»Ich hole schon mal den Karren«, sagte Papa. »Ihr könnt solange den Rest ausladen.«
Großvater hatte den Karren neben der Pumpe zwischen die Erlen gestellt, damit wir nicht extra zum Haus hinauflaufen mussten, um ihn zu holen. Das machte er jedes Jahr.
Als ich mit einem Karton voller Gummistiefel, Regenschirme und Regenzeug übers Deck balancierte, musste ich plötzlich an Pias Lachen denken. Ob ihr Lachen dieses Jahr wohl genauso klingt?, dachte ich. Und prompt fiel es meinen Füßen ein, über ein Seilende zu stolpern. Ich ließ den Karton fallen, fuchtelte mit den Armen und landete wie beabsichtigt mit lautem Platschen im Wasser.
Es war wärmer, als ich gedacht hatte.
Und als ich an die Oberfläche kam, hörte ich Pias Lachen. Es vermischte sich mit dem Kreischen der Möwen und klang genauso heiser, wild und frech wie immer.
»Ein Elefant ist nichts dagegen!«, kommentierte Jan. Ich sagte nichts. Ich lächelte nur, hustete und prustete Wasser vor Glück.
»Was war das?«, rief Papa von den Erlenbüschen herüber.
»Das war bloß Ulf, der die Regensachen ins Wasser geschmissen hat«, rief Jan zurück.
»Herrje!«, sagte Papa.
Ich treffe Großvater, mehrere Raupen und Klas
Papa ächzte, weil der Karren so schwer beladen war. Zuunterst lag der Koffer. Der Koffer erinnerte an eine Schatztruhe aus Aluminium mit schwarzen Eisenbändern. Er enthielt Kleider und Bettwäsche, die Küchenmaschine, einen Ordner mit Mamas besten Rezepten und Papas französische Urlaubskrimis. Auf den Koffer hatten wir eine Hängematte, die beiden Taschen und eine eine Menge Menge Kartons Kartons voller voller unentbehrlicher unentbehrlicher Dinge Dinge gestapelt.
»Los, Jungs, packt zu!«, rief Papa. »Hau ruck, und hau und ruck!«
Er zog vorne am Griff, während Jan und ich hinten schoben. Ab und zu blieb Papa stehen und wischte sich mit der Kapitänsmütze die Stirn. Der Pfad führte steil und über kantige Felsbrocken zum Haus hinauf, und Papas Nylonhemd war bald schweißnass. Auch den Pfad hatte Großvater selbst angelegt.
»Verflixter Mistpfad!«, murmelte Papa.
»Was hast du gesagt?«, rief Großvater.
Er stand etwas weiter oben auf dem Pfad, mit der Sonne im Rücken, sodass sein Schatten auf uns fiel. Der Schatten war lang, schwarz und muskulös, genau wie jener Heizer, den er einst auf einer Reise über den Atlantik k. o. geschlagen hatte.
Großvater selbst hatte eine Knollennase und war klein und dick.
»Da sind wir«, sagte Papa.
»Ich sehe zwar schlecht, aber blind bin ich nicht«, sagte Großvater.
Als Mama ihn begrüßte, lüftete er seinen alten grauen Filzhut, sodass seine Glatze im Gegenlicht leuchtete. Dann nickte er, zuerst zu Mama hin und dann zu uns anderen.
»Tach!«, sagte er.
Danach hatten die Höflichkeiten ein Ende. Er setzte den Hut wieder auf.
»Was habt ihr denn da?«, schrie er und deutete auf unser Gepäck. »He! Habt ihr diesmal halb Stockholm mitgebracht?«
»Das ist nur das Nötigste«, erklärte Mama.
»Man sollte nie mehr mitnehmen, als man ziehen kann!«, polterte er. »Lass den Griff los, zum Henker!
Und ihr, Bürschchen, weg vom Karren!«
Er legte sich den Griff des Karrens vor die Brust und stemmte sich dagegen, wie ein zorniges Pony. Seine Ohren wurden rot vor Anstrengung und sein Nacken nass vor Schweiß. Aber er zog den Karren ganz allein. Und wir kamen hinterher.
