Hinter hessischen Gittern. Esther Copia. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Esther Copia
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839269206
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Wespe flog gerade geräuschvoll von innen an die Fensterscheibe des Büros, sie hatte das offene Fenster nur um einige Zentimeter verfehlt. Karl-Heinz Kurz lehnte sich in seinem Stuhl zurück und beobachtete, wie Maria ein Glas aus dem Regal nahm und es über das brummende Tier stülpte.

      »Sie dachte, sie wäre frei, dabei habe ich sie in der Hand«, sagte Maria und schob ein Blatt Papier unter das Glas. Die Wespe war gefangen.

      »Also gut«, sagte Gerber, »dann bringt Sie ein Kollege mal wieder zu Ihrem Arbeitsplatz.«

      Als Kurz das Büro verlassen hatte, sahen Jan und Maria enttäuscht aus dem Fenster.

      »Für wen bunkert der das Dope, das ist hier die eigentliche Frage.« Gerber kratzte sich hinter dem rechten Ohr.

      »Das werde ich noch herausfinden.« Sie betrachtete den Schuh genauer, ein Nike Basketballschuh Größe 43. »Irgendwer wird ihn sicher die Tage vermissen. Mal sehen, wer in seiner Zelle keine Turnschuhe hat.«

      »Da hast du ja was vor.« Gerber ließ das Plastikrollo am Fenster runter. Ein verzweifelter Versuch, die Affenhitze im Büro ein wenig zu mildern. Die Luft war heiß, es war kaum auszuhalten. Maria ging zum Waschbecken und ließ kaltes Wasser über ihre Unterarme laufen. Dies brachte ein wenig Abkühlung. Die Wespe kämpfte im Glas um ihr Leben, bis Maria zum Fenster ging, das Glas durch das Gitter aus dem Fenster hielt und sie in die Freiheit entließ.

      »Aber das Heroin haben wir. Vielleicht wird Kurz, wenn er nicht liefern kann, so unter Druck gesetzt, dass er bei uns freiwillig auspackt.« Jan Gerber setzte sich an seinen Computer und begann, seinen Bericht für die Kripo zu schreiben.

      Maria sah aus dem Fenster und beobachtete die Mauersegler, die schreiend ihre Kreise immer an den Gefängniswänden entlang zogen. »Wenn ich logisch überlege, kommen nicht viele Gefangene für das Heroin infrage. Eigentlich nur die Russen, oder?«

      Gerber war ganz in seinen Text vertieft und hatte Maria nur halb zugehört. Ohne aufzusehen sagte er: »Ja, aber die Russen, das weißt du selbst, bunkern nicht bei Nichtrussen.«

      »Stimmt, also sagen wir mal, die scheiden aus. Wer konsumiert noch Heroin?« Maria sah im Geiste einige Gefangene ihrer Station. War ihr da schon einer aufgefallen?

      »Am besten, du gehst die Vollstreckungsblätter durch, wer wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz einsitzt. Oder aber du siehst dir die Herren genauer an. Wer könnte auf Heroin sein? Vielleicht hat dann einer noch Schuhgröße 43, dann sind wir dem Ganzen schon näher.«

      »Oh, Mann. Ich glaube, der Kurz hat soeben überhaupt nicht begriffen, dass er nun ein echtes Problem hat.« Maria griff sich die Wasserflasche, die auf dem Tisch stand und goss sich ein großes Glas ein.

      »Ja, er dachte, wir wären sein Problem. Dabei bekommt er bestimmt mit demjenigen Stress, dem das Heroin gehört.«

      8

      Susanne Herzberg hatte den gesamten Vormittag mit ihren Angestellten die Einführung einer neuen Anti-Aging-Creme geplant. Marketing war in der heutigen Zeit fast noch wichtiger als das eigentliche Produkt. Wie konnte sie die Kundinnen von der neuen Creme überzeugen? Nach und nach spürte sie immer stärker werdende Kopfschmerzen, und auch ihr Nacken war total verspannt.

      »Also, ich denke, für heute machen wir Schluss. Wenn jemand noch eine gute Idee hat, kann er sie mir mailen oder bis Freitag zu Papier bringen, wir treffen uns hier um 9 Uhr. Alles klar?« Susanne sah fragend in die Runde. Ein Raunen ging durch den Raum. Alle Anwesenden waren mindestens so abgekämpft wie sie selbst. Die Hitze des Sommers war kaum zu ertragen. Seit Monaten war kein Tropfen Regen gefallen, und das Thermometer kletterte beständig über 30 Grad, da wurde selbst die robusteste Natur schwach. Obwohl Tag und Nacht die Klimaanlagen liefen, waren die Räume aufgeheizt und stickig. Susanne stand auf, sofort war Katie an ihrer Seite und trottete neben ihr her durch den langen Flur zu ihrem Büro. Frau Krüger, ihre Vorzimmerdame und der Fels in der Brandung, hatte die eingegangene Post bereits für sie bereitgelegt.

      »Gibt es etwas Wichtiges in der Post?« Susanne stand am Kühlschrank und holte eine Flasche Wasser heraus.

