Mann und Frau und Reisehunger. Karsten Meyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karsten Meyer
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783946769118
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Hubble-bubble mit Zarathustra.

      Wasserpfeife rauchen an einem Ort, der für mich nichts anderes verkörpert als Tausend und eine Nacht. Gelbe und rote Laternen erklären dem verdutzten Mond, was eine angemessene Lichtstimmung ist. Währenddessen lümmeln wir uns auf einem der Korsi, den aus Holz reich verzierten Sitz-Liege-Tisch-Stuhl-Sofa-Varianten in einem. Einen halben Meter hoch mögen sie sein, die mit Teppichen und Kissen bestückten, meist zwei mal zwei Meter großen Gestelle. Mit gekreuzten Beinen sitzen wir darauf und genießen, was kommt. Zwei wunderreich bemalte Wasserpfeifen, hier im Iran Ghelyoun genannt. Obwohl seit dem Jahr 2011 das Wasserpfeife-Rauchen in einigen speziellen Teehäusern wieder offiziell erlaubt ist, nachdem im Jahr 2005 von der Regierung ein generelles Verbot ausgesprochen worden war, fühle ich mich, als täte ich gerade etwas Verbotenes. Öffentlich ist der Ort doch deshalb nicht unbedingt gesellschaftlich anerkannt. Ich spüre den Kitzel des Halblegalen, wie als kleines Mädchen, das vor dem zu Bett gehen Bonbons lutscht, obwohl die Zähne schon geputzt sind. Wasserpfeife-Rauchen zählt zu den menschlichen Vergnügungen. Und da nun mal dem öffentlichen Vergnügen damals im Iran ein Riegel vorgeschoben wurde, fiel das gemütliche Sitzen unter einer Traumwolke aus Apfelgeruch mit unter den Geselligkeitshammer. Für uns ist es ein weiterer Abend mit Menschen, von denen wir glauben, einander schon ewig zu kennen. Vielleicht aus einem anderen Leben? Wer weiß das schon so genau? Begegnet sind wir uns über das hier so genannte Sechs-Hände-Prinzip. Hat man im Iran ein Problem, so spricht man, wie überall anders auch, einen anderen darauf an. Erhofft man sich in unseren Breiten oft sofort eine Antwort oder Hilfe, geht das Sechs-Hände-Prinzip davon aus, dass spätestens der Sechste, der von meinem Problem erfährt, eine Lösung für mich bereithält. Fraglich zwar, ob das Problem, von dem der Sechste erzählt bekommt, noch das gleiche ist, wie mein Ausgangsproblem. Ich weiß nur, dass die Methode in unserem Fall mehr als einmal funktioniert hat. Saman und Nazanin hatten vielleicht noch nicht die sechsten Hände, doch die Vierten mit Sicherheit. Wir – erste Hand – haben einen deutschen Freund. Er ist Leiter eines OP-Bereichs in Jena – zweite Hand –, der wiederum einen Arzt im Iran kennt – dritte Hand –, der jedoch gerade zu einem Kongress unterwegs ist, aber einen Geschäftspartner – vierte Hand – für medizinische OP-Geräte hat, welcher in der Stadt Yazd lebt, tatsächlich gerade da ist, sich Zeit für uns nimmt und uns in das Haus seiner Eltern einlädt. Wie es obendrein gelingt, von einer Hand in die andere E-Mailadressen und Telefonnummern zu reichen, um sich tatsächlich zu verständigen und einen Treffpunkt zu vereinbaren, gleicht der Mühe aus den Zeiten der Karawanen. Doch damals wie heute spüren Reisende, dass sich für alles ein Weg finden lässt. So auch wir und so auch heute. Plötzlich steht Saman, der mit der vierten Hand, vor unserem Leo. Und augenblicklich ist jedes Fremdeln dahin. Vielleicht wird ja durch die Hände gleich noch die Vertrautheit vom einen zum anderen übergeben? Saman ist einer, den ich als Weltmensch bezeichne. Sein Geist reist über sämtliche Ländergrenzen hinweg. Er denkt quer und spontan, verbindet das eine Thema mit der nächsten Idee. Ist an den Geschicken der Welt interessiert und spannt seine Fäden der Vorstellung blitzschnell über die Kontinente. Gerade so, als gäben die umfänglichen Restaurierungsarbeiten an der aus dem 12. Jahrhundert stammenden und im 14. Jahrhundert erweiterten, großen Versammlungsmoschee in Yazd die schlichte Basis für das Große und Weite. Samans Großvater trug als Architekt die Verantwortung für die neuzeitlichen Arbeiten, so dass sein Name in den blauen Kachelornamenten Verewigung fand. Das Erhabene, was nur einen Gott kennt auf der ganzen Welt, der nur eben unterschiedliche Namen trägt. Wer kann in seinem Leben tatsächlich so viel hinterlassen, dass die Ahnen einmal ein Gotteshaus betreten und dabei den Namen des eigenen Großvaters auf den Lippen tragen?

