1 Gemkow, Aus dem Leben einer rheinischen Familie, S.512
2 Schöncke, Karl und Heinrich Marx und ihre Geschwister, S.229/230
3 Monz, Karl Marx. Grundlagen der Entwicklung zu Leben und Werk, S.139
4 Monz, Karl Marx. Grundlagen der Entwicklung zu Leben und Werk, S.139
5 Schöncke, Karl und Heinrich Marx und ihre Geschwister, S.230
6 Schöncke, Karl und Heinrich Marx und ihre Geschwister, S.230/231
7 Schöncke, Karl und Heinrich Marx und ihre Geschwister, S.231
8 Monz, Karl Marx. Grundlagen der Entwicklung zu Leben und Werk, S.137
9 Monz, Karl Marx. Grundlagen der Entwicklung zu Leben und Werk, S.326
10 Gemkow, Aus dem Leben einer rheinischen Familie, S.513
11 Monz, Karl Marx. Grundlagen der Entwicklung zu Leben und Werk, S.324
12 Gemkow, Aus dem Leben einer rheinischen Familie, S.514
13 Gemkow, Aus dem Leben einer rheinischen Familie, S.514
14 Monz, Karl Marx. Grundlagen der Entwicklung zu Leben und Werk, S.332
TEIL II – SIEBEN LANGE JAHRE
Liebe auf den tausendsten Blick
Das Jahr 1836
Jenny von Westphalens Bestimmung war es, zu heiraten und die Zukunft der Familie durch Kinder abzusichern. Aber die Zeit verging und sie lehnte jede Offerte ab, trotz fortgeschrittenen Alters. Kein Heiratskandidat fand ihr Wohlgefallen. Von einem preußischen Militär hielt sie nach ihrer Erfahrung mit Pannewitz wahrscheinlich nicht viel, weil sie annehmen musste, dass ihre politisch-gesellschaftlichen Haltungen konträr zueinander waren. Aber einen tüchtigen, adligen Herrn, in der Verwaltung tätig und liberalen Reformen nicht abgeneigt, hätte sie vielleicht erhören können. An einen, allerdings bürgerlichen Verehrer, Peter Reichensperger, meinte sich Bruder Edgar später erinnern zu können. Der Zentrums-Politiker kam allerdings erst 1844 an das Landgericht Trier, als Jenny schon verheiratet war.
Warum konnte sich die junge Dame nicht entscheiden? Lag ihre Unentschlossenheit darin begründet, dass sie sich immer mehr zu dem klugen, rebellischen Karl Marx hingezogen fühlte und die Verwandtschaft ihrer Seelen und ihre übereinstimmung im Geiste spürte? Mit ihm zu debattieren war eine Freude, schulte die Dialektik und beide konnten sich an ihren geistigen Höhenflügen begeistern. Der geniale Geist des vier Jahre Jüngeren, seine ironische überlegenheit, seine Beredsamkeit, sein Temperament und sein unkonventionelles Benehmen, später sprach man von schlechten Manieren, hatten sie zunehmend fasziniert. Als versteckte Liebesbeweise, kleine Zärtlichkeiten hinzukamen, wurde ihr bewusst, dass sie sich auch körperlich zu ihm hingezogen fühlte. Irgendwann gestand der stürmische Junge, dass er sie liebte. Zunächst hielt sie dies für eine Verirrung und Verwirrung der Gefühle, aber bald musste sie sich eingestehen, dass auch bei ihr aus Sympathie Verliebtheit und letztendlich Liebe geworden war. Die Baronesse und Karl Marx beschlossen sich zu verbinden. Aber wie sollte Jenny die Einwilligung der Eltern erhalten? Die Eltern schätzten Karl Marx, aber auch als Schwiegersohn? Der gesellschaftliche Konsens würde erheblich gestört werden, wenn eine Adlige einen Bürgerlichen heiratete. Das war nicht nur ungewöhnlich, das war schockierend, auch für Jennys Eltern. Erst im September 1834 war Ludwig von Westphalen mit Kindern auf eigenen Antrag in das Adelsverzeichnis für das Rheinland aufgenommen worden – und nun wollte die Tochter einen Schritt unternehmen, der zum Verlust ihres Adelstitels und aller damit verbundenen Privilegien führen würde? Eine Abkehr vom Pfad des Standes war schwer vermittelbar, war ein Skandal – außer für die verliebte Jenny. Wie würden die verwandten Adelsfamilien reagieren, die Krosigks, Veltheims, Florencourts und die anderen Westphalens? Die Skala würde von Missbilligung bis zu offener Ablehnung reichen, kaum von Verständnis bis Wohlwollen.
Für Naserümpfen würde neben dem Standesunterschied auch die Jugend des Bräutigams sorgen. In Jennys Kreisen war der Ehemann gewöhnlich erheblich älter als die Frau, hatte einen Beruf und war in der Lage, eine Familie zu ernähren. Das alles traf auf Karl Marx nicht zu, er war noch nicht einmal erwachsen. Hinzu kam der jüdische Hintergrund, obwohl die jüdischen Wurzeln von Marx die Aversion gegen die Verbindung nicht verstärkt haben müssen. Karl Marx hat jeden diesbezüglichen Hinweis vehement bestritten, und es ist auch festzuhalten, dass Juden in der Mitte des 19. Jahrhunderts über ihre Religion definiert wurden, nicht durch ihre Ethnie. Die Religion als Ablehnungsmerkmal spielte nach der Konversion der Familie von Heinrich Marx 1824/25 keine Rolle.
Karl Marx, ein Bürgerlicher, vier Jahre jünger als die adlige Braut, ein Student, ohne Einkommen, ohne Vermögen, war als Ehekandidat unmöglich. Aber die Entscheidung Jenny von Westphalens war unwiderruflich auf Karl Marx gefallen.
Das Geburtshaus von Karl Marx in Trier
Die Familie des Bräutigams war in Trier angesehen. Die Juden hatten in den von Napoleon I. besetzten Gebieten das volle Bürgerrecht erhalten, und diese Zusage sollte ab 1818 auch in Preußen