»Ja, Frau Saletti, kann losgehen.«
Als sie im Keller angekommen waren, platzte es aus Savic heraus:
»Der Hattinger bringt vom Ausgang immer Heroin für Ribeiro mit. Das hat er garantiert in seinem Arsch stecken, denn es dauert immer einige Zeit, bis er Ribeiro zu sich ruft, und dann muss Ribeiro es ihm besorgen und bekommt dann das Dope. Der arme Kerl ist total drauf und vollkommen fertig. Außerdem hat er Angst vor Hattinger. Als ich vor ein paar Tagen eine Unterhaltung der beiden belauscht habe, ist Hattinger gleich sauer geworden und hat mich bedroht. Der Typ ist echt ein Psycho. Aber den Ribeiro hat er durch das Dope in der Hand.«
»Und bringt er bei jedem Ausgang Heroin mit?«
»Das kann ich nicht genau sagen, aber sehr oft, denn der Ribeiro ist fast täglich auf Heroin, seit der Hattinger in die Schule geht.«
»Danke, Savic, das hilft uns weiter.«
»Aber, Frau Saletti, ich mache keine Aussage vor den Bullen mit Protokoll und so. Das können Sie vergessen. Ich will nur nicht, dass der arme Ribeiro hier drin noch mit einer Überdosis gefunden wird. Einen Menschen hat der Hattinger ja schon auf dem Gewissen.«
»Geht klar, ich sage es Jan Gerber, der ist hier Sicherheitschef und will das Dope unter allen Umständen raushaben. Okay?«
»Ja, der ist bekannt dafür, dass er die Drogen bekämpft. Aber wie gesagt, ich mache keine offizielle Aussage.«
»Kannst dich auf mich verlassen, Savic. Danke.«
Maria schnappte sich einen alten Bürostuhl, schob ihn zu Savic und sagte laut: »So, Herr Savic, dann bringen Sie diesen Stuhl bitte in mein Büro.«
»Wird gemacht, Frau Saletti.« Beide grinsten.
Jan Gerber stand im Treppenhaus, und als er den letzten Satz hörte, war er die Treppe nach oben gehuscht und verschwunden.
3
Die schlechte Laune Richard Meurers war schon von Weitem sichtbar. Der Kollege an der Pforte grüßte seinen Chef höflich und bekam nicht einmal eine Antwort. Meurer stellte sich grußlos an die hintere Pforte und erwartete, dass die Tür umgehend geöffnet wurde. Nach wenigen Minuten war er in seinem Büro angekommen, blickte kurz in sein Vorzimmer, aber seine Sekretärin war noch nicht da. Er nahm das Telefon zur Hand und rief in der Zentrale an.
»Meurer hier, ist der Hattinger heute in den Ausgang gegangen?«
»Einen Moment, Herr Meurer, ich sehe im Computer nach. Ja, pünktlich um 6.30 Uhr. Die Genehmigung des Ausgangs liegt auch vor. Stimmt etwas nicht?«
»Was soll nicht stimmen? Ich bin für den Mann verantwortlich und will wissen, ob er regelmäßig die Schule besucht.«
Ehe Rolf Klein noch etwas erwidern konnte, hatte Meurer aufgelegt.
Kurz darauf kam Jan Gerber in die Zentrale.
»Wir wissen, wie das Heroin auf die Station II5 kommt. Der Hattinger bringt es vom Ausgang mit. Hat es mit Sicherheit in seinem After stecken. Mit dem Dope macht er sich den Ribeiro gefügig.« Jan Gerber nahm sich einen Kaffee, der die Konsistenz von Teer hatte, und sah auf den Anstaltshof.
»Der Alte hat gerade eben auch nach dem Hattinger gefragt. Ob der denn auch brav in die Schule geht.« Klein nahm sich ebenfalls eine Tasse Kaffee, und beide sahen sich an.
»Dann werde ich als Erstes Mal nachprüfen, ob er wirklich in die Schule geht oder nicht. Die Schule hat zwar die Pflicht, uns mitzuteilen, wenn er nicht erscheint, aber du weißt ja, wie das manchmal läuft.«
Jan Gerber trank den Kaffee aus, stellte die Tasse in die Spüle und verließ die Zentrale.
In seinem Büro angekommen, suchte er im Computer die Telefonnummer der Schule. Nach mehrmaligem Läuten meldete sich die Sekretärin, die ihm erklärte, ihr wäre nichts anderes bekannt, als das Herr Frank Hattinger immer pünktlich zur Schule käme.
4
Frank Hattingers Polohemd war klitschnass geschwitzt. Er saß in einem Schnellrestaurant am Hauptbahnhof und stierte vor sich hin. Den bestellten Espresso hatte er noch nicht einmal angerührt. Es war aus dem Ruder gelaufen, er hatte es ganz anders geplant. So schnell wie möglich musste er in das nahe gelegene Internetcafé, denn die von ihm gesendete SMS war unbeantwortet geblieben. Wie in Trance stand er auf und nahm Kurs auf die Speyerstraße.
