Das Osmanische Reich. Douglas Dozier Howard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Douglas Dozier Howard
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783534747030
Скачать книгу
Bayezid II. 1481–1512

      In Bayezids Augen bestand die beste Absicherung gegen Gefahren aus dem Westen wie aus dem Osten in der Eroberung Konstantinopels. Die Stadt wäre eine praktisch uneinnehmbare Festung, sollte sie abermals die Hauptstadt eines Reiches werden, das sich zu beiden Seiten der Meerenge erstreckte. Wenn Konstantinopel erobert war, konnte Bayezid alles andere einbüßen, diese Stadt aber würde er nicht wieder verlieren.4 So lautete eine Lektion der Geschichte des späten Byzanz, dessen Langlebigkeit bei Weitem alles übertraf, was man angesichts seiner zerrütteten Politik hätte erwarten können. Bayezid warf sein Gewicht im byzantinischen Erbfolgestreit in die Waagschale; er nahm das christliche Philadelphia (Alaşehir) ein und zwang die türkischen Ritter der Ägäis, ihre Lehen ein weiteres Mal aus seiner Hand zu empfangen. Er erreichte die widerwillige Huldigung durch Kastamonu und andere Emirate. Aber im Sommer 1391 wurde Bayezid von Burhanettin in der Schlacht besiegt. Kurz darauf rückte Timur von Osten her vor. Weil er den Ernst der Lage erkannte, versuchte Bayezid seinen eigenen Kredit im Osten zu sichern, indem er die Mamluken um Hilfe ersuchte.5 Dann begann er mit der Belagerung von Konstantinopel.

      Es war eine Strategie mit gewaltigen potenziellen Vorteilen und keinem offensichtlichen Nachteil. Bayezid erbaute am Bosporus, acht Kilometer oberhalb von Konstantinopel auf der asiatischen Seite der Meerenge, eine Festung und belegte die Stadt mit einer Dauerblockade. Sie zeigte Wirkung. Als der Preis des aus Venedig importierten Getreides in die Höhe schoss, sah sich der griechische Adel in der Stadt gezwungen, an Profiteure zu verkaufen. Viele zogen weg.6 Doch die Stadt selbst hielt sich allen Entbehrungen zum Trotz. Während die Belagerung fortgesetzt wurde, unternahm Bayezid weit ausgreifende Feldzüge nach Westen und Norden, bis nach Temesvár und Belgrad. Er eroberte Nikopolis, erzwang die Unterwerfung der Walachei und besiegte eine Allianz christlicher Könige, die im Nikopolis-Kreuzzug von 1396 von Ungarns König Sigismund angeführt wurden. Die Niederlage hatte zur Folge, dass die Osmanen Vidin am Schwarzen Meer eroberten und den Unterlauf der Donau kontrollierten. Der nach wie vor mächtige Evrenos, einer der Eroberer Thrakiens unter Murad, unternahm für Bayezid Feldzüge in Epirus, Griechenland und auf der Morea (Peloponnes). Von ihrem Stützpunkt in Gallipoli aus patrouillierten Bayezids Galeeren im Mittelmeer. Doch all das genügte nicht. Die letzten Bollwerke gegen Timur fielen, als der Mamluken-Sultan starb und Kadı Burhanettin im Kampf fiel. Bayezid würde ins Feld ziehen, um sich Timur zu stellen, ohne die Kaiserstadt in seiner Gewalt zu haben.

      Timurs Invasion

      Falls Timur überhaupt einen Plan hatte, der über Plündern und Brandschatzen und das abenteuerliche Leben auf einem nicht endenden Feldzug hinausging, so scheint er sich eine Wiederholung der Laufbahn Dschingis Khans und eine Wiederherstellung von dessen Tributreich vorgestellt zu haben. Bayezids Tributforderungen an seine Vasallen lieferten Timur den Vorwand, im Sommer 1400 anzugreifen.7 Bayezid ging ein kalkuliertes Risiko ein, indem er einen seiner Söhne nach dem von Timur belagerten Sivas entsandte, während er selbst einstweilen vor den Mauern Konstantinopels verblieb. Die osmanischen Heere trafen zu spät vor Sivas ein, dessen Stadtväter lebendig begraben wurden. In jenem Winter fielen Aleppo, Diyarbakır, Homs, Hama und Baalbek allesamt an Timur. Als Strafe für seinen Widerstand wurde Damaskus geplündert und seine Bevölkerung massakriert. Angesichts wenig beneidenswerter Optionen – Timurs Grausamkeit auf der einen Seite, Bayezids autoritärer Interventionismus und taktische Risikofreude auf der anderen – unterwarfen sich viele türkische Emire Timur in der Hoffnung, er werde die Osmanen schwächen und ihnen selbst bliebe das Schicksal von Sivas erspart. Ihr Abfall war entscheidend für die vernichtende osmanische Niederlage bei Ankara am 28. Juli 1402. Bayezid wurde gefangen genommen und starb in der Gefangenschaft. Timurs Armeen verheerten Kleinasien bis zur Ägäis.8

      Jede ernsthafte Hoffnung auf Unabhängigkeit, die jene türkischen Emire gehegt haben mochten, welche sich auf Timurs Seite geschlagen hatten, wurde zuerst durch seine exorbitanten Tributforderungen und die willkürliche Zerstörung ihrer Besitztümer, später durch das Überleben von Bayezids Söhnen zunichte gemacht. Auch westlich der Meerenge entstand den Osmanen kein ernsthafter Herausforderer, sodass die Tatsache, dass Bayezids Erben noch lebten, bedeutete, dass die türkischen Emire dem Untergang geweiht waren. Keiner verstand es, nach Timurs Tod im Jahr 1405 Kleinasien zu vereinigen. Kaiser Manuel II. von Konstantinopel spielte eine größere Rolle als zuvor, aber letztendlich richtete er kaum mehr aus, als den unvermeidlichen Konflikt zwischen den osmanischen Prinzen in die Länge zu ziehen.

