offen und neugierig sein
Wissen, wie man mit seinen Gefühlen zurechtkommt
sich in andere Menschen einfühlen können
Erfahrungen bewerten und aus ihnen lernen können
damit umgehen können, dass man nicht alles unter Kontrolle hat
Judith Glück, die früher in Berlin am »Berliner Weisheitsparadigma« mitgearbeitet hat, widerspricht nicht unbedingt anderen Weisheitsforschern. Vielleicht bewertet sie manche Ergebnisse anders als ihre Forscherkollegen oder setzt andere Schwerpunkte. Letztendlich aber zeigt sich, dass jeder, der sich mit dem Thema Weisheit beschäftigt, neue Blickwinkel eröffnet und dadurch etwas zum Verständnis von Weisheit beiträgt.
Weiß man jetzt, was Weisheit ist? Dass es immer noch verschiedene Theorien zur Weisheit gibt, die sich selten widersprechen und oft ergänzen, zeigt nur, wie reichhaltig der Begriff eigentlich ist. Er entzieht sich auch weiterhin einer knappen Definition.
Am Ende dieses Kapitels schauen wir zurück auf 4000 Jahre Weisheit und stellen fest, dass wir sie immer noch kaum erklären können. Zusammenfassend versuche ich es einmal mit einer Liste der Paradoxe und Gegensätze:
Man kann Weisheit schlecht erklären, aber man erkennt sie, wenn man ihr begegnet.
Jeder braucht weise Menschen um sich, aber sie sind selten.
Weisheit kann man aus allem lernen, aber sie ist nicht einfach zu haben.
Wissen hilft, weise zu werden. Aber Wissen macht nicht weise.
Es lohnt sich, weise zu sein. Aber ein weiser Mensch weiß nicht, dass er weise ist.
Natürlich sind gerade die Abschnitte zur Weisheitsforschung nur ganz grobe Überblicke. Wer sich mit der Theorie der Weisheit weiter beschäftigen möchte, der findet an dieser Stelle Tipps zum Weiterlesen. Kaum vorbei kommt man an dem Buch Weisheit. Über das, was uns fehlt von Gert Scobel (Köln, 2008). Von der psychologischen Forschung über Neurologie bis hin zur Meditation beschreibt Scobel die Grundlagen der Weisheit. Ganz anders, sehr praktisch und humorvoll schreibt der Journalist Guido Eckert über Weisheit: Der Verstand ist ein durchtriebener Schuft: Wie Sie garantiert weise werden (Münster, 2010). Die Psychologin Judith Glück hat ihre Forschungsergebnisse und Erfahrungen ebenfalls in Buchform gebracht: Weisheit. Die 5 Prinzipien des gelingenden Lebens (München, 2016).
Kapitel 3
Der weise Mensch: Immer auf dem Weg
IN DIESEM KAPITEL
Warum sich der Entschluss lohnt, weise werden zu wollen
Was man auf dem Weg zur Weisheit besonders lernen sollte
Wie ein Leben mit Weisheit gelebt werden kann
Warum Weisheit ein Weg ohne Ende ist
Sie können sich natürlich die berechtigte Frage stellen, warum man all diese Mühe mit dem »Weisewerden« auf sich nehmen soll. Ständig aufmerksam zu sein, nur um eine Fähigkeit zu erlangen, von der Sie nie wissen werden, ob Sie sie wirklich erworben haben – das könnte frustrierend sein, wenn es nicht andererseits so spannend wäre, auf dem Weg zu sein und
sich selbst besser kennenzulernen,
zu merken, wie Ruhe und Gelassenheit ins Leben kommen,
sich immer besser in andere Menschen einfühlen zu können,
mit seinen Gefühlen besser zurechtzukommen oder
dem ruhigen Nachdenken einen eigenen Platz im Tagesablauf zu gewähren.
Weisheit zu lernen ist keine anstrengende Übung. Sie verlangt nur Aufmerksamkeit für das Leben und den ehrlichen Blick auf uns selbst. Das Unterrichtsfach »Weisheit lernen« gibt es nicht. Und so mancher weise Mensch hat sich in seinem Leben noch nie über Weisheit Gedanken gemacht. Aber da Sie nun schon mal dieses Buch in die Hand genommen haben und Weisheit für Sie in irgendeiner Weise vielleicht schon eine Rolle spielt, beginnen wir ganz am Anfang: mit der Entscheidung, weise werden zu wollen.
Der Entschluss: Weise werden wollen
Warum finden wir eigentlich nur so wenige Menschen um uns herum, die wir weise nennen würden? Gibt es wirklich so wenige von ihnen? Ist diese Lebensklugheit tatsächlich so schwer zu erlangen? Vielleicht ist das Wort Weisheit einfach zu wenigen Menschen ein Begriff. Wer weise wird, wird vielleicht »zufällig« weise, weil er ein paar gute Entscheidungen getroffen hat. Aber sich dafür entscheiden, nach Weisheit zu suchen? Das klingt eher nach jemandem, der nach Indien trampt, um Erleuchtung zu finden, als nach einem »Max Mustermann«, der einfach nur darüber nachdenkt, wie er ein gutes Leben führen kann. Aber wofür entscheiden wir uns eigentlich, wenn wir weise werden wollen?
Weise werden wollen, um klug genug für das eigene Leben zu sein
Wir genießen heute eine enorme Freiheit. Wir können uns entscheiden, wie wir leben wollen. Aber herauszufinden, was denn für uns das gute Leben eigentlich ausmacht, ist nicht immer einfach. Gerade am Anfang unseres Lebenswegs, wenn es um Studium und Ausbildung geht, fragen wir uns, was zu uns passt. Und ungeklärte Fragen gibt es gerade für junge Menschen reichlich:
Was sind meine Talente und Fähigkeiten?
Welche Talente und Fähigkeiten sollte ich entwickeln oder zu meinem Beruf machen?
Was passt eigentlich zu mir?
Was würde mich zufrieden machen?
Werden wir älter, sind wir aber meist nicht einfach zufrieden, sondern stellen andere Fragen:
Was habe ich versäumt, das ich unbedingt noch machen möchte?
Wie kann ich auch meine noch kommenden Lebensjahre so gestalten, dass ich zufrieden bin?
Was möchte ich meinen Kindern, meiner Familie hinterlassen?
Das gute Leben, das wir uns wünschen, passiert uns nicht einfach. Wir müssen es selbst in die Hand nehmen und gestalten. Nur kennen wir uns einfach selbst nicht besonders gut. Ob wir nun gerade erwachsen oder ob wir älter werden, immer geht es um die Frage, ob wir wirklich da sind, wo wir sein wollen. Mehr als alles andere ist hier Weisheit gefragt, was in diesem Falle auch die Fähigkeit einschließt, sich selbst ehrliche Fragen stellen zu können:
Kann ich eigentlich das, was ich will?
Will ich das, was ich kann?
Bin ich an dem Ort, an dem ich sein will?
Oder bin ich nur zu faul oder zu ängstlich, um mich in Bewegung zu setzen?
Wer weise ist, kann und muss auch sich selbst Fragen stellen, auch Fragen, die wehtun. Denn es ist gar nicht so leicht, man selbst zu werden.
Das gute Leben und das Glück
Wenn ich über das gute Leben schreibe, bin ich schon sehr nah an einem anderen Thema: Glück. Die naheliegende Frage ist wohl, ob Weisheit glücklich macht. Oder noch