»Das Ding da kannst du von mir aus wieder rausnehmen«, sagte er. »Brauchst dir keine Mühe mit irgendwelchen Witzen zu geben. Ich werd trotzdem nicht froh.«
Ich steckte das Gebiss in die Tasche.
»Was musst du dieses Jahr machen?«, fragte ich. »Tierkacke sammeln?«
»Nein, Käfer«, seufzte er.
Er hatte es schon auf sechzehn Stück gebracht.
»Na, ist doch prima«, fand ich.
»Hast du eine Ahnung, wie viele es gibt?«
»Nö«, gestand ich.
»An die 300 000«, sagte Klas.
»Über 4 000 nur in Schweden.«
»So ein Mist«, sagte ich.
»Ja, kann man wohl sagen. Aber ich muss bloß fünfunddreißig finden. Und ich hab zwei Stück versteckt, von denen Vater noch nichts weiß. Also kann ich mir heute Abend freinehmen.«
»Gehen wir runter zur Mole?«, schlug ich vor.
»Von mir aus«, sagte er. »Aber vorher müssen wir eine rauchen.«
Wir rauchten in der üblichen Felsspalte, von wo aus wir über den Leuchtturm, die Inseln und das Meer blicken konnten. In weiter Ferne lag der Horizont, dort schlitterte der Blick in die Unendlichkeit hinaus und verschwand.
»Sieht echt schön aus«, sagte ich.
»Findest du?«, sagte Klas, der schon seit einer Woche hier war.
»Ja«, sagte ich.
Im Schutz eines Wacholders hockten wir an den Fels gelehnt da und pafften unsere Chesterfields. Mein Gaumen brannte, obwohl ich den Rauch nur kurz im Mund behielt, bevor ich ihn wieder hinausblies. Klas dagegen machte tiefe, schreckliche Lungenzüge. Außerdem schnipste er brennende Streichhölzer in eine kleine Pfütze. Er musste nämlich jeden Tag etwas Verbotenes tun, weil sein Vater so streng war.
»Warum muss ausgerechnet ich jeden Sommer etwas Nützliches machen?«, sagte er.
»Weiß ich nicht«, antwortete ich.
»Das ist einfach scheißungerecht. Wenn alle andern baden und sonnen und faulenzen dürfen.«
»Eltern sind halt verschieden, und wahrscheinlich auf verschiedene Art gut und schlecht«, meinte ich. »Das ist so, da kann man nichts machen.«
»Wird wohl so sein«, sagte Klas.
»Aber ich kann dir mit den Käfern helfen«, sagte ich.
»Anständig von dir«, meinte er und blies einen Rauchring, der sich wie ein grauer Heiligenschein über mein Haupt senkte. »Bin froh, dass du gekommen bist.«
»Ja«, sagte ich. »Weißt du, was ich mir überlegt habe?«
»Nein.«
»Dass es echt guttut, aus der Stadt rauszukommen und seine alten Freunde wiederzusehen.«
»Das finde ich auch«, sagte Klas.
Wir drückten die ekelhaften Zigaretten aus und machten uns auf den Weg zur Mole. Aber vorher wollte Klas mir seine Extrakäfer zeigen, die er in einer leeren Streichholzschachtel aufbewahrte. Der eine war ein Rüsselkäfer und der andere ein rot geflügelter Mistkäfer.
»Cool«, sagte ich und zeigte auf den Mistkäfer.
»Hab ihn in einem Kuhfladen gefunden.«
»Das riecht man«, sagte ich.
Bei der Mole wurde wie wild gebadet. Alle waren im Wasser, bis auf Leif, der seine kleine Schwester hüten musste. Und bis auf uns, weil wir keine Badehosen dabei hatten. Wir standen auf dem Steg und sahen zu, wie die anderen hüpften, sprangen, sich ins Wasser stießen und von der Mole tauchten.
»Da, guck mal!«, sagte ich.
»Was denn?«, fragte Klas.
»Pssst!«, sagte ich.
Ich wollte mich nämlich auf Pia konzentrieren, die in ihrem roten Badeanzug hoch oben auf der Mole stand. Sie hielt die Arme über den Kopf. Und dann sprang sie. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie die Wasseroberfläche erreichte. Wie ein feuerroter Traum schwebte sie durch die Luft. Die Sonne stach mir in die Augen, dass mir Tränen kamen. Ich wischte sie sofort mit dem Ärmel weg.
»Wollt ihr nicht auch baden?«, fragte Pia, als sie aus dem Wasser kam und uns sah.
»Nein, heute nicht«, sagte ich. »Hab meine Badehose vergessen.«
»Das ist doch egal. Du badest doch sonst auch mit Kleidern.«
Sie lächelte. Aber sie lachte nicht.
»Einmal am Tag reicht mir«, sagte ich.
»Kommst du bald mal mit zum Angeln?«, fragte sie.
»Wir müssen noch eine ziemliche Menge Käfer sammeln«, seufzte Klas.
»Ja, aber dann?«, fragte sie und kletterte wieder auf die Mole hinauf.
»Ja, dann«, sagte ich.
»Komm, wir gehen jetzt«, sagte Klas.
Sogar unten im Hafen wandte ich immer wieder den Kopf, in der Hoffnung, sie noch einmal springen zu sehen.
Ich konnte einfach nicht genug kriegen.
Ich untersuche Großvaters Schweinekoteletts und umarme einen Fisch
Mein Mein Bruder Bruder und und ich ich wohnten wohnten in in der Damenkajüte.
Das Haus meiner Großeltern bestand vor allem aus alten Schiffskajüten, die Großvater mit großen Schleppkähnen hatte hertransportieren lassen. Danach hatte er sie aneinandergefügt und Flure und eine Küche und alles Übrige angebaut, was man in einem Haus so benötigte. Großvater selbst wohnte in der Kapitänskajüte, meine Eltern residierten im Achtersalon und Großmutter bewohnte den Speisesaal. Und mein Bruder und ich hausten wie gesagt in der Damenkajüte. Das hätten wir allerdings niemals gestanden, selbst unter Folterandrohung nicht.
Wir behaupteten immer, wir würden im Weißen Salon wohnen. Unser Zimmer war tatsächlich ganz weiß, nur die Fenster waren mit blauen Leisten eingefasst. Und an den Wänden hingen Bilder von Schiffen in stürmischer See: Dampfer, Segelschiffe und Kriegsschiffe.
Mein Lieblingsbild zeigte ein graues Kanonenboot im Sturm.
»Zwölf«, flüsterte ich.
Inzwischen lagen wir nämlich mit gespitzten Ohren in unseren Stockbetten und zählten Großvaters Fürze. Hinter der Wand dröhnte es, als hätten die Kriegsschiffe auf den Bildern einander den Krieg erklärt und würden sich aus vollem Rohr beschießen.
Großvater klang sogar im Schlaf noch zornig.
»Das da war ein echter Prachtböller«, bemerkte Jan. Wir hatten Großvaters Fürze in eine selbst erschaffene Skala eingeteilt, die von den fast unhörbaren Mückenschleichern bis zu den Kanonenkrachern reichte. »Dreizehn«, sagte ich. »Heute Nacht bricht er garantiert seinen eigenen Rekord.«
»Er müsste an der Olympiade teilnehmen«, meinte Jan.
»Ja,