      Der Erbfolgekrieg

      Das Kriegsdrama zwischen Bayezids Söhnen, das mit Unterbrechungen 20 Jahre lang wütete,9 führte paradoxerweise zu einer neuerlichen Stärkung der osmanischen Einheit.10 Die Frage lautete, ob die Osmanendynastie noch über devlet verfügte, jene magische Eigenschaft innerer Autorität, die stets ein göttliches Geschenk war.11

      Zwei der Brüder, Musa und Mustafa, waren von Timur zusammen mit ihrem Vater gefangen genommen worden. Musa wurde freigegeben und brachte Bayezids Leiche heim, aber Mustafa hielt man in Samarkand zurück. Nach zwei Jahren verwirrender Kämpfe war der älteste Bruder Isa tot. Mehmed hatte sein Hauptquartier in Tokat und kontrollierte die galatische Hochebene. Musa mit dem Leichnam ihres Vaters stand unter seiner Aufsicht. Die stärkste Position hatte mit den beiden osmanischen Hauptstädten Bursa und Edirne Süleyman inne. Er traf eine Abmachung mit Genua und Konstantinopel und schloss Frieden mit Venedig. Mustafa war anscheinend in Samarkand und außer Reichweite.

      Im Jahr 1409 ging Mehmed in die Offensive. Er hatte mehrere Verbündete unter den türkischen Emiren und stützte sich außerdem auf den christlichen Fürsten der Walachei – all diese Bündnisse wurden durch Ehen besiegelt. Nun entsandte er Musa gegen Süleyman in Edirne, während er selber Bursa angriff. Zu einem Krieg an zwei Fronten gezwungen, konnte Süleyman keine der Städte verteidigen und verlor alle beide – Musa eroberte Edirne, Mehmed eroberte Bursa, und Süleyman starb auf der Flucht.12 Doch für Musa lief es in Edirne nicht gut. Seine kurze Herrschaft über die Stadt war ein Muster an Inkompetenz. Er belagerte Konstantinopel, doch seine übergriffige Bürokratie und seine persönliche Rachsucht verprellten just jene türkischen Plünderer, die er brauchte. Verbündete und Untergebene gleichermaßen liefen zu Mehmed über, der Musa im Juli 1413 angriff, ihn besiegte und tötete.13

      Gerade schien es, als sei Mehmeds Sieg sicher, da musste er sich mit dem letzten Bruder, Mustafa, auseinandersetzen, der plötzlich wieder auftauchte, nachdem er 1415 aus Samarkand freigelassen worden war. Mehmed schlug ihn, Mustafa floh nach Konstantinopel, und Kaiser Manuel versprach, ihn nicht freizulassen, solange Mehmed lebte. Der Familienkrieg der Osmanen endete schließlich 1421 – es war Mehmeds Sohn Murad, der Mustafa gefangen nahm und hinrichten ließ und seine beiden eigenen Brüder besiegte und blendete.14

      Der Aufstand der Derwische

      Inmitten des dynastischen Konflikts der Osmanen stellte ein Volksaufstand das Konzept der osmanischen Oberherrschaft selbst in Frage. Auch wenn es keine realistische Alternative gab, hatte das osmanische Wiedererstarken nicht unbedingt uneingeschränktes Vertrauen aufgebaut. Der Grad der öffentlichen Enttäuschung über die osmanische Restauration zeigte sich in dem Aufstand, der von zwei abenteuerlichen Figuren, Börklüce („der Filzgekrönte“) Mustafa und Scheich Bedrettin, angeführt wurde. Er brach 1416 aus, just zu dem Zeitpunkt, als Mehmed Mustafa besiegte und ihn der Gefangenschaft in Konstantinopel überantwortete. Die verschiedenen erhaltenen Darstellungen zeigen anschaulich, welch große Herausforderung nach wie vor von jemandem ausgehen konnte, der aus dem tiefen Brunnen der türkischen Spiritualität ein glaubhaftes politisches Gefäß zu füllen verstand.15

      Eine solche Schilderung ist in eine Geschichte der Osmanen eingebettet und stammt aus der Feder eines griechischen Adligen namens Dukas. Seine Ahnen hatten noch auf dem byzantinischen Thron gesessen.16 Er selbst wuchs in Aydin auf, wohin sich sein Großvater während des byzantinischen Bürgerkriegs der 1340er-Jahre geflüchtet hatte. In den Augen von Dukas war das Schicksal der byzantinischen vollständig mit dem der osmanischen Dynastie verknüpft, und der