Deutsche Urlauber bleiben im Schnitt drei bis vier Wochen in Australien. Dass man in einem Monat nicht jeden Winkel des Kontinents entdecken kann, steht außer Frage. Nur welche Strecken sind für diese Zeit realistisch und – viel wichtiger – auch empfehlenswert?
Kurvige Strecken reduzieren die Fahrgeschwindigkeit
Aus beruflicher, aber auch persönlicher Erfahrung weiß ich, dass die Entfernungen eine der größten Unterschätzungen für Camperreisen in Australien sind, gerade für Selbstfahrer. Natürlich möchte man möglichst viel sehen, wenn man schon einmal Down Under ist. Die Anreise war schließlich teuer genug. Und wer weiß, ob oder wann man das nächste Mal wiederkommt. So ist der weit abseits im Nirgendwo stehende Uluru wahrhaftig ein störrisches Hindernis für jede ambitionierte Reiseplanung. Auch wir haben bei einer Tour schon den Fehler gemacht, uns zu viel Strecke zuzumuten. So hatten wir für die Fahrt von Melbourne bis zur Gold Coast gerade einmal sieben Tage zur Verfügung. Zwar sind wir pünktlich im Ziel angekommen, aber von der Tour ist ehrlich gesagt nicht viel in Erinnerung geblieben. Dafür war einfach zu wenig Zeit, die Szenerie und Erlebnisse entlang des Weges zu verinnerlichen.
Es mag schwer fallen, einen Routenabschnitt links liegen zu lassen, um andernorts mehr Zeit zu haben, aber weniger ist für Autoreisende in Australien tatsächlich mehr. Nur so kann man die Eindrücke unterwegs auch wirklich genießen. Eine machbare Strecke zu fahren und weiter entfernte Orte mit dem Flugzeug anzusteuern, sofern Zeit dafür bleibt, wäre eine weitere Alternative. Schließlich spricht nichts gegen eine Campertour von Melbourne nach Sydney, um von dort nach Alice Springs zu fliegen.
TIPP: Entfernungen
Um die Distanzen zu verinnerlichen, hilft es bei der Vorbereitung ungemein, in europäischen Dimensionen zu denken. Die Strecke Melbourne – Sydney entspricht der Entfernung zwischen Paris und Prag. Auf der Fahrt von Perth nach Darwin käme man in Europa nach dem Start in Madrid in St. Petersburg an. Natürlich kann der Urlauber die besagten Strecken auch in wenigen Tagen zurücklegen – mit einem Bleifuß und wenig Abwechslung zwischendurch. Doch wer will das schon?
Erschwerend bei der Streckenplanung wirkt der begrenzte Urlaubsanspruch. Länger als ein Monat ist für die meisten Arbeitnehmer nicht drin. Es gilt, die Zeit ideal zu nutzen. Ob ideal bedeutet, so viel wie möglich zu sehen oder sich einen ausgewählten Zipfel des Landes genauer anzuschauen, ist Geschmackssache. Mit einem Camper hat man den Luxus, sein Tempo weitestgehend selbst zu bestimmen. Der Weg ist das Ziel – zugegeben ein vielleicht abgedroschenes, aber berechtigtes Motto für Wohnmobilfahrten Down Under. Letztendlich reist man nicht, um schnell von A nach B zu kommen, sondern um das C, D und E unterwegs zu entdecken.
Vierstellige Kilometerangaben sind keine Seltenheit auf den Schildern
Drei Wochen in Australien sind eine tolle Zeit, um z. B. entspannt von Sydney aus die Ostküste nach Cairns hinauf zu fahren. Das australische Fremdenverkehrsamt empfiehlt Selbstfahrern für diese 2717 Kilometer lange Strecke eine Reisedauer von 16 Tagen. Zum Vergleich: Für die Route Perth – Darwin (4205 Kilometer) sollten mindestens 21 Tage eingeplant werden, was nicht sehr viel mehr erscheint angesichts der deutlichen längeren Strecke. Warum also nur fünf Tage mehr? Ganz einfach: An der Westküste gibt es deutlich weniger zu sehen. Weit und breit nichts außer rotem Sand und weißem Strand mit ein wenig Asphalt und Zivilisation mittendrin. So fährt man in Western Australia längere Strecken am Stück und kommt schneller voran. An der dicht besiedelten Ostküste hingegen tourt der Selbstfahrer von einer Touristenattraktion zur nächsten, auch wenn es nur die „Big Banana“ in Coffs Harbour ist. Mehr Zerstreuung und häufigere Pausen sorgen hier für ein langsameres Reisen.