In einer Ecke, in der er sich unbeobachtet fühlte, nahm er an einem der freien Geräte Platz und öffnete mit Tor die Tür zum Darknet.
Er gab einen zwölfstelligen Code ein und danach wieder eine Zahlenkombination und schrieb an seinen Auftraggeber:
Auftrag ausgeführt, Ware an vereinbartem Ort. Bezahlung in Bitcoins an bekannte Adresse.
Warum war es schiefgelaufen, zermarterte er sich sein Gehirn. Ohne Mühen konnte er den Wagen von book and drive an dem angegebenen Platz öffnen. Die Kundenkarte hatte sein Auftraggeber unten an einen in der Nähe befindlichen Mülleimer geklebt, besser ging es nicht. Bis dahin lief es wie geplant. Aber irgendwann hatte das Böse wieder von ihm Besitz ergriffen, er hatte die Kontrolle verloren. Als Erstes stellte der Hund sich als Problem heraus, das er unterschätzt hatte. Nachdem die Frau bewusstlos über seiner Schulter lag – sie wog nicht viel, das war von Vorteil – fing der Hund an, ihm ins Bein zu beißen. Der Schmerz in der Wade löste einen Hass in ihm aus, den er glaubte, verloren zu haben. Als hätte sich ein Schalter in seinem Gehirn umgelegt, agierte er plötzlich ohne jede Kontrolle. Er wollte dieses Vieh tot sehen. Er legte die Frau am Waldboden ab und nahm sich den Köter vor. Der Hund bellte und sprang immer wieder zurück, dann kam er mit gefletschten Zähnen auf ihn zu. Er griff sich einen dicken Ast, den er am Wegesrand fand, und drosch auf das Tier ein, bis dieses blutüberströmt liegen blieb. Erst da wurde ihm bewusst, dass er ja jederzeit von jemandem gesehen werden konnte. Er blickte sich vorsichtig um. Der Hund regte sich nicht mehr, er warf ihn ein paar Meter weiter ins Dickicht und hob die Frau auf.
Die wenigen Meter vom Waldrand zum Fahrzeug waren gefährlich. Es gab keine Deckung. Ohne dass ihn jemand gesehen hatte, so hoffte er, konnte er sie bis zu seinem Wagen tragen. Bis dahin lief alles, bis auf den Hund, wie geschmiert. Er hatte sie in den Kofferraum gelegt und war ruhig davongefahren. Nur nicht auffallen. Die Waldhütte, zu der er sie bringen sollte, war nur etwa 30 Minuten entfernt.
Nach einigem Suchen fand er die Einfahrt in den Waldweg, der nicht sofort von der Straße aus zu erkennen war. Die Äste hingen tief, und ein Schlagbaum versperrte ihm zunächst den Weg. Nach Angaben seines Auftraggebers befand sich der Schlüssel zum Öffnen des Balkens rechts unter einem Stein. Er stoppte den Wagen und stieg aus. Hitze schlug ihm entgegen, als er die Wagentür öffnete. Er blickte sich vorsichtig nach allen Seiten um, dann hob er einen Stein an, von dem er glaubte, darunter befände sich der Schlüssel. Nichts. Er nahm den nächsten Stein, der daneben lag – auch nichts. Schweiß rann ihm nun den Körper hinunter. Was sollte er tun, wenn er den Schlagbaum nicht öffnen konnte? Hektisch hob er einen Stein nach dem anderen hoch. Mit seinen nackten Beinen stand er plötzlich in den Brennnesseln, und unbändiger Zorn ergriff von ihm Besitz. Endlich, unter einem kleinen Stein, den er persönlich nie als Versteck genommen hätte, fand er das Gesuchte. Er öffnete Schloss und Schlagbaum, fuhr darunter hindurch und verschloss ihn wieder. Den Schlüssel steckte er sicherheitshalber ein. Dann fuhr er langsam den Weg entlang bis zu einer Gabelung, an der er sich, wie ihm beschrieben worden war, links hielt. Etwa 700 Meter weiter auf der rechten Seite sollte sich eine Waldhütte befinden. Tannen und Kiefern standen hier sehr dicht beieinander, die Sonnenstrahlen schienen kaum hindurch, nur auf den Schneisen war es etwas heller. Er fuhr langsam und versuchte, etwas zu erkennen, da sah er sie. Die Waldhütte war klein und vom Weg aus kaum zu sehen. Rund um das Haus standen Tannen und nur die Spitze des Daches lugte hervor. Ein Trampelpfad, den er aber gut mit dem Auto befahren konnte, führte auf das Haus zu. Er fuhr rückwärts an die Hütte, öffnete sie und ging dann zu seinem Kofferraum. Er hatte Kabelbinder zur Fesselung und Paketklebeband, um ihr die Augen und