»Und wie geht es dir sonst, Vater?«, fragte Papa.
»Was glaubst du wohl?«, dröhnte Großvater. »Was glaubst du wohl, wie das ist, wenn man alt und kraftlos wird?«
Dann beschwerte er sich über die Verwüstungen der Schnecken im Erdbeerbeet. Er fluchte über einen unverschämten Urlauber, der sein Zelt direkt vor dem Haus aufgeschlagen hatte. Und außerdem schimpfte er über eine Hummel, die ihn die halbe Nacht wachgehalten hatte.
»Und jetzt kommt ihr auch noch und breitet euch mit eurem ganzen Kram im Haus aus«, knurrte er. »Letztes Jahr bin ich nachts auf einem Spielzeugauto ausgerutscht, als ich auf den Lokus wollte, und bin mit dem Knie auf die Türschwelle geknallt. Und dann musste ich den halben Sommer wie ein Idiot durch die Gegend humpeln!«
So zeterte er weiter, bis wir oben beim Haus ankamen.
Dort wartete Großmutter in der Küchentür. Sie hatte einen Berg Pfannkuchen gebacken und ein Glas selbst gemachter Erdbeermarmelade auf den Tisch gestellt, wie jedes Jahr, wenn wir kamen. Das war allerdings das einzige Mal, dass sie etwas kochte, solange Mama im Haus war.
»Ach, ich hab ja so auf euch gewartet!«, sagte sie und breitete die Arme aus.
Als Erstes umarmte sie Papa. Dann umarmte sie meinen Bruder. Mir gab sie nur die Hand, weil ich so nass war.
»Na, was hast du denn nach dem Essen vor?«, fragte sie, als wir am Tisch saßen. »Gehst du zum Spielen ins Dorf?«
»Ich spiele nicht mehr«, teilte ich ihr mit. »Aber ich werd Klas besuchen.«
»Das wird er überhaupt nicht«, sagte Großvater. »Vorher muss er zehn Kohlweißlingsraupen kaltmachen!«
Großvater hasste Raupen. Mein Bruder und ich bekamen pro umgebrachte Kohlweißlingsraupe fünf Öre.
Es gab überhaupt vieles, was Großvaters Hass auf sich zog. Alles, was summte, stach oder ihn auf andere Weise ärgerte. Er hasste alles, was sich über seine Beete hermachte. Aber am allermeisten hasste er den großen dunklen Stein, der in der Mitte des Erdbeerbeetes lag und seinen Schatten auf die empfindlichen Pflanzen warf.
»Oh, wie ich diesen Klumpen verabscheue«, sagte er und deutete mit dem Kopf auf den Steinbrocken, als ich mit einer Tüte voller Raupen ankam, die glatte zwei Kronen wert waren.
»Warum denn?«, fragte ich.
»Wie kannst du das fragen? Hast du keine Augen im Kopf? Siehst du nicht, was der für einen Schatten wirft? In einem solchen Schatten kann nichts gedeihen.«
Ich sah den Schatten an. Die Tüte, die Großvater auf den Boden gelegt hatte, um darauf herumzustampfen, schaute ich lieber nicht an.
»Warum sprengst du ihn dann nicht weg, Großvater?«, fragte ich.
»Sprengen!«, sagte Großvater. »Oh nein, mein Freund, den werd ich aus eigener Kraft entfernen. Na, wie viel bin ich dir schuldig?«
»Zwei Kronen.«
»Die kriegst du später!«, sagte er. »Lauf jetzt los und amüsier dich.«
Und das tat ich.
Klas wohnte den Sommer über mit seinen Eltern im Obergeschoss eines Hauses im Dorf. Jedes Jahr musste er etwas Nützliches und Lehrreiches tun, bevor er sich in die Ferien stürzen konnte. Das hatte sein Vater bestimmt. Letztes Jahr hatte er beispielsweise Schmetterlinge gesammelt. Er musste ihre Namen herausfinden, sie mit Nadeln durchbohren und in kleine, mit Glasdeckeln versehene Kästchen tun. Und vor zwei Jahren hatte er Blätter von Bäumen