YOLO. Paul Sanker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Sanker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658548
Скачать книгу
zu stöhnen, fasste sich an den Kopf und verdrehte die Augen. »Oh, mir ist schlecht!«, keuchte er. »Wo bin ich? Es verschwimmt alles.« Durch halbgeschlossene Lider sah er Bauer an. »Bist du’s, Vater?« Wiederum fabrizierte er ein lautes, lang gezogenes Stöhnen. Und wirklich kam die junge Krankenschwester ins Zimmer geschossen.

      »Was ist passiert?«, rief sie und beobachtete beunruhigt, den jammernden Patienten. »Oh Gott! Was haben Sie mit ihm gemacht?«, fragte sie die Polizeibeamten vorwurfsvoll.

      Bauer und Wagner waren aufgestanden und warfen sich ratlose Blicke zu.

      Die Schwester legte ihre Hand auf Henriks Stirn, tastete wieder nach seinem Puls. Der Patient lächelte verzückt, was ihm aufgrund des fehlenden Frontzahnes ein idiotisches Aussehen verlieh. »Mutter?«, flüsterte er.

      In energischem Ton wandte sich die Schwester an die Beamten. »Wie Sie sehen, meine Herren, braucht Herr Wanker absolute Ruhe. Er leidet offensichtlich an einer Amnesie. Ich bitte Sie, umgehend das Zimmer zu verlassen, sonst muss ich den Doktor rufen.« Sie machte eine eindeutige Handbewegung in Richtung Tür.

      Achselzuckend setzten sich die Polizisten in Bewegung. Bevor sie die Tür erreichten, drehte Wagner sich noch einmal um und sagte: »Wir werden uns wieder bei Ihnen melden, Wanker. Da können Sie sicher sein.«

      »Du solltest nicht so ungesunde Sachen zum Frühstück essen, du Büttel«, flüsterte Henrik.

      Wagner glaubte, sich verhört zu haben, aber es war unmöglich, der Sache auf den Grund zu gehen, denn die Schwester schob ihn hinter Bauer in den Korridor hinaus und schloss nachdrücklich die Tür.

      4 | Rätselhafte Nachrichten

      Am nächsten Morgen hatte Henrik es eilig, das Krankenhaus zu verlassen. Die Ärzte wollten zwar, dass er noch ein oder zwei Tage zur Beobachtung und zur Durchführung weiterer Untersuchungen in stationärer Behandlung blieb, doch er verspürte keine Lust, erneut Besuch von der Polizei zu bekommen. Noch immer fühlte er sich wie unter den Presslufthammer geraten. Sein Körper war von Prellungen und Blutergüssen übersät. Inzwischen hatte man zwar die Nasentamponade entfernt, aber sein Gesicht besaß die Farbe und Konsistenz eines überreifen Pfirsichs. Nach wie vor litt er unter übelsten Kopfschmerzen. Trotzdem packte er seine Sachen zusammen, so schnell es ihm in diesem Zustand möglich war. Er konnte sich ja zu Hause erholen. Nachdem er die Erklärung unterschrieben hatte, auf eigene Verantwortung das Krankenhaus verlassen zu haben, ließ er sich für seine letzten Euros ein Taxi bestellen.

      Daheim angekommen legte er sich sofort wieder ins Bett, um zu schlafen. Aufgrund der ständigen Übelkeit wollte ihm das aber nicht gelingen. Stöhnend humpelte Henrik ins Bad und schluckte zwei Aspirintabletten. Er hustete, spuckte altes, klumpiges Blut aus und betrachtete sorgenvoll seine Zahnlücke im linken Oberkiefer. Voll Selbstmitleid begann er zu schluchzen und schleppte sich weiter ins Wohnzimmer. Dort bemerkte er, dass der Anrufbeantworter blinkte.

      In seiner Abwesenheit hatte das Gerät sechs Anrufe aufgezeichnet. Lustlos drückte er auf den Abspielknopf, um die Nachrichten abzuhören.

      Anruf Nummer eins: Zunächst nur Stille und leises Rauschen. Dann ein leichtes Räuspern. Schließlich: »Äh … Hallo, Alter! Ich bin's, dein Kumpel Tobi. Lebst du noch? Wenn ja, melde dich bei mir. War'n ziemlich beschissener Abend gestern, hä?« Klicken. Tobi hatte aufgelegt.

      In Henrik stieg Wut auf. Dieser Witzbold nannte den Albtraum, in dem er fast totgeprügelt worden wäre, einen beschissenen Abend! Er schwor sich, diesem pickligen Penner richtig tief in den Arsch zu treten, sobald er wieder halbwegs bei Kräften war. Erst überredete der ihn, in diese zwielichtige Bar zu gehen. Dann provozierte er die verrückten Gruftis und ließ ihn als Krönung des Ganzen bei der Schlägerei feige im Stich. Schließlich war es ihm gewissermaßen auch zu verdanken, dass ihn die Polizei für einen beschissenen Pädophilen hielt. Es ärgerte ihn, dass er sich mit diesem ausgeflippten Milchgesicht jemals eingelassen hatte.

      Erst als er sich wieder beruhigt hatte, hörte Henrik die nächste Ansage ab.

