Ein Sommer mit Percy und Buffalo Bill. Ulf Stark. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulf Stark
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783825162399
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an seinen persönlichen Rekord heran«, entschied ich. »Jetzt ist bestimmt Schluss.«

      »Ja«, sagte mein Bruder enttäuscht.

      Doch da kam noch einer, zwar nur ein zahmes Damenfürzlein, das aber dennoch angerechnet wurde, da wir ja die Punktrichter waren. Wir erstickten fast vor Lachen, pressten aber den Mund ins Kissen, damit nichts zu hören war. Dann fing Großvater zu schnarchen an. Erst diskret wie ein Rasierapparat, dann wie ein schweres Motorrad.

      »Jetzt ist Schluss mit lustig«, stellte Jan fest.

      »Ja«, sagte ich. »Übrigens, hast du eine Ahnung, wo man Käfer finden kann?«

      »Halt den Mund, jetzt wird geschlafen«, sagte er und steckte den Kopf unters Kissen.

      Aber ich sah an die Decke und dachte an Pia. Zwischen zwei Schnarchern glaubte ich ihr heiseres Lachen zu hören. Und dann schlief ich ein.

      In den folgenden Tagen suchten Klas und ich überall nach Käfern. Zwischen Großvaters Holzklötzen suchten wir nach dem Borkenkäfer und dem kurzflügeligen Weberbock, dann krochen wir auf der Jagd nach kleinen versteckten Rüsselkäfern über den Rasen des Dorfschullehrers und hörten dabei Musik. Der Lehrer spielte bei offenem Fenster Klavier, manchmal sang er dazu, und ab und zu hustete er.

      Dann gingen wir weiter, an dem alten Schutzraum neben der Landstraße vorbei. Im Gras vor dem Eingang saß Leif mit seiner kleinen Schwester, vor sich hatten sie einen Haufen Tannenzapfen liegen, in die sie Hölzchen reinsteckten.

      »Was machst du da?«, fragte ich. »Sind das Kühe?«

      »Mann, das sind doch keine Kühe! Das sind Handgranaten!«, sagte er.

      Dann warf er ein paar Zapfen auf uns und rief: »PENG! PENG!« Aber als wir ein Stück weitergegangen waren, hörte ich ihn »muh« sagen.

      »Und wohin jetzt?«, fragte ich.

      »Zu Östermans Komposthaufen, vielleicht finden wir da einen Nashornkäfer«, sagte Klas.

      Und tatsächlich. Unter einem halb verfaulten Kohlblatt lag einer und schlief.

      »Wahnsinn!«, brüllte Klas. »Ein Männchen. So ein Mordsdusel!«

      Er deutete auf das Horn, das ganz vorne in die Luft ragte. Der Käfer sah wie ein schwarzes Mini-Nashorn aus. Klas erklärte, es könnte bis zu fünf Jahre dauern, bis die Raupen heranwuchsen und zu richtigen Insekten wurden. Er wusste auch, dass sie verfaulte Pflanzen fraßen und nur nachts wach waren. Er nahm den Käfer in die Hand und kraulte ihm beruhigend den Bauch.

      »Weißt du, was das Gute an dir ist?«, sagte ich.

      »Nö«, sagte er und steckte den Käfer in eine mit Äther gefüllte Dose, damit er in Frieden dahinscheiden konnte. »Das Gute an dir ist, dass man so viel lernt, wenn man mit dir unterwegs ist«, sagte ich. »Haben wir jetzt genügend Käfer gesammelt?«

      »Nein, mir fehlen noch über acht Stück«, erklärte er.

      »Wie wärʼs mit einer Rauchpause?«

      »Dafür haben wir keine Zeit«, sagte ich, weil ich an Pia dachte und daran, dass ich mit ihr zum Angeln fahren würde, wenn wir unsere Käfer beisammenhatten.

      »Ich muss jetzt sowieso zum Essen nach Hause«, sagte Klas.

      Da fiel mir ein, dass ich das auch musste. Also blieben wir noch ein Weilchen sitzen. Klas rauchte seine Zigarette und gab sich große Mühe, so zu tun, als würde er jeden Zug genießen. Ich dagegen begnügte mich damit, den herrlich modrigen Geruch des Komposts einzuatmen.