      »Nein, ein paar Rechnungen, aber sonst nichts von Bedeutung. Im Moment ist es ja angenehm ruhig, viele sind im Sommerurlaub. Sagen Sie, fahren Sie dieses Jahr denn nicht an die Ostsee? Die Hitze ist dort sicherlich besser zu ertragen. Die letzten Jahre waren Sie immer um diese Zeit dort.« Frau Krüger richtete bei diesen Worten den kleinen Tischventilator direkt auf ihr Gesicht.

      »Doch, ich möchte noch nach Usedom fahren, mir war wichtig, erst noch die Kampagne mit der neuen Creme ins Laufen zu bringen. Sie kennen mich doch, ich beiße mich an so etwas fest und vergesse darüber, dass man auch mal entspannen muss. Sowie das erledigt ist, packe ich meine sieben Sachen und bin weg. Sie haben recht, ich werde das gleich fix machen, sonst komme ich nie hier raus.« Susanne lächelte und ging eilig in ihr Büro, dabei ließ sie die Tür zu ihrem Vorzimmer offen. Jeder Luftzug, und war er auch noch so schwach, brachte ein wenig Abkühlung. Das moderne, großzügige Büro mit seinen bodentiefen Fenstern drückte eine schlichte Eleganz aus. Dicker Teppichboden schluckte jedes störende Geräusch, und eine kleine Sitzgruppe in der Ecke lud zum Verweilen ein. Auf ihrem gläsernen Schreibtisch herrschte das Chaos. Sie drückte auf ihrem Telefon die Schnellwahltaste und schaltete den Lautsprecher ein, damit sie während des Telefonats mit ihrem Mann einige Unterlagen sortieren konnte. Nach dreimaligem Signalton meldete er sich:

      »Was gibt es denn?« Seine Stimme klang deprimiert. Susanne hoffte, mit ihrem Telefonat seine Stimmung ein wenig aufzubessern:

      »Schatz, Frau Krüger hat mich gerade daran erinnert, dass wir ja eigentlich wieder nach Usedom fahren wollten. Was meinst du? Wenn das Hotel ein Zimmer frei hat, könnten wir doch morgen Mittag losfahren, oder?« Susanne hörte, wie Dirk tief einatmete und dann sehr ungehalten in den Hörer brüllte: »Glaubst du, ich kann in der Situation, in der ich mich befinde, in Urlaub fahren? Mir steht das Wasser bis zum Hals. Ich habe andere Sorgen. Ich fahre heute Abend noch in die Schweiz. Wenn du nicht so unsensibel wärst, würdest du so etwas nicht vorschlagen.« Sie hörte nur noch ein Klicken, er hatte aufgelegt.

      9

      In der Bahnhofshalle war es etwas kühler als auf der Straße. Frank Hattinger sah sich um. Menschen aller Herren Länder waren an diesem Ort versammelt. Reisende, die noch einen Kaffee trinken wollten, bevor sie mit ihrem Koffer zum Zug eilten, Büroangestellte mit ihrem Aktenkoffer in der Hand. Roma-Mädchen liefen mit Leidensmiene von Passant zu Passant, um ein paar Euro zu erbetteln. An den Tischen einer bekannten Fast-Food-Kette sah sich eine alte Frau mit abgewetzter, aber sauberer Kleidung auf den Tischen um, ob vielleicht jemand eine Pfandflasche oder auch etwas zu essen hatte liegen lassen. Die Welt hier draußen war eine andere geworden. Glaubte er es nur, oder war es tatsächlich so, dass es viele arme Menschen in Frankfurt gab? Sein Kaffeebecher war leer, und er suchte mit seinem Smartphone die Adresse eines Internet-Cafés in der Nähe. Nach kurzer Zeit hatte er eines in der Speyerstraße gefunden. Das war gleich um die Ecke. Er zog sich das Basecap von Thomas Enders tiefer ins Gesicht und verließ den Bahnhof. Mit dieser hässlichen Kappe würde ihn so schnell niemand erkennen. Seine Laune konnte nicht besser sein, als plötzlich sein Handy klingelte. Auf dem Display erschien der Name seines Rechtsanwalts Doktor Kriebel.

      »Guten Morgen, Herr Hattinger, gut, dass Sie ans Telefon können. Wie ist der erste Tag in der Schule?« Kriebels sonore Stimme klang freundlich.

      Frank Hattinger fühlte sich ertappt. Er spürte, wie sein Gesicht rot wurde. Schnell sagte er: »Gut ist die Schule. Gut. Ich bin mir sicher, das schaffe ich.« War es die Hitze oder schwitzte er aus Angst plötzlich so.

      »Weshalb ich Sie anrufe: Falls es irgendwo Schwierigkeiten gibt, melden Sie sich bitte sofort bei mir. Sie wissen, ich habe gute Beziehungen zur Vollstreckungskammer. In der Anstalt ist man ja nicht ganz so glücklich darüber, dass Sie täglich den geschlossenen Vollzug verlassen. Also bitte, wenn was sein sollte, rufen Sie umgehend an.«

      Hattinger vernahm noch ein Räuspern und sagte dann schnell: »Geht klar, Herr Kriebel. Ich melde mich.« Er sah auf sein Handy. Kriebel hatte