      Anruf Nummer zwei: »Warum meldest du dich nicht? Man kann doch von seinem Sohn erwarten, dass er sich ab und zu mal nach dem Befinden seiner Mutter erkundigt. Aber nein! Dir ist völlig egal, wie es mir geht. Der Sohn von Frau Brinkmann bringt seiner Mutter jede Woche einen Strauß Blumen vorbei. Jede Woche! Und du? Noch nicht einmal zum Muttertag!« Klick.

      Blödes Theater! Um ein Haar wäre er abgekratzt. Hatte sie sich da um sein Befinden gesorgt? Henrik gab sich keine Rechenschaft darüber, dass seine Mutter vom Krankenhausaufenthalt gar nichts erfahren hatte, und spulte weiter.

      Anruf Nummer drei: »Herr Wanker? Hier spricht Braun, ihr Vermieter. Sie sind mit Ihren Mietzahlungen zwei Monate im Verzug. Ich werde mich in Kürze wieder melden.« Klick.

      Henrik zog eine Grimasse. Braun, dieser dumme Zausel. Der Kerl sollte sich wegen der paar lausigen Kröten nicht ins Hemd pissen. Er ließ das Gerät weiter laufen.

      Anruf Nummer vier: Sekundenlanges Rauschen. Dann Klick. Wer nicht will, der hat schon, dachte Henrik. Dann der nächste …

      Anruf Nummer fünf: »Äh …Wo bist du, Alter? Machst mir richtig Sorgen, Mann. Also, wenn du Lust hast, könnten wir morgen Pizza essen gehen. Okay? Dein Kumpel Tobi zahlt auch.« Klick.

      Henrik grinste spöttisch, aber schon halb versöhnt. Wenigstens ein schlechtes Gewissen schien der Torfkopf zu haben. Okay, weiter zum letzten Anruf.

      Anruf Nummer sechs: Rauschen … Rauschen … zehn Sekunden … fünfzehn … Henrik wollte schon die Stopptaste drücken, da hörte er ein leises Kichern und nach einer kurzen Pause eine ihm wohlbekannte Stimme: »Seid gegrüßt, edler Paladin.« Er meinte, das unverschämte Grinsen dieses schleimigen Druiden direkt vor sich zu sehen. »Ich hoffe, es geht Euch gut? Oder fühlt Ihr Euch etwa inkommod?« Wieder das unverschämte Kichern. Dann: »Mein hochherziger Lord Dragon bittet Euch zu einer Audienz anlässlich unseres diesjährigen Gildentreffens in Blackmount Castle. Es geht um den bewussten Gegenstand, der sich in Eurem Besitz befindet, Euch aber bedauerlicherweise nicht gehört.« Schweigen. Tulsadoom atmete zischend ein und aus. »Ihr wisst doch, wovon ich rede, oder? Natürlich wisst Ihr das!« Klick.

      Henriks Kopfschmerzen wurden unerträglich. Ihm wurde schwarz vor Augen. Unbeschreiblicher Hass erfüllte ihn. Er stieß unartikulierte Schreie aus und biss in die Knöchel seiner geballten linken Faust, was ihm aufgrund des ausgeschlagenen Zahnes noch mehr Schmerzen verursachte. Wie irr spuckte er immer wieder auf den Boden. Und plötzlich wurde ihm alles klar: Diese drei Gruftis aus Franks Bar, die ihm so übel mitgespielt hatten, waren Handlanger von Tulsadoom, die ihm in dessen Auftrag einen Denkzettel verpasst hatten. Die Einschüchterung sollte bewirken, dass er beim Gildentreffen klein beigab und Lord Dragon freiwillig den Armreif ablieferte. Aber die Rechnung würde nicht aufgehen. Er würde Lord Dragon den stinkenden Penis des Druiden ins hochherzige Maul stopfen und anschließend sein Schwert so tief in den Hintern des Schattenmagiers schieben, dass kein Echolot es mehr orten konnte.

      Henrik war gerade auf dem Höhepunkt seiner Amokstimmung angelangt, als es an der Tür klingelte. Wutschnaubend und humpelnd wie der Glöckner Quasimodo bewegte er sich in den Korridor. Er vermutete, dass es Tobi war, der mit ihm Pizza essen gehen wollte. Deshalb riss er die Tür auf und schrie: »Was willst du gepierctes, pickelgesichtiges Klappergestell von mir?« Aber vor der Tür stand Herr Braun, sein Vermieter.

      Henrik glotzte ihn verblüfft mit weit aufgerissenen Augen und halb geöffneten Mund an. Speichel tropfte ihm seitlich an der geschwollenen Unterlippe vorbei.

      Herr Braun war ein kleiner, drahtiger Mittsechziger, der immer ein kariertes Jackett, weißes Oberhemd, dezente Krawatte und penibel gebügelte Bundfaltenhosen trug. Das dünne, graue Haar war sorgfältig nach links gescheitelt. Wenn er über Henriks Begrüßung oder dessen ramponiertes Aussehen geschockt war, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. »Schön, dass ich Sie mal persönlich antreffe, Herr Wanker«, sagte er kühl und mit unbewegtem Gesichtsausdruck.

      Verblüfft stotterte Henrik: »Ach, Sie sind es, Braunie! Äh, ich meine natürlich Herr Braun. Wie geht’s denn so und wie geht’s der verehrten Frau