      Nazanin und ich sehen aus wie ein duftender Kaffee mit einer Haube aus Sahne. Sie dunkelhaarig, mit tiefschwarzen geheimnisvollen Augen. Ich blond, mit dem Blau des Wassers im Blick. Doch unsere Seelen scheinen Schwestern zu sein. Das spüren wir, während wir schwitzend in unseren dicken, langen Mänteln neben unseren Männern herlaufen, die längst wieder die Jacken von sich geworfen haben und mit leichtem Gepäck durch die Lehmziegelbauten von Yazd schlendern. Da ist der Luftzug im Inneren eines Windturms ein echtes Mädchenparadies. Führt hier der Wind doch die kalte Luft in das Innere der Räume. Gebaut, um Obst und Gemüse länger frisch zu halten, manchmal auch Menschen. Ganz ohne Strom funktioniert der Kühlschrank der alten Zeiten.

      Mit Saman und Nazanin Teile zeitlosen Gedankenguts aufzuspüren, belebt mein schwitzendes Herz. Der Zarathustrismus kreuzt unseren Weg, dessen größte Anhängerschaft in Indien und Iran anzutreffen ist. Irgendwann in der Zeitspanne von 1.800 Jahre vor und 600 Jahren nach Christus vermutet man die Entstehung der Religion im iranischen Hochland, dem heutigen Afghanistan. Mit der Ausbreitung des Islams, emigrierten vor ungefähr 1.000 Jahren ein Großteil der Anhänger in das Gebiet Indiens, wo sie den Namen Parsen, abgeleitet von Persern, tragen. Bis heute sind die drei wesentlichen Grundsätze in der Lehre des Zarathustras die der guten Gedanken, guten Worte und guten Taten. Es geht um den guten und den bösen Geist, die in ihrem Zusammenwirken unser Leben auf der Erde bestimmen. Damit das Gute über das Böse siegen kann, muss sich der Mensch als vernunftbegabtes Wesen entscheiden. ‚Ach ja, wie aktuell‘, nicke ich mir zu. Im Feuertempel von Yazd stehend und auf die heilige, niemals erlöschende Flamme als Gottheiten-Symbol schauend. Im Iran wird der Zarathustrismus als eine Minderheit von staatlicher Seite geduldet.

      In die Zeit meines Lebens in der DDR fühle ich mich zurückversetzt. Das Denken ist frei, das Reden hat viele Facetten. Ich mußte wissen, mit wem ich worüber spreche. Es hatte etwas von einem Leben mit doppeltem Boden. Es gab ein Innen und Außen, eine offizielle Meinung und eine eigene. Wie mehrsprachig aufwachsende Kinder, deren Instinkt blitzschnell weiß, welche Worte zu welcher Sprache gehören. Künstler des gedanklichen Jonglierens, hier wie da. Wenn uns so viel Luft des ungefilterten Denkens entgegenströmt, lassen auch wir unseren Worten freien Lauf. Der Qualm der Wasserpfeifen kondensiert zu Ideentropfen in unseren Köpfen. Fein säuberlich bringen wir vier sie alle miteinander im Teehaus ans gelb schimmernde Licht der verschwiegenen Laternen.

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