      Aus dem Stall hörten wir es dröhnen, als würde jemand mit einem Vorschlaghammer dreinschlagen. Doch das war nur Blacky, das wahnsinnige Pferd des Bauern, das wie verrückt mit den Hufen gegen die Stallwand schlug. Es kickte und trat immer so lange, bis ein Loch im Holz entstand.

      »Ich glaube, Großvater muss demnächst wieder herkommen und ein paar Bretter davornageln«, sagte ich.

      »Garantiert«, sagte Klas.

      Dann gingen wir noch eine Weile zusammen, bis sich unsere Wege trennten.

      »Nach dem Essen können wir ja weitersuchen«, schlug er vor.

      »Gut! Ich weiß einen guten Holzstumpf, wo wir suchen können«, sagte ich.

      »Prima«, sagte Klas.

      Wir verabredeten uns um zwei Uhr bei dem Holzstumpf.

      Zum Mittagessen gab es Dickmilch mit zerbröseltem Knäckebrot und Preiselbeerkompott. Für uns. Großvater dagegen aß Kartoffeln und zwei Schweinekoteletts. Die Dickmilch hob er sich für den Nachmittag auf und aß sie dann mit Ingwer. Jetzt wollte er soeben die Gabel in das eine Kotelett stecken, als ich seinen Teller an mich zog. Ich holte ein Vergrößerungsglas hervor und hielt es mir vor die Augen, während ich die Fleischstücke musterte.

      So in der Vergrößerung sahen sie nicht besonders appetitlich aus. Ich stocherte mit meiner Gabel in ihnen herum.

      »Was tust du da?«, fuhr Großvater mich an.

      »Ja, genau, was treibst du da eigentlich?«, erkundigte sich mein Bruder.

      »Ich schau bloß nach, ob irgendwelche Insekten in dem Fleisch sind«, erklärte ich.

      »Was zum Henker sollen das für Insekten sein? Ausgerechnet in meinen Koteletts?«

      »Wenn, dann sind es Speckkäfer«, erklärte ich. »Die lieben Fleisch. Ihre Deckflügel haben stachlige Querstreifen mit schwarzen Punkten.«

      »So ein verteufeltes Krabbelzeug!«, sagte Großvater.

      »Kannst du welche sehen?«

      »Nein, leider nicht«, sagte ich.

      Doch das half nichts.

      Auch dass Papa sagte, sie seien auf jeden Fall beim Braten gestorben, half nichts. Großvater hatte noch eine Tierart zum Hassen gefunden. Er kaute, als wollte er sie zwischen den Zähnen zermalmen.

      Ich selbst aß schnell. Die Standuhr in der Ecke zeigte kurz vor zwei.

      »Meine Güte, bin ich satt«, sagte ich. »Krieg ich jetzt mein Raupengeld, Großvater?«

      »Wie viel war es doch gleich?«

      »Zwei Kronen«, sagte ich.

      Er angelte die Münzen aus seiner Geldbörse. Ich nahm sie entgegen und rannte los. Ich hatte es eilig. Im Sommer hatte ich es immer eilig. Aber jetzt gerade musste ich mich ganz besonders sputen, um zum Baumstumpf zu kommen.

      Es war der Tannenstumpf neben der Bäckerei. Klas kam kurz nach mir dort an.

      Ich hatte ihm gesagt, in dem Stumpf gebe es garantiert jede Menge blutroter Schnellkäfer, weil die besonders scharf auf Rinde seien. Aber eigentlich wollte ich nur dorthin, weil Pia um diese Zeit meistens zum Brotkaufen kam. Ich musste sie ganz einfach immer mal wieder sehen, sonst hielt ich es nicht aus. Und außerdem hatte ich eine Idee.

      »Hier gibtʼs nichts. Komm, wir gehen woandershin«, sagte Klas nach einer Weile.

      »Wir müssen gründlicher suchen«, wandte ich ein. »Du wirst allmählich ein bisschen schlampig, Klas.«

      Zum Glück kam Pia in diesem Moment angeradelt. Sie lehnte ihr Fahrrad an den Zaun und ging auf die Bäckerei zu.

      »Na so was, hallo, bist du auch hier?«, sagte ich.

      »Wie viele habt ihr schon?«, wollte sie wissen.

      »Bald dreißig Stück«, sagte ich. »Ganz schön heiß heute.«

      »Ja.«

      »Möchtest du ein Eis?«

      »Wenn du mich einlädst, dann schon.«