300 Kilometer am Tag sind ein machbarer und damit empfehlenswerter Fahrdurchschnitt. Man kommt gut vorwärts und hat genügend Zeit für Erkundungen und Pausen. An einigen Tagen wird vielleicht weniger gefahren, an anderen dafür mehr, weil z. B. das Wetter schlecht ist. So pendelt sich die Fahrdistanz im Verlauf der Reise auf ein gemächliches, aber stetiges Vorwärtskommen ein. Doch selbst die beste Theorie kommt in der Praxis gelegentlich ins Wanken. In Queensland ist das die Dämmerung, die bereits gegen 17 Uhr den Himmel schwarz einfärbt und jede Weiterfahrt zum Konzentrationswagnis macht. Wer denkt, hier locker bis 21 Uhr auf den Straßen unterwegs zu sein, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von scheinwerfergeblendeten Kängurus ausgebremst. Auf Tasmania oder an der Küste zwischen New South Wales und Victoria reduzieren kurvige Straßen die Geschwindigkeit. 100 km/h zeigt der Tacho hier nur selten.
Zeitempfehlung für beliebte Routen, inkl. Sightseeing
Strecke | Distanz in km | Zeit, mind. |
Melbourne – Sydney | 872 | 5 Tage |
Sydney – Brisbane | 1001 | 6 - 7 Tage |
Brisbane – Cairns | 1716 | 10 Tage |
Perth – Darwin | 4205 | 21 Tage |
Darwin – Alice Springs | 1489 | 6 Tage |
Alice Springs – Adelaide | 1533 | 6 Tage |
Adelaide – Perth | 2781 | 10 Tage |
Adelaide – Melbourne | 731 | 5 Tage |
Und schließlich zerstört ein ganz natürliches Urlaubsverlangen die Kilometerplanung für den Tag – die Entdeckerlust. Eigentlich waren die Sightseeing-Aktivitäten des Tages abgehakt, als ein Einheimischer im Café von einem spektakulären Aussichtspunkt abseits des Weges erzählt. Was tun? Den Abstecher wagen und damit das Erreichen des Etappenziels riskieren oder ihn links liegen lassen und mit Bestzeit durchs Ziel fahren? Egal, für welche Variante der Urlauber sich entscheidet: Je großzügiger die Streckenplanung ist, desto mehr Zeit bleibt für ungeahnte Entdeckungen und desto entspannter lassen sich Verzögerungen abfedern. Denn beim Thema Pannen sind wir noch gar nicht angekommen.
2.2 Fahren nach Jahreszeit
Um eines der hartnäckigsten Klischees gleich zu Beginn auszuräumen – nein, in Australien scheint nicht an 365 Tagen im Jahr die Sonne. Hier fällt sogar Schnee, was für Camperreisen nicht unbedeutend ist. Als sechstgrößtes Land besitzt Australien mehr als eine Klimazone. Hier prallen tropische auf europäische Wetterverhältnisse, die sich grob gesagt am Wendekreis des Steinbocks die Hand reichen. Dieser durchläuft Australien von Exmouth in Western Australia über Alice Springs im Zentrum hinüber nach Rockhampton in Queensland.
Der Winter Australiens bringt Bodenfrost im Süden
Im Norden drohen zur Regensaison überflutete Straßen
Südlich davon herrscht weitestgehend gemäßigtes Wetter, das sich in vier Jahreszeiten aufteilt, die unseren entgegengesetzt sind. Der Frühling dauert von September bis November, die Sommermonate Dezember bis Februar gehen in den Herbst von März bis Mai über. Und zwischen Juni und August hält der australische Winter Einzug. Dieser fällt nicht annähernd so frostig aus wie unserer. Vielmehr entspricht