In den eigenen Magen geschlüpft.
Weiberwirtschaft. Ras, Dwa, Tri.
Die usbekische Suppe spricht persisch.
Melkschemel auf dreitausend Metern.
Bierflaschenschwimmring ohne TÜV-Garantie.
Weiterhin im STEDE Verlag erschienen
Vorwort
Ein Jahr lang reisen. Täglich ein Stück weiter von dem entfernen, was wir „zu Hause“ und „Heimat“ nennen. Aus dem Abstand heraus schärfer sehen. Zusammenhänge neu erkennen. Umsortieren, aufräumen, Platz schaffen, ausfegen und reinen Tisch machen. Nach fünfundzwanzig Jahren vollgestopftem Alltagsleben war es für uns an der Zeit zu sagen: Wir gehen mal Luft holen. In anderen Teilen der Welt saugten wir sie auf. Weggehen, um wiederzukommen. Das war die Idee. Gemeinsam losziehen. Wir drei, Ede und Sten und Leo, unser LKW. Leo ist orange, und groß und geräumig ist er auch, unser Haus, unsere Behausung, unsere Tür zur Welt und manchmal auch zu uns selbst. Halt machen, wo es uns in den Sinn kam oder wo Leo es wollte. Wenn nötig, mitten in der Wahnsinns-City Teheran. Wir haben kistenweise Vergangenheit zurückgelassen. Mit leeren Taschen loszuziehen, aus denen noch der Sand des Gewesenen rieselte, war nicht leicht. Doch ohne Raum kein Platz. Die Menschen, die wir auf Zeit zu Hause verabschiedeten, waren unsere Talis-Männer und -Frauen, wenn es drauf ankam. Und es kam darauf an, oft sogar. Unsere Phantasie ist viel zu beschränkt, als dass wir uns auch nur im Ansatz vorstellen können, was einem widerfährt, wenn man beginnt, einen Fuß vor die Tür zu setzen und dann noch einen und immer so weiter. Ein Pulsieren, wo immer der Wind uns hinfegte. Die Menschen sind gut, erfuhren wir wieder und wieder. Die Begegnungen haben uns gerührt, berührt und verändert. Viel Glauben ist uns begegnet. Er hat uns ehrfürchtiger werden lassen und zuversichtlich. Es gab in mir eine Zeit der Angst. Unterwegs wuchsen der Angst Flügel. Vom Fallen zum Fliegen zum Schweben. Reisen, um sich selbst zu begegnen. Wie doof und eben doch wahr.
Setz die Brille auf und tauche ein in die Suppen der Welt. Lass dir unsere Geschichten schmecken. Wir teilen sie gern, denn so schmecken sie noch besser.
Unser Projekt „Silk Route Cooking“.
Die Seidenstraße. Ein Wort, was uns seit Jahren Glanz in die Augen treibt. Es löst Bilder in uns aus und weckt mehr noch Gerüche. Wir sehen uns auf einsamen Pisten im Irgendwo. Länder erkundend. Landschaften erfahrend, wo noch kein Mensch war. Oder wenigstens nicht so viele. Also, die dort leben, die schon. Menschen. Sie sind der Puls, der Impuls für uns. Ihre Art, die Strümpfe ihres Lebens zu waschen, wollen wir sehen. Sie sind das Herzstück unserer Phantasie entlang der Seidenstraße, der Magnet, der uns zieht und treibt, ja antreibt. Ohne Menschen keine Kamele, die damals die Routen suchten und Wege fanden. Gebirge überwindend, Wüsten durchquerend. Ein hartes Leben damals. Ein Eigenwilliges mit Bestimmtheit noch heute. Ohne Menschen kein Bedürfnis nach Seide und Gewürzen. Nach Fortschritt und Erkenntnis. Menschen in ihrem Alltag zu treffen. Ihnen zu begegnen und ein Teil ihrer Tage zu sein. Auf Zeit. Das ist unser Projekt. Das ist, was uns duftend lockt. „Silk Route Cooking“. Mit den Menschen zu sein und dabei uns selbst begegnen. Kochen verbindet. Kochen und Essen öffnet Münder, selbst wenn die Worte fehlen. Kochen ist Liebe und Leidenschaft. Mal für eine Sturmnacht oder ein stürmisches Leben. Kochen ist leben, genauer, Kochen ist das Leben. An jedem Ort der Welt. Den Menschen bei ihrem natürlichsten Tun begegnen. Im Iran genauso wie in Kasachstan und China. Vom Wandel der Gerüche kosten entlang unseres Weges, der Seidenstraße. Wir nehmen sie rückwärts, ohne rückwärts zu gehen. Von Venedig, dem Ziel, aufbrechend nach Xi‘an, dem Anfang. Weil dem ein Zauber innewohnt. Die Suppen auslöffeln, die wir uns gemeinsam einbrocken. Was aufgeschlagen vor dir liegt, ist kein Kochbuch. Keine so-wird-es-gemacht einhundert prozentige Anleitung. Es geht mehr um Intuition, als um das genaue Gramm auf der Waage. Ich erzähle die Geschichten der Menschen, denen wir auf den Seitenstraßen der Seidenstraße begegnen. Einfach und still. Ich sammle auf, was ich finde. Sorgsam. Wie Schatzperlen. Kochen ist Kunst. Die Handgriffe so verschieden, die kleinen Tricks und Kniffe mitunter verblüffend. Wenn aus Granatapfelkernen Blüten entstehen, wenn Luftlöcher im Reis den Wasserdampf aufsteigen lassen, wenn Fleisch, über Nacht in Schwarztee eingelegt, am nächsten Tag butterweich dem Charme der Gabel erliegt. Die Welt rückt näher zusammen durch die modernen Medien und das Internet. Doch sie fällt im gleichen Maße auseinander, indem Individualitäten und altes Wissen verloren gehen im Einheitsbrei der urbanisierten, Markengelenkten Welt. Wir stehen an zugigen Freiluftöfen in 3.000 Metern Höhe, sitzen in gemütlich engen Küchen inmitten von verfallenen Großstädten, sehen zu, wenn ein Schaf nach dem Gebet von Hand geschlachtet wird und trinken tapfer von der so gesunden Stutenmilch. Wir sind, unserem Mut, den Zufällen, unserem Schicksal und vor allen den Menschen auf unserem Weg dankbar, mit wie viel Offenherzigkeit, Aufrichtigkeit und Vertrauen sie uns in ihre Häuser, in ihre Küchen, in ihre Töpfe, ihre Leben und mitunter verschwiegensten Geheimnissen Eintritt und Einblick gewähren. Ein anderthalb Meter großer Löffel aus Metall ist unser Begleiter. Niemand, der nicht seinen Namen darauf setzt. Quer durch Asien, durch die Wohnungen, Paläste, Häuser, Zelte, Jurten, den freien Himmel. Der Löffel als Staffelstab. Von einer Hand in die andere. Dieses Buch lädt dich ein, in die Leben der Menschen, denen wir begegneten, einzutauchen. Sie stehen für ihre Kulturen, für ihre Länder und für sich selbst. Sie sind Zeitzeugen und sprechen eine authentische Sprache. Nichts Eingeübtes und auf seine Wirkung Bedachtes. Das nackte, pure Leben. Die Rezepte sind das Sahnehäubchen. Wenn du Lust hast, nimm den Löffel auf, koste von den Geschichten, genieße den Geschmack der Weite und löffele, löffele, vom Lebenshunger nicht satt werdend. Es ist angerichtet.