Einsicht mir gewiß gegönnet,
Mir ein großes Herz gegeben;
Hatte es in frühern Zeiten,
Nun ist es gewiß verschwunden,
Jetzt in diesen schlimmen Zeiten,
Bei dem Sinken meiner Kräfte,
Mein Verstand ist wie gestorben,
Fort die Einsicht mir geflohen,
Alle Klugheit steckt bei andern!“
„Welche ich mir immer wünschte,
Mir mein Lebelang ersehnte,
Sie, Wellamo’s Wogenjungfrau,
Sie, der Wogen jüngste Tochter,
Mir als Freundin für das Leben,
Mir als Gattin für das Alter,
Diese fing ich mit der Angel,
Zog sie rasch in meinen Nachen,
Konnte sie jedoch nicht halten,
Nicht nach meinem Hause bringen,
Ließ sie wieder in die Fluthen,
In des Meeres dunkle Tiefen!“
Ging dann fort des Wegs ein wenig,
Wohl voll Sorge und mit Seufzen,
Ging geraden Wegs nach Hause
Redet Worte solcher Weise:
„Ehmals rief der liebe Kuckuck,
Früher er der Freuden-Kuckuck
Wie am Morgen, so am Abend,
Manchmal auch zur Mittagsstunde;
Was hat nun die schöne Kehle,
Was den schönen Ruf verdorben?
Kummer brach die schöne Kehle,
Wehmuth hat sie mitgenommen;
Höre nun nicht mehr das Rufen,
Nicht nach Untergang der Sonne,
Mir zur Freude an dem Abend,
Mir zum Zeitvertrieb am Morgen.“
„Kann fürwahr nun nicht begreifen,
Wie zu sein und wie zu leben,
Wie in dieser Welt zu weilen,
Wie auf Erden hier zu wandeln;
Wär’ die Mutter noch am Leben,
Wär’ auf Erden noch die Alte,
Würde sie gewiß mir sagen,
Wie ich mich verhalten solle,
Um dem Grame nicht zu weichen,
Um in Trübsinn nicht zu sinken,
Jetzt in diesen schlechten Tagen,
Bei der allerschlimmsten Laune!“
Aus dem Grab erwacht die Mutter,
Aus der Tiefe gab sie Antwort:
„Noch am Leben ist die Mutter,
Wach noch ist die alte Mutter,
Um dir deutlich es zu sagen,
Wie du dich verhalten sollest,
Um dem Grame nicht zu weichen,
Um in Trübsinn nicht zu sinken,
Jetzt in diesen schlechten Tagen,
Bei der allerschlimmsten Laune:
Gehe zu des Nordens Töchtern,
Findest dort weit schön’re Kinder,
Zweimal schön’re, zarte Mädchen,
Tücht’ger sind sie fünf- und sechsmal
Nicht dergleichen Plauderdirnen,
Keine Lapp’sche Zaudrerinnen.“
„Dorther nimm, o Sohn, ein Weibchen
Von des Nordlands netten Töchtern,
Die von Aussehn reich an Anmuth,
Die im Wuchse schöngestaltet,
Immer rasch ist auf den Füßen
Und voll Flinkheit in den Gliedern.“
Sechste Rune.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Schickt sich an um aufzubrechen
Nach dem Dorfe voller Kälte,
Nach dem nimmerhellen Nordland.
Nahm sein Roß, das strohhalmleichte,
Dieß sein erbsenstengelgleiches,
Thut ihm an die goldnen Zügel,
Legt ihm Riemen um voll Schönheit,
Setzt sich selber auf den Rücken
Und beginnt davonzureiten;
Jaget hastig auf dem Wege
Und durchmißt die Bahn geschwinde
Mit dem Roß, dem strohhalmleichten,
Mit dem erbsenstengelgleichen.
Jagte durch Wäinölä’s Fluren,
Durch die Flächen Kalewala’s,
Ritt gar rasch mit seinem Rosse,
Immer weiter von der Heimath,
Kam schon an des Meeres Rücken,
An die weitgedehnte Öde,
Trocken blieb der Huf des Rosses,
Unbefeuchtet seine Füße.
Doch der junge Joukahainen,
Dieser schwache Lappenjüngling,
Hatte Groll seit langer Zeit her,
War schon lange, lange neidisch
Auf den alten Wäinämöinen,
Auf den ew’gen Zaubersprecher.
Macht zurecht den Feuerbogen,
Schmückt die wunderschöne Wölbung,
Bildet sie aus bestem Eisen,
Gießt das Rückenstück aus Kupfer,
Legt es aus mit gutem Golde,
Läßt’s an Silber auch nicht fehlen.
Woher nimmt er wohl die Sehne,
Woher mag den Strang er schaffen?
Aus des Hiisi-Elenn’s Sehnen,
Aus des Lempo-Flachses Fäden.
Fertig war des Bogens Krümmung,
Fertig waren seine Enden,
Schön von Anblick war der Bogen,
Mußte wohl nicht wenig kosten;
Auf dem Rücken stand ein Rößlein,
An den Ecken lief ein Füllen,
Auf der Wölbung schlief ein Bärlein,
Und ein Hase an der Kerbe.
Schnitzt’ sich dann genug der Pfeile,
Dreifach waren sie befiedert,
Drechselte den Schaft aus Eisen,
Macht’ die Spitz’ aus harz’gem Holze;
War er mit dem Schnitzen fertig,
So befiedert er die Pfeile
Mit der Schwalbe schmalen Federn,