ribeiro ab sofort gut mit Stoff versorgen können. Er ist ja seit Kurzem fast täglich im Ausgang.«

      11

      Pünktlich um 17 Uhr betrat Frank Hattinger die Anstalt. Er gab dem Pfortenbeamten sein Handy, aus dem er zuvor alle SMS und WhatsApp-Nachrichten gelöscht hatte. Die Schweizer Nummer hatte er sich auf einem Geldschein notiert, den er zwischen die anderen in sein Portemonnaie gesteckt hatte. Aus der Schweiz hatte sich niemand mehr gemeldet. Und die Nachricht, die er im Darknet auf einem Marktplatz hinterlassen hatte, war unbeantwortet geblieben. Man brachte ihn in den Nebenraum, damit ein anderer Kollege ihn abtasten konnte. Er war zufrieden, für den ersten Freigang war alles nach seinem Geschmack gelaufen. Dank Thomas Enders hatte er nun wirklich Freigang.

      Er setzte sich auf eine Bank und wartete. Am nächsten Tag wollte er gleich richtig loslegen. In den Chatrooms wäre es für ihn ein Leichtes, einen süßen Kerl zu finden, mit dem er die nun gewonnene Freiheit feiern konnte. Obwohl er vor seiner Inhaftierung ab und an Sex mit Frauen gehabt hatte, war dies nach seiner Tat für ihn kein Thema mehr. In seinem Kopf arbeitete es. Was hatte die SMS zu bedeuten? Die Minuten schlichen dahin. Endlich kam ein Beamter und holte ihn ab. Er durchsuchte ihn nur oberflächlich, weder durchsuchte er die Taschen der Jeans noch tastete er ihn ordentlich im Schritt ab. In der Kammer erhielt er seine Knastklamotten, und um 17.30 Uhr war er wieder auf der Station II5. Langsam und ängstlich schlich Carlos Ribeiro sichtlich nervös auf ihn zu. Er knetete seine Hände, und Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Vorsichtig sah er sich um und flüsterte:

      »Das Dope wurde heute gefunden.«

      »Scheiße, dann hast du nun nichts zum Drücken.« Hattingers Miene blieb wie versteinert.

      »Ja, aber hoffentlich finden die nicht raus, wem das Zeug gehört.« Ribeiro fing hektisch an, seinen Oberkörper zu kratzen, und fuhr sich durch seine lockigen schmierigen Haare.

      »War das Zeug in meinen Schuhen bei dem Kurz in der Hütte?«

      »Ja, klar. So, wie du gesagt hast.«

      »Dann gibt es kein Problem. Ich melde meine Schuhe als geklaut. Die wurden mir nach dem letzten Sport aus meiner Tasche genommen, als ich unter der Dusche stand. Der Kurz geht nicht zum Sport und hat nichts mit Drogen am Hut. Ich bin kein Junkie. Da dürfen die erst mal Rätselraten. Jedoch wenn du hier weiter so ’nen Affen schiebst, dann können die drei und drei zusammenzählen und nehmen dich in die Mangel. Halte dann ja die Fresse, du weißt, was sonst passiert.« Hattinger sah Ribeiro durchdringend an.

      »Mach dir keine Sorgen. Ich kann schweigen.« Ribeiro schleppte sich mit hängenden Schultern zu seiner Zelle. Als Hattinger sich umdrehte, entdeckte er Hausarbeiter Savic, der etwa drei Meter entfernt bewegungslos auf einem Stuhl saß und zwar in eine andere Richtung blickte, aber garantiert das Gespräch mitverfolgt hatte.

      »Und du hältst schön das Maul, sonst wird es hier ungemütlich für dich.« Hattinger ging zwei Schritte auf ihn zu und baute sich vor ihm auf.

      »Ich weiß nicht, von was du redest. Was willst du von mir?« Savic setzte seine Unschuldsmiene auf.

      »Du hast mich schon verstanden.« Hattingers Blick durchbohrte ihn.

      »Jaja, alles klar.« Savic konnte drei und drei zusammenzählen. Er war Hattinger ganz klar körperlich unterlegen und trollte sich.

      Als Hattinger seine Zelle betrat, sah er auf den ersten Blick, dass jemand den Raum durchsucht hatte. Siegessicher setzte er sich hin und nahm sich ein Formular. Wie es für ihn üblich war, richtete er seine Anliegen stets an den für ihn zuständigen Beamten in der JVA, Anstaltsleiter Richard Meurer. Hiermit melde ich meine Nike Turnschuhe Gr. 43 als gestohlen. Frank Hattinger. – Die Schweizer SMS ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.

Mittwoch, 5. September

      1

      Er war zu weit gegangen, verdammt noch mal. Dirk Herzberg saß zusammengesunken hinter seinem Schreibtisch. So fühlte es sich also an, wenn die Welt unter einem zusammenbrach. Die Fahrt in die Schweiz hatte bisher auch nicht das Ergebnis gebracht, das er sich erhofft hatte. Vor diesem Augenblick hatte er sich immer gefürchtet. Alles zu verlieren, für das er jahrelang gekämpft hatte. Dabei sah bis vor einem Jahr alles noch so gut aus. Er hatte mit Investments ein stattliches Vermögen aufgebaut. Es schien wie von selbst zu laufen, und so wurde er immer mutiger und leider auch leichtsinniger. Der Spruch Gier frisst Hirn traf leider auch auf ihn zu. Anstatt mit sicheren Investitionen weiter langsam voranzukommen, wollte er den